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Anforderungen an die einfache Signatur beim Einzelanwalt

Die einfache Signatur (Wiedergabe des Namens am Ende des Textes) ist bei der Übermittlung von Dokumenten gemäß der zweiten Variante des § 32a Abs. 3 StPO auch dann zu verlangen, wenn im verwendeten Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei nur ein Rechtsanwalt ausgewiesen ist.

(Leitsatz des Verfassers)

OLG Braunschweig, Beschl. v. 9.6.20231 ORbs 22/23

I. Sachverhalt

Begründung des Zulassungsantrags lediglich mit „Rechtsanwalt“ signiert

Das AG hat den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Mit qualifiziert signiertem elektronischem Schreiben seines Verteidigers vom 25.11.2022 hat der Betroffene einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Nach Zustellung des Urteils hat der Betroffene mit weiterem Verteidigerschreiben vom 1.2.2023 den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde begründet. Die Begründung des Zulassungsantrags ist dem AG am 1.2.2023 über das besondere elektronische Postfach des Verteidigers zugeleitet worden. Das Schreiben ist nicht qualifiziert signiert und es ist lediglich mit dem Wort „Rechtsanwalt“ unterzeichnet. Ein Name ist der Unterschrift nicht zu entnehmen.

Verteidiger bezieht sich auf Rechtsprechung des BAG

Der Verteidiger des Betroffenen ist mit Verfügung des OLG-Senats darauf hingewiesen worden, dass die Begründung des Zulassungsantrags, die wegen § 32d S. 2 StPO i.V.m. § 110c OWiG elektronisch zu erfolgen habe, gemäß § 32a Abs. 3 StPO i.V.m. § 110c OWiG unwirksam angebracht sein könnte. Er hat dieser Auffassung die Rechtsprechung des BAG (Beschl. v. 25.8.2022 – 2 AZR 234/22) entgegengehalten, wonach die fehlende Unterzeichnung mit dem Namen des verantwortenden Rechtsanwalts die wirksame Begründung des Zulassungsantrags nicht beeinträchtige, wenn, wie hier, aus dem Briefkopf hervorgehe, dass der Verteidiger als Einzelanwalt tätig sei. Ohnehin sei in der Einzelkanzlei des Verteidigers, der die Begründung des Zulassungsantrags zudem selbst versandt habe, kein weiterer Rechtsanwalt tätig. Vorsorglich hat der Verteidiger einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Das OLG hat den Zulassungsantrag als unzulässig verworfen und Wiedereinsetzung nicht gewährt:

II. Entscheidung

Nicht formgerecht

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war nach Auffassung des OLG nicht formgerecht begründet. Gemäß § 80 Abs. 3 S. 3 OWiG, § 345 Abs. 1 S. 1 und S. 3 StPO müsse die Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde spätestens binnen eines Monats nach Zustellung des angegriffenen Urteils bei dem Gericht, dessen Urteil angegriffen wird, angebracht werden. Sofern dies nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle, sondern durch eine von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift geschehe, gelten die besonderen Formerfordernisse der §§ 32d S. 2, 32a StPO, die über die Verweisung in § 110c S. 1 OWiG auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren zur Anwendung kommen. Danach seien Verteidiger und Rechtsanwälte verpflichtet, die Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als elektronisches Dokument zu übermitteln; wie dies im Einzelnen zu erfolgen habe, regele § 32a StPO. § 32a Abs. 3 StPO eröffne dabei zwei Möglichkeiten der Übermittlung von Dokumenten, die schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen seien, nämlich einerseits, indem sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der das Dokument verantwortenden Person versehen sind, oder andererseits, indem sie von der das Dokument verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Was als sicherer Übermittlungsweg anzusehen sei, bestimme wiederum § 32a Abs. 4 S. 1 StPO, der in Nr. 2 auch den Versand über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach vorsehe. Hierbei handele es sich um zwingend einzuhaltende Form- und Wirksamkeitsvoraussetzungen. Sei der das Rechtsmittel begründende Schriftsatz nicht auf diesem Weg, sondern anderweitig innerhalb der gesetzlichen Fristen bei Gericht eingegangen, sei die Rechtsmittelbegründung unwirksam (zum Vorstehenden: KG, Beschl. v. 22.6.2022 – 3 Ws (B) 123/22).

