1. Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, kann er den Ersatz von Umsatzsteuer nicht verlangen.
2. Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen einer durchgeführten Teilreparatur tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist, da eine Kombination zwischen fiktiver und konkreter Schadensabrechnung insoweit nicht zulässig ist.
I. Sachverhalt
Anspruchssteller begehrt MwSt für Teilreparatur
Das Fahrzeug der Klägerin war bei grundsätzlicher Haftung dem Grunde nach der Beklagtenseite beim Verkehrsunfall beschädigt worden und die Klägerin rechnete effektiv auf Gutachtenbasis ab. Die beklagte Versicherung erstattet auf dieser Grundlage die Nettoreparaturkosten. Die Klägerin ließ sodann eine Teilreparatur durchführen, für die ein geringerer Betrag an Reparaturkosten angefallen ist und verlangt die daraus ersichtliche Mehrwertsteuer.
II. Entscheidung
Sowohl das Amts- als auch das Landgericht haben die darauf gerichtete Klage abgewiesen und diese Entscheidung wurde vom Bundesgerichtshof im Ergebnis gehalten. Selbst wenn die durchgeführte Teilreparatur zur Wiederherstellung der Verkehrs- und Betriebssicherheit des klägerischen Fahrzeuges erforderlich gewesen sein soll, könnte die Klägerin im Rahmen der von ihr gewählten fiktiven Abrechnung nicht die Mehrwertsteuer bei der durchgeführten Teilreparatur erhalten, da eine Kombination zwischen fiktiver und konkreter Schadensabrechnung insoweit nicht zulässig wäre.
Keine Kombination der Abrechnungsarten
Damit betont der BGH noch einmal, dass die unterschiedlichen Abrechnungsarten mit konkreter und fiktiver Schadensabrechnung nicht miteinander kombiniert werden dürfen, damit die unterschiedlichen Grundlagen der jeweiligen Abrechnungsart Rechnung getragen werden kann und der Geschädigte nicht unzulässig bereichert wird. Kennzeichen der fiktiven Abrechnung wäre dabei, dass der zur Herstellung erforderliche Betrag ohne zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln ist.
Dem Geschädigten würde durch das Vermischungsverbot auch kein Nachteil entstehen, da es ihm freisteht, seinen Fahrzeugschaden zunächst fiktiv abzurechnen und dann im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen zu einer konkreten Schadensabrechnung überzugehen und den Ersatz für tatsächlich angefallene Kosten zu verlangen.
Keine MwSt-Erstattung bei Fortdauer der fiktiven Abrechnung trotz Teilreparatur
Wenn der Geschädigte dagegen den Weg der fiktiven Schadensabrechnung wählt, kann er den Ersatz von Umsatzsteuer nicht beanspruchen, selbst wenn bei einer durchgeführten Reparatur tatsächlich Umsatzsteuer angefallen sein sollte. Denn die Umsatzsteuer würde nicht nur dann fiktiv bleiben, wenn es nicht zu einer Reparatur mit ausgewiesener Umsatzsteuer kommt, sondern sie ist auch weiterhin als rein fiktiv zu betrachten, wenn der Geschädigte zwar eine Reparaturmaßnahme veranlasst, diese Maßnahme aber nicht zur Grundlage seiner Abrechnung macht, sondern daran festhält, dass der Schaden weiterhin fiktiv und ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen abgerechnet werden soll.
Entscheidend: Konkrete Abrechnung mit angefallener MwSt
Auch nach der Gesetzesbegründung soll dem Geschädigten der für die Herstellung erforderliche Geldbetrag zustehen, insoweit er zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes tatsächlich angefallen ist (vgl. BT-Drucks 14/7752, 13 ff.). Nur wenn der Geschädigte konkret abrechnet und unter Bezugnahme auf die tatsächlich durchgeführte Reparatur die Reparaturkosten einschließlich Umsatzsteuer verlangt, ist diese auch tatsächlich angefallen im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB.
III. Bedeutung für die Praxis
Konsequente Fortsetzung bisheriger Rechtsprechung
Bisher hatte es der BGH offen gelassen, wie im Fall einer Teilreparatur zur Herstellung der Verkehrssicherheit mit einer dabei angefallenen Umsatzsteuer umzugehen ist, wenn ansonsten der Geschädigte dabei bleibt, dass die Reparaturkosten auf Basis eines Gutachtens rein fiktiv abgerechnet werden sollen (vgl. BGH, Urt. v. 13.9.2016 – VI ZR 654/15). Nun setzt der BGH aber mit dieser weiteren Entscheidung seine bereits angekündigte Linie bei der fiktiven Abrechnung eines Totalschadens auch im Reparaturfall entsprechend fort (vgl. auch BGH, Urt. v. 12.10.2021 – VI ZR 513/19).
Zwar kann in der Tat die Teilreparatur eines Fahrzeuges zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit die Grundlage dafür sein, dass auf der zweiten Stufe Reparaturkosten fiktiv abgerechnet werden können, die zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und dem Wiederbeschaffungswert liegen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 23.5.2006 – VI ZR 192/05 = BGHZ 168, 43). In diesem Fall schafft die Teilreparatur aber erst die Grundlage für eine fiktive Abrechnung der Reparaturkosten – dies erlaubt dem Geschädigten aber nicht, sich darüber hinaus unter Vermengung von fiktiver und konkreter Abrechnung zusätzlich die Vorteile einer konkreten Abrechnung zu sichern. Auch in diesem Fall fällt die Umsatzsteuer nicht auf die nach der Entscheidung des Geschädigten in der Schadensberechnung allein zugrunde gelegte fiktive Reparatur an, sondern allein auf die nach seiner Entscheidung gar nicht abgerechnete konkrete Teilreparatur. Der Geschädigte darf daher auch nicht einzelne Elemente der einen Abrechnung mit der anderen kombinieren, sondern muss sich für eine Abrechnungsart, nämlich fiktiv oder konkret, entscheiden und verstößt anderenfalls gegen das Vermischungsverbot. Mit dieser weiteren Grundsatzentscheidung des BGH ist nunmehr hinreichend klargestellt, dass eine solche Vermischung nicht möglich ist und dies gilt es insbesondere bei einer Beratung des Geschädigten bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall zu beachten.