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Beschwerdebefugnis des Verteidigers gegen Pflichtverteidigerbestellung

Eine sofortige Beschwerde des zum Pflichtverteidiger bestellten Wahlverteidigers ist in Ermangelung einer Beschwer auch dann unzulässig, wenn die Beiordnung ohne Antrag von Amts wegen erfolgt.

(Leitsatz des Verfassers)

LG Zweibrücken, Beschl. v. 27.4.20231 Qs 27/23

I. Sachverhalt

Beiordnung als Pflichtverteidiger ohne Antrag

Der Rechtsanwalt vertritt den Angeklagten in einem betäubungsmittelstrafrechtlichen Verfahren vor dem AG als Wahlverteidiger. Ohne dass dies beantragt worden wäre, hat das AG den Wahlverteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Verteidigers hat das LG als unzulässig verworfen.

II. Entscheidung

Keine Beschwer durch Beiordnung

Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist das Rechtsmittel unzulässig, da der Wahlverteidiger durch seine Bestellung zum Pflichtverteidiger nicht beschwert sei. Er könne deshalb die Beiordnungsentscheidung nicht anfechten, sondern allenfalls Antrag auf Entpflichtung nach § 49 Abs. 2 i.V.m. § 48 Abs. 2 BRAO stellen. Wichtige Gründe im Sinne dieser Vorschrift seien jedoch nicht vorgetragen.

Kein Sonderopfer

Zudem werde dem Beschwerdeführer kein Sonderopfer abverlangt. Er sei vielmehr aufgrund der Beiordnung lediglich zu einer Verteidigung verpflichtet, die er aufgrund des ihm erteilten und fortbestehenden Wahlmandats ohnehin führen müsse und auf Grundlage dessen er das Mandat auch führen wolle. Darüber hinausgehende Pflichten würden ihm durch die Beiordnung nicht auferlegt.

Auch keine Beschwer für den Angeklagten

Schließlich merkt das LG noch an, dass auch ein etwaiges Rechtsmittel des Angeklagten unzulässig gewesen wäre. Auch der Angeklagte werde nicht beschwert, wenn sein Wahlverteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt wird, denn er werde dann unverändert vom Verteidiger seines Vertrauens vertreten.

III. Bedeutung für die Praxis

Anlasslose Beiordnung

Die Vorgehensweise des AG und die Entscheidung des LG geben Rätsel auf, denn ein nachvollziehbarer Anlass für die ersichtlich gegen dessen Willen erfolgte Bestellung des Wahlverteidigers zum Pflichtverteidiger ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist eine Beiordnung nach dem klaren Wortlaut des § 141 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 StPO nur für den Beschuldigten vorgesehen, der noch keinen Verteidiger hat. Zudem wird auch aus § 143a Abs. 1 S. 1 StPO ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine Vertretung des Angeklagten durch einen Wahlverteidiger gegenüber einer Pflichtverteidigerbestellung vorzieht, ist dessen Bestellung doch bei Erteilung eines Wahlmandats aufzuheben. Hinzu kommt, dass ein Sicherungsbedürfnis, etwa wegen einer drohenden oder gar bereits erfolgten Mandatsniederlegung infolge von Mittellosigkeit des Angeklagten, nicht ersichtlich ist.

Kostenrisiko für die Staatskasse

Darüber hinaus erstaunt die Entscheidung auch deshalb, weil sie ein Kostenrisiko für die Staatskasse schafft für den Fall, dass die noch anfallenden Pflichtverteidigergebühren am Ende beim Angeklagten nicht beigetrieben werden können. Eben jenes Kostenrisiko scheuen zahlreiche Gerichte in Beiordnungsfällen regelmäßig wie der Teufel das Weihwasser, was dann in mitunter hanebüchen begründeten Ablehnungsentscheidungen zum Ausdruck kommt. Letztlich macht der gesamte Vorgang keinen Sinn.

RiLG Thomas Hillenbrand, Stuttgart

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