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Kostenerstattung im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG

Die Anordnung der Kostenerstattung nach § 30 S. 1 EGGVG bedarf einer besonderen Rechtfertigung im Einzelfall, etwa wenn der Justizbehörde ein offensichtlich oder grob fehlerhaftes oder gar willkürliches Verhalten zur Last zu legen ist.

(Leitsatz des Gerichts)

BayObLG, Beschl. v. 19.7.2023203 VAs 196/23

I. Sachverhalt

Antrag auf gerichtliche Entscheidung erledigt sich

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Rechtsanwalts vom 4.5.2023 beantragt, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, dem Antragsteller die von diesem mit einer dem Antrag als Ausdruck beigefügten E-Mail vom 12.1.2023 beantragte Auskunft zur Speicherung seiner personenbezogenen Daten nach § 491 Abs. 2 StPO i.V.m. § 57 BDSG zu erteilen. Mit Schreiben vom 22.5.2023 hat der Antragsteller dem Senat mitgeteilt, dass die Antragsgegnerin am 16.5.2023 die beantragte Auskunft erteilt habe, die Erledigung der Hauptsache erklärt und die Erstattung der außergerichtlichen Kosten beantragt. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Erledigterklärung nicht entgegengetreten. Sie hat beantragt, den Antrag auf Auferlegung der Kosten an die Staatskasse zu verwerfen, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen. Der Antrag nach § 23 EGGVG erweise sich mangels Durchführung eines Vorschaltverfahrens als unzulässig. Die Auskunft eines Beschuldigten über den Akteninhalt sei vorrangig in § 147 Abs. 4 StPO geregelt. Der Antragsteller hätte vor einer Anrufung des Gerichts den Beschwerdeweg nach §§ 304 ff. StPO wählen müssen

Das BayObLG hat festgestellt, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers aus der Staatskasse hat es nicht angeordnet.

II. Entscheidung

Zum Rechtsweg nach § 23 EGVG

Nach Auffassung des BayObLG war der Rechtsweg nach § 23 Abs. 1 und 2 EGGVG für das ursprüngliche Begehren des Antragstellers eröffnet. Bei der Erteilung wie auch bei der Ablehnung einer Auskunft zu den in staatsanwaltschaftlichen Registern gespeicherten Daten handelt es sich um eine Maßnahme, die die Staatsanwaltschaft als Justizbehörde zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet der Strafrechtspflege treffe und die keine – unanfechtbare – Prozesshandlung darstelle. Die beantragte Amtshandlung der Staatsanwaltschaft sei mit Blick auf den Prüfungsmaßstab für die Auskunftserteilung und ihre möglichen Folgen nicht dem Verwaltungshandeln, sondern dem Gebiet der Strafrechtspflege zuzuordnen.

Eines Vorschaltverfahrens nach § 24 Abs. 2 EGGVG bedurfte es hier nicht. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei mit der Mitteilung des Antragstellers, dass die gewünschte Auskunft vollständig erteilt wurde und der Antrag erledigt sei, gegenstandslos geworden (vgl. zur Erledigung BayObLG, Beschl. v. 5.1.2022 – 101 VA 140/21; KG, Beschl. v. 10.7.2001 – 1 VA 4/01).

Erstattung der außergerichtlichen Kosten

Aufgrund der Erledigterklärung war nur noch über die Frage zu befinden, ob eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten anzuordnen war.

Gerichtskosten

Eine Entscheidung über die Tragung von Gerichtskosten sei, so das BayObLG, entbehrlich, weil Gerichtskosten für das vorliegende Verfahren nicht anfallen (BayObLG, Beschl. v. 5.1.2022 – 101 VA 140/21). Die Beendigung des Verfahrens durch Erledigungserklärung löse keine Gerichtsgebühr aus (Nr. 15300 und 15301 KV GNotKG zu § 3 Abs. 2 GNotKG).

