In straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren ist grundsätzlich die Mittelgebühr anzusetzen. Abweichungen davon sind im Einzelfall denkbar.
Sachverhalt
Der Rechtsanwalt hat den Betroffenen in einem straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes verteidigt. Im Bußgeldbescheid war eine Geldbuße i.H.v. 200,00 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt worden. Bei einer Verurteilung hätten zudem zwei Punkte im FAER einzutragen gewesen. Das Verfahren ist nach Einspruchseinlegung, bei der der Verteidiger auf den Verjährungseintritt hingewiesen hatte, von der Verwaltungsbehörde wegen Verfolgungsverjährung eingestellt worden. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen sind der Bußgeldbehörde auferlegt worden.
Der Verteidiger hat dann nach Abtretung der Erstattungsforderung aus eigenem Recht Kostenfestsetzung beantragt. Die Bußgeldbehörde hat die zu erstattenden Gebühren gekürzt, und zwar die Grundgebühr auf 65,00 EUR und die Verfahrensgebühr auf 110,00 EUR. Sie war der Auffassung, dass nur eine herabgesetzte Mittelgebühr anzusetzen sei. Es handele sich bei den Bußgeldverfahren im Straßenverkehr um Massenverfahren, das Verfahren habe keine tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten aufgewiesen. Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Mittelgebühr sei gerechtfertigt, er habe umfangreich vorgetragen. Der dagegen gerichtete Antrag des Verteidigers auf gerichtliche Entscheidung hatte Erfolg.
Mittelgebühr
Nach Auffassung des AG hat der Verteidiger Anspruch auf Erstattung der Gebühren in der von ihm angesetzten Höhe. Die Rahmengebühr nach § 14 RVG sei unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen (AG Hamburg-Harburg, Beschl. v. 3.6.2021 – 621 OWi 128/21, AGS 2021, 302). Anzusetzen sei in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grds. die Mittelgebühr (AG München, Urt. v. 2.12.2019 – 213 C 16136/19; Gerold/Schmidt/Mayer, 24. Aufl., 2019, RVG, § 14 Rn 54–57), Abweichungen davon seien im Einzelfall denkbar.
Eine Abweichung nach unten, die zur Herabsetzung der Gebühren des Verteidigers führt, war nach Auffassung des AG hier aber nicht ersichtlich. Bei der konkreten Tätigkeit des Verteidigers sei seine beantragte Mittelgebühr festzusetzen. Der Verteidiger habe sich nicht nur bestellt und formal Akteneinsicht beantragt, sondern habe sich auch darüber hinaus mit dem Messsystem befasst und nach Erlass des Bußgeldbescheides die Verfolgungsverjährung geprüft, und diese erfolgreich durchgesetzt, sodass auch ein Hauptverfahren vermieden werden konnte.
Es habe sich auch um einen qualifizierten Rotlichtverstoß gehandelt, der für den Betroffenen erhebliche Konsequenzen gehabt hätte, wenn es zu einer Hauptverhandlung gekommen wäre. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen seien unerheblich.
Bedeutung für die Praxis
Es ist zutreffend, auch im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren bei der Bemessung der Rahmengebühren (§ 14 Abs. 1 S. 1 RVG) von der jeweiligen Mittelgebühr auszugehen. Davon gehen inzwischen zahlreiche AG und auch LG aus. So z.B. auch das LG Leipzig (RVGreport 2009, 61 = VRR 2009, 119 = RVGprof. 2009, 33; wegen weiterer Nachw. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 5 VV Rn 54 ff.).