Beitrag

Einspruch gegen den Strafbefehl durch einfache E-Mail?

Der Einspruch gegen einen Strafbefehl kann nicht wirksam per einfacher E-Mail bei Gericht eingereicht werden. Entsprechendes gilt für einen Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Einspruchsfrist. (Leitsatz des Verfassers)

LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 9.11.202212 Qs 59/22

I. Sachverhalt

Einspruch gegen den Strafbefehl durch einfache E-Mail

Gegen den Angeklagten ist ein Strafbefehl erlassen worden. Der wurde dem Angeklagten am 20.8.2022 persönlich übergeben. Gegen den Strafbefehl wandte er sich mit E-Mail vom 8.9.2022 und begründete die Versäumung der Einspruchsfrist. Zugleich kündigte er an, den Einspruch am nächsten Tag zu Protokoll der Geschäftsstelle beim AG nachzuholen. Das tat er dann nicht. Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, das Schreiben vom 8.9.2022 als Einspruch zu behandeln und diesen wegen Verfristung als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen sei ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Das AG hat den Einspruch als unzulässig, weil verfristet, verworfen.

Wiedereinsetzungsantrag

Dagegen wendet sich nun der Angeklagte. Er macht geltend: Er habe die Einspruchsfrist verpasst, weil er in Urlaub gewesen sei; er habe erst nach seiner Rückkehr den zugestellten Strafbefehl im Briefkasten vorgefunden. Das LG hat die sofortige Beschwerde verworfen.

II. Entscheidung

Schriftform

Nach Auffassung des LG hat das Amtsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und den Einspruch zu Recht verworfen. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO sei der Wiedereinsetzungsantrag binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Verlangt werde hierfür die Schriftform (Maul in KK-StPO, 8. Aufl., § 45 Rn 2 m.N. zur a.A.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 45 Rn 2); für die versäumte Prozesshandlung bedürfe es der für sie vorgeschriebenen Form. Werde die versäumte Handlung nicht in der für sie vorgeschriebenen Form nachgeholt, so sei auch der Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig (Maul, a.a.O., § 45 Rn 9; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 45 Rn 11). Beim Strafbefehl erfolge, die Einlegung des Einspruchs binnen zweier Wochen schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 410 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Einfache E-Mail reicht nicht (mehr)

Die Schriftform sei hier in beiden Fällen – beim Wiedereinsetzungsantrag und beim Einspruch – nicht eingehalten. Zwar könne gegenüber Gerichten die Schriftform auch durch ein elektronisches Dokument gewahrt werden (§ 32a Abs. 1, 3 StPO). Der Wortlaut dieser Norm beschränke auch den Personenkreis möglicher Absender nicht. Dementsprechend könne auch der Angeklagte elektronische Dokumente, zu denen E-Mails gehören, bei Gericht einreichen (Valerius in BeckOK StPO, 45. Ed. 1.10.2022, § 32a Rn 4). Für deren Wirksamkeit sei es allerdings erforderlich, dass sie qualifiziert elektronisch signiert oder signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Eine gewöhnliche E-Mail genüge diesen Anforderungen nicht (BSG, Beschl. v. 13.5.2020 – B 13 R 35/20 B zu § 65a Abs. 1 SGG; BGH, Beschl. v. 12.5.2022 – 5 StR 398/21 mit Verweis auf BT-Drucks 19/27654, S. 56).

Keine Signatur

So liege der Fall auch hier. Die E-Mail vom 8.9.2022, mit der Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt und zugleich dessen nachträgliche Zulassung beantragt worden sei, sei von einem gewöhnlichen E-Mail-Konto versandt („…@web.de“). Abgesehen von der Namensangabe des Angeklagten in der E-Mail-Adresse und nach der Grußformel, lasse die E-Mail keine weitere Überprüfung der Urheberschaft zu. Sie trage weder eine qualifizierte elektronische Signatur noch sei sie signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden. Wiedereinsetzungsantrag und Einspruch teilen daher das gleiche rechtliche Schicksal. Sie seien als unzulässig zu verwerfen gewesen, weshalb die Beschwerde unbegründet ist.

III. Bedeutung für die Praxis

Vorsicht

1. Also Vorsicht an der Stelle, wenn der Mandant selbst etwas tun soll/will. Der Verteidiger muss ggf. auf die formale Klippe hinweisen.

Unstimmigkeiten

2. M.E. hätte das LG das „Fass „Unzulässigkeit“ gar nicht aufmachen müssen“. Denn ein Wiedereinsetzungsgrund war m.E. ggf. nicht gegeben, da der Angeklagte nach Zustellung des Strafbefehls möglicherweise offenbar erst mal in Urlaub gefahren ist und erst nach Rückkehr Einspruch eingelegt hat. Allerdings ist eine Diskrepanz im Beschluss nicht zu übersehen: Einerseits heißt es „persönlich übergeben“, andererseits „nach dem Urlaub im Briefkasten vorgefunden. Der Angeklagte trägt aber vor, er sei ab 19.8. in Urlaub gewesen. Wie kann dann am 20.8. „persönlich übergeben“ werden?

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…