Hat der Versuch einer Terminsabsprache nicht stattgefunden, muss sich der Richter bei einem substantiierten Verlegungsantrag des Verteidigers ernsthaft bemühen, dessen nachvollziehbarem Begehren im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten des Spruchkörpers Rechnung zu tragen.
(Leitsatz des Gerichts)
I. Sachverhalt
Terminsverlegungsantrag abgelehnt
Der Verteidiger hatte im Bußgeldverfahren einen Terminsverlegungsantrag gestellt, den das AG abgelehnt hat. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verteidigers, die Erfolg hatte.
II. Entscheidung
Zulässigkeit der Beschwerde
Der Zulässigkeit der Beschwerde stehe § 305 S. 1 StPO nicht entgegen, da die Ablehnung, den Hauptverhandlungstermin vom 30.11.2023 (10.20 Uhr) zu verlegen, eine über die bloße Ablehnung hinausgehende selbstständige Bedeutung entfaltet, Denn dadurch wird das Recht des Betroffenen, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, berührt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, 66. Aufl., 2023, § 213 Rn 9 m.w.N.). An dem anberaumten Hauptverhandlungstermin ist der Wahlverteidiger des Betroffenen an der Wahrnehmung des Termins aufgrund eines zeitgleichen (bereits um 10.15 Uhr beginnenden) Termins, den er aufgrund älterer Ladung vor dem AG Hattingen wahrzunehmen hat, gehindert.
Begründetheit der Beschwerde
Nach Auffassung war die Beschwerde auch begründet. Generell habe ein Betroffener – wie ein Angeklagter im Strafverfahren (vgl. § 137 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG) – das Recht, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Zwar folge daraus nicht, dass bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers eine Hauptverhandlung gegen den Betroffenen nicht durchgeführt werden könnte. Der Vorsitzende habe indes über die Terminierung (§ 213 StPO) und Anträge auf Verlegungen bzw. Aufhebungen nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten, namentlich also auch des Rechts des Betroffenen, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, zu entscheiden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 213 Rn 7 f.). Zwar sei der Vorsitzende nicht verpflichtet, einen Termin vor dessen Anberaumung mit sämtlichen Verfahrensbeteiligten abzustimmen. Habe eine Terminsabsprache nicht stattgefunden, müsse sich der Vorsitzende jedoch bei substantiierten Verlegungsanträgen eines Verteidigers, der das Vertrauen des Betroffenen genieße, jedenfalls ernsthaft bemühen, dessen nachvollziehbarem Begehren im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten des Spruchkörpers Rechnung zu tragen. Im Beschwerdeverfahren sei lediglich zu überprüfen, ob der Vorsitzende bei seiner Entscheidung sämtliche relevanten Gesichtspunkte eingestellt und rechtsfehlerfrei gegeneinander abgewogen habe oder ob er sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt habe; die Zweckmäßigkeit seiner Entscheidung sei hingegen der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht entzogen (s. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., m.w.N.).
Ermessensfehlgebrauch
Dieser eingeschränkten Nachprüfung halte die angefochtene Verfügung des Amtsrichters vom 2.11.2023, mit der er den Terminsverlegungsantrag des Verteidigers abgelehnt habe, nicht stand. Die Entscheidung sei ermessensfehlerhaft. Sie orientiere sich letztlich daran, dass der Termin bereits zuvor einmal wegen einer Verhinderung des Verteidigers verlegt worden sei, nachdem dieser die Verhinderung durch einen anderen Gerichtstermin, zu dem er früher geladen worden war, mitgeteilt hatte, und dass nach derzeitigem Stand keine Verhinderungen der als Zeugen geladenen Polizeibeamten bestünden. Der zugleich vorgetragenen Bitte des Verteidigers, einen Ausweichtermin abzustimmen, sei der Amtsrichter nicht nachgekommen, sondern habe den Termin auf den 30.11.2023 verlegt. Da der Versuch einer Terminsabsprache nicht stattgefunden habe, hätte sich der Amtsrichter indes bei einem – wie hier – substantiierten Verlegungsantrag jedenfalls ernsthaft bemühen müssen, dessen nachvollziehbarem Begehren im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten des Spruchkörpers Rechnung zu tragen (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 312), zumal die in Rede stehenden Rechtsfolgen (700 EUR Geldbuße, dreimonatiges Fahrverbot) belangvoll seien. Dass die Kapazitäten dem durchgreifend entgegenstünden, belegt jedenfalls der formelhafte Hinweis in der Nichtabhilfeentscheidung nicht, zumal die Terminierung mit zeitlichem Vorlauf erfolgt und das Verlegungsgesuch zeitnah angebracht und substantiell begründet worden ist.
III. Bedeutung für die Praxis
Zutreffend
Die Entscheidung ist m.E. zutreffend (zu den Terminierungsfragen a. Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2022, Rn 4401 ff. und Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., 2022, Rn 3070 ff.). Sie ist zudem ein Weckruf an die Amtsrichter und die häufig anzutreffende amtsrichterliche Praxis, auf die terminlichen Belange des Verteidigers nicht oder nicht ausreichend Rücksicht zu nehmen. Denn nach der Entscheidung ist ein ohne – trotz Bitte um eine – Terminsabsprache anberaumter Hauptverhandlungstermin (immer) zu verlegen, will man den Betroffenen/Angeklagten nicht seines Rechts auf Verteidigung durch den Anwalt des Vertrauens berauben.