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Gegenstandswert im PKH-Beschwerdeverfahren

§§ 23a, 33 Abs. 1 und 8 RVG

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit bestimmt sich auch im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe nach dem für die Hauptsache maßgebenden Wert.

VGH München, Beschl. v. 11.5.202211 C 21.3267
I.

Sachverhalt

Für eine Klage auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E und CE79 hatte der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Das VG hat diesen Antrag zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger durch seinen Verfahrensbevollmächtigten beim VGH München Beschwerde eingelegt, die der VGH zurückgewiesen hat. Nach Beendigung des Beschwerdeverfahrens hat der Rechtsanwalt des Klägers die Festsetzung des Gegenstandswertes für das PKH-Beschwerdeverfahren beantragt.

II.

Festsetzung des Gegenstandswertes

1.Gesetzliche Grundlagen

a)Zulässigkeit des Antrags

Gem. § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs – das war hier der VGH München – den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag eines Antragsberechtigten durch Beschluss selbstständig fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen. Diese Voraussetzung war hier gegeben, weil im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe beim Gericht die vom Streitwert unabhängige Festbetragsgebühr nach Nr. 5502 GKG KV i.H.v. 66,00 EUR angefallen war. Der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers gehörte auch zu den in § 33 Abs. 2 S. 2 RVG aufgeführten Antragsberechtigten.

b)Höhe des Gegenstandswertes

Für Verfahren über die PKH findet sich die eigenständige Wertregelung des § 23a RVG. Gem. § 23a Abs. 1 HS 1 RVG bestimmt sich der Gegenstandswert im Verfahren über die Gewährung der Prozesskostenhilfe oder die Aufhebung der Bewilligung gem. § 124 Nr. 1 ZPO nach dem für die Hauptsache maßgebenden Wert. I.Ü. ist der Gegenstandswert nach § 23a Abs. 1 HS 2 RVG nach dem Kosteninteresse nach billigem Ermessen zu bestimmen. § 23a Abs. 2 RVG ordnet an, dass der nach vorstehenden Maßgaben ermittelte Gegenstandswert und der Wert für das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, nicht zusammengerechnet werden.

2.Gegenstandswert im PKH-Beschwerdeverfahren

Nach Auffassung des 11. Senats des Bay. VGH gilt die Regelung des § 23a RVG auch für das Beschwerdeverfahren. Diese Vorschrift unterscheide nämlich nicht nach Instanzen, sondern nur nach Verfahren über die Bewilligung von PKH und den übrigen Verfahren. Auch in der Beschwerdeinstanz entspreche das Interesse des Antragstellers an der Bewilligung der PKH regelmäßig dem Wert der Hauptsache (BGH AGS 2010, 549 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2011, 72 [Hansens]; BGH AGS 2020, 239 = RVGreport 2020, 186 [Ders.]; VGH München – 9. Senat – AGS 2007, 48 = RVGreport 2006, 316 [Ders.]; OVG Münster AGS 2015, 34; N. Schneider, NJW-Spezial 2019, 348; Hansens, ZAP 2020, 815, 827; Schneider/Kurpat, Streitwertkommentar, 15. Aufl., 2021, Rn 23996).

Demgegenüber haben der 5. Senat des VGH München (AGS 2019, 190 = RVGreport 2019, 153) und der VGH Mannheim (AGS 2009, 404 = RVGreport 2009, 234 [Hansens]) die Auffassung vertreten, § 23a RVG enthalte keine ausdrückliche Regelung für die Bestimmung des Gegenstandswertes im PKH-Beschwerdeverfahren. Deshalb sei für die Wertbestimmung in diesem Verfahren das Kostenrisiko und nicht der für die Hauptsache anzusetzende Wert maßgeblich. Dem hat der 11. Senat des VGH München hier entgegengehalten, die Bewilligung der PKH sei aus Sicht des Bedürftigen notwendig, um das Verfahren überhaupt führen zu können. Sei die beantragte PKH in erster Instanz versagt worden, sei kein Grund dafür ersichtlich, das Interesse des Antragstellers im Beschwerdeverfahren geringer zu bewerten.

3.Ermittlung des Hauptsachewertes

Ausgangspunkt des PKH-Beschwerdeverfahrens war eine Klage auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E und CE79. Der VGH München hat darauf hingewiesen, dass nach den Empfehlungen in Nr. 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 zweimal der Auffangwert von 5.000,00 EUR anzusetzen sei. Folglich belaufe sich der für das PKH-Beschwerdeverfahren festzusetzende Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit auf 10.000,00 EUR.

III.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des 11. Senats des VGH München entspricht der weit überwiegenden Auffassung in der Rspr. der Zivil- und der Verwaltungsgerichte sowie auch der Kommentarlit.

1.Grundsatz: Hauptsachewert

Das hier auch vom VGH München herangezogene Argument war, die Bewilligung der PKH sei aus Sicht des Antragstellers notwendig, um das Verfahren überhaupt führen zu können, was auch im Beschwerdeverfahren gegen die erstinstanzliche Versagung der PKH gelte (ebenso OLG Stuttgart AGS 2010, 454; OLG Karlsruhe JurBüro 1980, 1853 m. Anm. Mümmler; OLG Koblenz JurBüro 1992, 325 und JurBüro 1993, 423 noch zur Geltung der BRAGO). Auch im Beschwerdeverfahren geht es dem bedürftigen Antragsteller im Ergebnis darum, durch die erstrebte Bewilligung von PKH von den Kosten der ersten Instanz befreit zu werden, um überhaupt das Hauptsacheverfahren betreiben zu können. Dies muss dann auch in dem Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren zum Ausdruck kommen. Dies gilt erst recht, wenn man deren Höhe in die Erwägungen mit einbezieht. Während im erstinstanzlichen PKH-Verfahren nach Nr. 3335 VV im Regelfall eine 1,0-Verfahrensgebühr entsteht, fällt im PKH-Beschwerdeverfahren nur die 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV an.

2.Ausnahmen

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass auch im PKH-Beschwerdeverfahren der Wert der Hauptsache maßgeblich ist, gilt dann, wenn der Bedürftige PKH nur für einen Teil der Hauptsache beantragt hat. In diesem Fall ist auch nur dieser Teil des Hauptsachewertes maßgebend. Dies gilt i.Ü. auch dann, wenn die PKH-Bewilligung nur mit der Maßgabe erfolgt ist, dass die Partei Raten zu zahlen hat oder einen Teil ihres Vermögens einzusetzen hat (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Aufl., 2021, Anhang VI Rn 411). Ebenso ist ausnahmsweise nicht der Hauptsachewert, sondern das Kosteninteresse des Bedürftigen maßgeblich, wenn die PKH-Bewilligung nur auf bestimmte Gebühren beschränkt worden ist (s. den Fall des BGH AGS 2020, 239 = RVGreport 2020, 186 [Hansens]: Beschränkung der Bewilligung der PKH auf die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV). Dieser Ausnahmefall wird in der Praxis deshalb aber nur selten eintreten, weil eine derartige Beschränkung vielfach von vornherein als unzulässig angesehen wird (s. etwa OLG Köln JurBüro 2005, 429; OLG Oldenburg FamRZ 2004, 106; LG Berlin JurBüro 2006, 434).

https://www.juris.de/perma?d=jzs-AGS-2022-7-020-322

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

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