Notwendige außergerichtliche Kosten – Grundsatz

Eine Erstattung der dem Antragsteller im Verfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten war nach Auffassung des BayObLG nicht anzuordnen. Nach § 30 S. 1 EGGVG könne der Senat nach billigem Ermessen bestimmen, dass die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG notwendig waren, ganz oder teilweise aus der Staatskasse zu erstatten seien. Die gesetzliche Regelung finde auch dann Anwendung, wenn in der Hauptsache keine Entscheidung ergeht, weil sie sich nach der Antragstellung erledigt hat (vgl. BayObLG, Beschl. v. 5.1.2022 – 101 VA 140/21 m.w.N.; KG, Beschl. v. 10.7.2001 – 1 VA 4/01). Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung entspreche eine Kostenerstattung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG billigem Ermessen, wenn sie durch besondere Umstände gerechtfertigt ist (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 30 EGGVG Rn 5). Mangels Verweisung auf diejenigen Vorschriften der ZPO, die für die Kostentragungspflicht maßgeblich auf das Maß des Obsiegens und Unterliegens der Partei im Rechtsstreit oder die Erfolgsaussichten des Klagebegehrens abstellen (§§ 91 Abs. 1 S. 1, 91a, 92 ZPO), genügen begründete Erfolgsaussichten allein nicht (st. Rspr., vgl. etwa BayObLG a.a.O.; KG, Beschl. v. 3.7.2018 – 5 VAs 6/18; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.11.2017 – 2 VAs 52/17 m.w.N.). Die Anordnung der Kostenerstattung bedürfe demnach einer besonderen Rechtfertigung im Einzelfall, etwa wenn der Justizbehörde ein offensichtlich oder grob fehlerhaftes oder gar willkürliches Verhalten zur Last zu legen sei (KG a.a.O.; BayObLG a.a.O.; KK/Mayer, StPO, 9. Aufl. 2023, § 30 EGGVG Rn 5; Kissel/Mayer a.a.O.).

Konkreter Fall

Im vorliegenden Fall sei die vom Antragsteller begehrte Kostenerstattung nicht veranlasst. Anhaltspunkte dafür, dass die Behörde hier willkürlich gehandelt hätte, lagen nach Ansicht des BayObLG nicht vor. Beantrage der Antragsteller eine Auskunft aus einem staatsanwaltschaftlichen Register, könne nach der Vorschrift des § 57 Abs. 4 BDSG von einer Auskunftserteilung ganz abgesehen werden, falls durch die Auskunftserteilung Ermittlungen gefährdet würden, etwa im Falle von nicht offen geführten Ermittlungsverfahren (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 10.3.2008 – 1 BvR 2388/03, BVerfGE 120, 351 zu § 19 Abs. 4 BDSG a.F.). Würde bereits die Mitteilung vom Absehen von der Auskunftserteilung die Ermittlungen potentiell gefährden, brauche der Antrag nach § 57 Abs. 6 S. 2 BDSG überhaupt nicht beschieden zu werden.

Mit Blick auf die Prüfungspflicht nach § 57 Abs. 4 BDSG i.V.m. § 56 Abs. 2 BDSG, gegebenenfalls i.V.m. § 45 BDSG, die Klärung möglicher Zustimmungserfordernisse nach § 57 Abs. 5 BDSG und des Versagungsgrunds nach § 57 Abs. 6 S. 2 BDSG wäre der Staatsanwaltschaft eine gewisse Bearbeitungszeit zuzubilligen, wenn wie hier aufgrund einer Vielzahl von relevanten Verfahren eine umfangreiche Auskunft zu erstellen sei und das Auskunftsbegehren zudem die Speicherungsfristen umfasse. Dass der Vorgang bei der Staatsanwaltschaft bereits in Bearbeitung gewesen sei, habe diese dem Antragsteller nach eigenem Vortrag noch vor der Antragstellung bei Gericht mitgeteilt. Eine besondere Eilbedürftigkeit sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zudem sei zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller nach herrschender Meinung zur Durchsetzung seiner Rechte im Falle einer Verweigerung der Auskunft jederzeit die Möglichkeit offenstand, nach § 57 Abs. 7 BDSG und nach § 60 BDSG den Bundesbeauftragten einzuschalten (u.a. Malek, in: Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 3. Aufl. 2021, § 30 Rn 6).

Geschäftswert

Der Festsetzung eines Geschäftswerts nach §§ 1 Abs. 2 Nr. 19, 79 Abs. 1 S. 1 GNotKG bedurfte es nicht, da keine Gerichtsgebühr zu erheben ist.

III. Bedeutung für die Praxis

Zutreffend

1. M.E. ist die Entscheidung und die Sicht des § 30 EGGVG auf der Grundlage des sich aus der Entscheidung ergebenden Sachverhalts zutreffend. Der Antragsteller hatte danach wohl seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§§ 23 ff. EGGVG) gestellt, bevor die Staatsanwaltschaft sein Auskunftsersuchen beschieden haben konnte. Das war dann sicher vorschnell, vor allem auch im Hinblick darauf, dass die Staatsanwaltschaft wohl mitgeteilt hatte, dass die begehrte Auskunft in Arbeit sei. Manche Dinge brauchen eben ein wenig Zeit.

Abrechnung nach Teil 3 VV RVG

2. Abzurechnen sind die Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG nach Teil 3 VV RVG. Es handelt sich um „ähnliche Verfahren“ i.S.d. Überschrift zu Teil 3 VV RVG (dazu Burhoff/Volpert/Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A Rn 2328 ff.). In den Verfahren entsteht eine Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG. Eine Terminsgebühr entsteht nicht, da die OLG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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