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Auslagenerstattung nach Einstellung des Verfahrens

Wird das Verfahren wegen eines dauernden Verfahrenshindernisses eingestellt, fallen gemäß § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse zur Last. Abweichungen von dieser Regel sind nur ausnahmsweise zulässig. Das Ermessen ist dabei jedoch erst dann eröffnet, wenn das Gericht überzeugt ist, dass die Betroffene ohne das Verfahrenshindernis verurteilt worden wäre.

(Leitsatz des Gerichts)

LG Berlin, Beschl. v. 20.7.2023510 Qs 60/23

I. Sachverhalt

Einstellung wegen Verfolgungsverjährung

Gegen die Betroffene ist durch Bußgeldbescheid wegen der Benutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführerin eine Geldbuße festgesetzt worden. Hiergegen hat die Betroffene Einspruch eingelegt. Mit Verfügung vom 24.1.2022 hat die Verwaltungsbehörde das Verfahren an das AG abgegeben. Jedoch hat die Amtsanwaltschaft das Verfahren erst mit Verfügung vom 5.12.2022 dem AG erstmals vorlegt. Am 9.12.2022 hat das AG einen Termin zur Hauptverhandlung anberaumt. Nach Hinweis der Verteidigung auf die Verfolgungsverjährung hat das AG das Verfahren mit Beschluss vom 8. 6.2023 nach § 206a StPO eingestellt, weil Verfolgungsverjährung am 19.5.2022 eingetreten ist. Zugleich hat es die Kosten des Verfahrens, nicht aber die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Landeskasse auferlegt.

Gegen die Auslagenentscheidung wendet sich die Betroffene mit ihrer sofortigen Beschwerde. Diese hatte Erfolg.

II. Entscheidung

Ermessen nur in Ausnahmefällen

Nach Auffassung des LG waren der Landeskasse auch die notwendigen Auslagen der Betroffenen aufzuerlegen. Werde das Verfahren – wie hier – wegen eines dauernden Verfahrenshindernisses nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt, fallen gemäß § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse zur Last. Abweichungen von dieser Regel lasse das Gesetz nur für wenige Ausnahmefälle zu. So könne das Gericht gemäß § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG davon absehen, die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn sie wegen einer Ordnungswidrigkeit nur deshalb nicht verurteilt werde, weil ein Verfahrenshindernis bestehe. Das Ermessen sei dabei jedoch erst dann eröffnet, wenn das Gericht überzeugt sei, dass die Betroffene ohne das Verfahrenshindernis verurteilt worden wäre (vgl. KG, Beschl. v. 26.10.2020 –1 Ws 57/20). Vorliegend habe die Betroffene bereits am Tattag eingeräumt, ihr Mobiltelefon genutzt zu haben, wobei sie darauf hingewiesen habe, dass sie nicht gewusst habe, dass man das Mobiltelefon während einer Rotphase an einer Ampel nicht benutzen dürfe. Die spätere Einlassung, dass sie den Motor ausgeschaltet habe, sei als Schutzbehauptung zu werten. Mithin wäre es zu einer Verurteilung gekommen.

Besondere Umstände

Da das Ermessen allerdings nur dann – so das LG – eröffnet sei, wenn das Gericht davon überzeugt sei, dass die Betroffene ohne das Verfahrenshindernis verurteilt worden wäre, müssen zu dem Verfahrenshindernis als alleinigem Verurteilungshindernis besondere Umstände hinzutreten, welche es billig erscheinen lassen, der Betroffenen die Auslagenentscheidung zu versagen (vgl. BVerfG NStZ-RR 2016, 159 f. m.w.N.). Die Umstände dürfen allerdings nicht in der voraussichtlichen Verurteilung der Betroffenen und der ihr zugrunde liegenden Tat oder der Schwere der Schuld gefunden werden. Sondern es müssen andere Gründe – insbesondere ein der Betroffenen vorwerfbares Fehlverhalten – hinzutreten, die eine Abweichung von der Regel des § 467 Abs. 1 StPO unbillig erscheinen lassen (vgl. KK-StPO/Gieg, 9. Aufl., 2021, § 467 Rn 10b m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, 66. Aufl. 2023, § 467 Rn 18 m.w.N.). Solche Gründe seien hier nicht gegeben. Insbesondere weist die Kammer darauf hin, dass die Verfolgungsverjährung bereits mehr als sechs Monate vor Abgabe an das AG eingetreten ist und der Zeitpunkt des Eintritts der Verfolgungsverjährung durch die Polizei in der Akte vermerkt worden sei. Für das AG sei das Verfahrenshindernis daher von vornherein erkennbar gewesen. Folglich bleibe es bei der Grundregel des § 467 Abs. 1 StPO (vgl. KK-StPO/Gieg, a.a.O.).

III. Bedeutung für die Praxis

Bezugnahme auf AG Büdingen

Die Entscheidung passt zu den Entscheidungen des AG Büdingen (Beschl. v. 30.5.2023 – 60 OWi 48/23, AGS 2023, 362 ff.) und des LG Trier (Beschl. v. 30.5.2023 – 1 Qs 24/23, AGS 2023, 365 ff.). Auf die Anmerkung zu AG Büdingen (a.a.O.) wird daher Bezug genommen.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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