Anforderungen nicht erfüllt

Diesen Anforderungen genüge das Verteidigerschreiben vom 1.2.2023 nicht, denn es enthalte weder eine qualifizierte noch eine einfache Signatur. Die einfache Signatur, also die Wiedergabe des Namens am Ende des Textes (BAG, Beschl. v. 14.9.2020 – 5 AZB 23/20; OLG Braunschweig, Beschl. v. 8.4.2019 – 11 U 146/18; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.9.2021 – 17 W 13/21; OVG Lüneburg, Beschl. v. 31.1.2023 – 13 ME 23/23; OVG Hamburg, Beschl. v. 12.8.2022 – 6 Bs 57/22; Greger, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 130a Rn 9), sei gemäß § 32a Abs. 3 StPO auch dann zu verlangen, wenn im verwendeten Briefkopf nur ein Rechtsanwalt ausgewiesen sei. Allein die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt genüge im Gegensatz zur Auffassung des BAG (Beschl. v. 25.8.2022 – 2 AZN 234/22) nicht (OVG Lüneburg a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.). Denn die Signatur solle sicherstellen, dass die unterzeichnende Person als diejenige erkennbar sei, welche für den Inhalt des Schreibens Verantwortung übernehme (BGH, Beschl. v. 7.9.2022 – XII ZB 215/22; OVG Lüneburg a.a.O.). Diesem Erfordernis, dem gerade bei der Begründung eines Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde besondere Bedeutung zukomme (vgl. §§ 80 Abs. 3 S. 3 OWiG i.V.m. § 345 Abs. 2 StPO), trage der Beschluss des BAG vom 25.8.2022 nicht ausreichend Rechnung. Selbst wenn sich aus dem Briefkopf lediglich ein einzelner Anwalt ergebe, sei nicht sichergestellt, dass dieser Rechtsanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernehme. Vielmehr könne dennoch eine andere Person inhaltlich für den Inhalt des Schreibens verantwortlich sein. So übersehe das BAG zunächst die Möglichkeit, dass weitere Rechtsanwälte in der Kanzlei angestellt oder als freie Mitarbeiter tätig sein können (BGH, Beschl. v. 7.9.2022 – XII ZB 215/22; OVG Lüneburg a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.). Zudem könne sich ein Rechtsanwalt unter seinem eigenen Briefkopf auch vertreten lassen (OVG Lüneburg a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.).

Der Betroffene kann nicht damit gehört werden, dass ein solcher Sachverhalt in seinem Fall nicht vorgelegen hätte, weil der im Briefkopf genannte Verteidiger die Begründung des Zulassungsantrags tatsächlich selbst verantwortet habe. Ob ein Schriftsatz wirksam eingereicht sei, müsse sich nämlich bereits zweifelsfrei aus diesem selbst ergeben. Eine spätere Aufklärung der konkreten Verhältnisse (Kanzleiorganisation) wäre mit dem Zweck des Signaturerfordernisses nicht vereinbar (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.). Es gehe gerade darum, den verantwortenden Rechtsanwalt ohne Beweisaufnahme oder sonstiges Sonderwissen zu identifizieren (BGH, Beschl. v. 7.9.2022 – XII ZB 215/22; OLG Karlsruhe a.a.O.).

III. Bedeutung für die Praxis

Auf diese Rechtsprechung einstellen

1. Als Verteidiger/Einzelanwalt muss man sich auf diese Rechtsprechung einstellen, unabhängig davon, ob man sie richtig findet oder nicht. Und das gilt nicht nur im Bußgeldverfahren, sondern auch im Strafverfahren, z.B. bei der Einlegung oder Begründung der Revision.

Wiedereinsetzungsantrag muss formgerecht sein

2. Ist das Kind schon in den Brunnen gefallen und das Rechtsmittel bzw. seine Begründung nicht formgerecht eingereicht, kann ggf. ein Wiedereinsetzungsantrag helfen. Denn dem Betroffenen/Beschuldigten ist das Versäumnis des Verteidigers nicht zuzurechnen. Aber dann muss bitte auch das Wiedereinsetzungsgesuch ordnungsgemäß sein. Das war hier (auch) nicht der Fall, was zur Ablehnung des Antrags geführt hat. Es fehlte bereits an der gemäß § 45 Abs. 2 S. 2 StPO erforderlichen Nachholung der Begründung des Zulassungsantrags. Ist die Handlung nicht formgemäß vorgenommen worden, muss sie nämlich in der vorgeschriebenen Form nachgeholt werden (KG a.a.O.). Dem genügte das Wiedereinsetzungsgesuch nicht. Das entsprechende elektronische Schreiben des Verteidigers erfüllt die Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil es keine Begründung des Zulassungsantrags enthielt, sondern nur ausführte, dass „bereits umfassend Stellung genommen“ worden sei. Die umfassende Begründung des Zulassungsantrags vom 1.2.2023 war aber unwirksam und somit gerade nicht berücksichtigungsfähig.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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