Beitrag

Rechtlicher Hinweis; Revisionsvortrag bei der Durchsuchung

1. Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 105 StPO ist grundsätzlich nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn auch die polizeilichen Berichte über die Durchsuchungsmaßnahmen mitgeteilt werden.

2. Ein Angeklagter muss nicht ohne rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO davon ausgehen, dass die Einziehung einer auf dem Dach einer Tennishalle installierten Photovoltaikanlage, die der Versorgung einer Marihuanaplantage mit Strom dient, schon aus ihrer Zubehöreigenschaft (§ 97 BGB) folgt.

(Leitsätze des Verfassers)

BGH, Urt. v. 12.7.20236 StR 417/22

I. Sachverhalt

Verurteilung wegen BtM-Handels; Einziehung einer Photovoltaikanlage

Das LG hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt sowie die Einziehung eines mit einer Tennishalle bebauten Grundstücks, der auf dem Hallendach installierten Photovoltaikanlage und des Wertes von Taterträgen angeordnet.

Feststellungen

Nach den Feststellungen des LG betrieben die bereits verurteilten D, Y, T, OY sowie weitere Personen in der leerstehenden Tennishalle des Angeklagten eine Marihuanaplantage. In der Zeit von September 2020 bis Mai 2021 kam es zu einer Ernte und einer weiteren Anpflanzung. Wegen der ihm versprochenen Hallenmiete billigte der Angeklagte den Anbau des Marihuanas zum gewinnbringenden Weiterverkauf und die Versorgung der Plantage mit Strom aus der auf dem Dach der Halle montierten Photovoltaikanlage; ferner unterstützte er beide Anbauvorgänge durch die Bereitstellung von Wohnraum für die Plantagenarbeiter, Transporttätigkeiten und das Überlassen von Gerätschaften.

Teilweiser Erfolg der Revision

Die Revision des Angeklagten hatte teilweise Erfolg.

II. Entscheidung

Unzulässige Verfahrensrüge betreffend Durchsuchung

Die Verfahrensrüge des Angeklagten, die Strafkammer habe Erkenntnisse aus der Durchsuchung der Tennishalle rechtsfehlerhaft verwertet, hat das BGH als unzulässig angesehen, weil das Revisionsvorbringen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genüge.

Erforderlicher Umfang des Revisionsvortrags

Danach seien im Rahmen einer Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau darzulegen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt werde, über den geltend gemachten Mangel endgültig zu entscheiden. Für den Revisionsvortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen seien im Einzelnen zu bezeichnen und – in der Regel durch wörtliche Zitate beziehungsweise eingefügte Abschriften oder Ablichtungen – zum Bestandteil der Revisionsbegründung zu machen (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 318, 319; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 344 Rn 38 m.w.N.). Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 105 StPO sei grundsätzlich nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn auch die polizeilichen Berichte über die Durchsuchungsmaßnahmen mitgeteilt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 1.2.2022 – 5 StR 373/21, v. 16.2.2016 – 5 StR 10/16, StV 2016, 771, 772, v. 24.1.2012 – 4 StR 493/11 und v. 2.12.2010 – 4 StR 464/10; KK-StPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 105 Rn 23; MüKo-StPO/Hauschild, 2. Aufl., § 105 Rn 45).

Polizeilicher Durchsuchungsbericht nicht mitgeteilt

Die Revision habe aber den in den Urteilsgründen mehrfach erwähnten polizeilichen Durchsuchungsbericht vom 10.5.2021 nicht mitgeteilt. Dies sei hier nicht ausnahmsweise entbehrlich. Denn es sei für den Senat insbesondere mit Blick auf die zeitlichen Abläufe im Zusammenhang mit der Durchsuchung der Plantage nicht sicher erkennbar, ob die in den Urteilsgründen – in nicht gebotener Weise (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.2022 – 6 StR 340/21) – dargestellten Verfahrenstatsachen die für die Verwertbarkeit der Durchsuchungserkenntnisse maßgebliche Beweislage vollständig wiedergeben. Dem Senat sei es daher verwehrt, die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung umfassend zu beurteilen und ggf. weitergehend zu prüfen, ob aus dem Verfahrensfehler im konkreten Fall ein Beweisverwertungsverbot folgt (vgl. BVerfG NJW 2006, 2684, 2686; BGHSt 51, 285, 289; BGH NStZ 2012, 104; 2017, 367; NStZ-RR 2019, 94, 95, NStZ 2012, 104).

Fehlender rechtlicher Hinweis betreffend Einziehung

Mit einer weiteren Verfahrensbeanstandung hatte der Angeklagte hingegen Erfolg. Sie führte zur Aufhebung der Entscheidung über die Einziehung der Photovoltaikanlage.

Zubehöreigenschaft

Insoweit habe der Angeklagte zu Recht – so der BGH – gerügt, dass er auf diese Rechtsfolge weder in der zugelassenen Anklage noch in der Hauptverhandlung hingewiesen worden sei. Einem Angeklagten sei nach § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO in der Hauptverhandlung stets ein förmlicher Hinweis zu erteilen, wenn die zugelassene Anklage keinen Hinweis auf eine dort genannte Rechtsfolge enthalte, wie etwa die Maßnahme der Einziehung von Tatmitteln (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB). Die Hinweispflicht gelte unabhängig davon, ob sich in der Hauptverhandlung im Vergleich zum Inhalt der Anklageschrift oder des Eröffnungsbeschlusses neue Tatsachen ergeben haben (vgl. BGH, Beschl. v. 22.10.2020 – GSSt 1/20, BGHSt 66, 20). Der danach gebotene Hinweis sei dem Angeklagten nicht erteilt worden. Insbesondere habe er nicht davon ausgehen müssen, dass die Einziehung der auf dem Dach der Tennishalle installierten Photovoltaikanlage, die später der Versorgung der Marihuanaplantage mit Strom diente, schon aus ihrer Zubehöreigenschaft (§ 97 BGB) folgte. Denn Zubehör sei grundsätzlich rechtlich selbstständig; es unterliege insoweit den für bewegliche Sachen geltenden Vorschriften, Zubehörstücke teilen daher nicht zwingend das rechtliche Schicksal der Hauptsache (vgl. MüKo-BGB/Stresemann, 9. Aufl., § 97 Rn 42).

III. Bedeutung für die Praxis

Durchsuchung

1. Hinsichtlich der Verfahrensbeanstandung der Revision ruft die Entscheidung noch einmal ins Gedächtnis, wie umfangreicht der Revisionsvortrag im Hinblick auf § 344 Abs. 2 S. 2 StPO sein muss. Dazu gehören eben auch die polizeilichen Durchsuchungsberichte, worauf der BGH schon mehrfach hingewiesen hat (vgl. die o.a. Rechtsprechungsnachweise).

Einziehung

2. Auch zur Einziehung ist die Entscheidung des BGH konsequent (grundlegend zur Hinweispflicht insoweit BGH, Beschl. v. 22.10.2020 – GSSt 1/20, BGHSt 66, 20). Denn welcher Laie kennt sich schon per se mit Zubehör und dessen Schicksal im Verhältnis zur Hauptsache aus? Daher war hier ein Hinweis erforderlich, dessen Fehlen dann zum Erfolg der Revision geführt hat.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…