Beitrag

Beschwerde gegen Beschluss zur Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren

1. Der Zulässigkeit einer Beschwerde gegen den Beschluss zur Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren steht § 256 FamFG nicht entgegen, wenn sie sich gegen die in dem angefochtenen Beschluss konkludent erfolgte Verwerfung des Einwands der fehlenden Leistungsfähigkeit richtet.

2. Die Erklärung, über kein für die Leistung von Unterhalt ausreichendes Einkommen zu verfügen, kann als konkludent abgegebene Erklärung im Sinne des § 252 Abs. 2 FamFG darüber gewertet werden, inwieweit der Antragsgegner zur Unterhaltsleistung bereit ist und dass er sich insoweit zur Erfüllung des Unterhaltsanspruchs verpflichtet.

3. Sind im vereinfachten Verfahren Einwendungen, die nicht die Zulässigkeit des Verfahrens betreffen, den Anforderungen der § 252 Abs. 2-Abs. 4 FamFG entsprechend erhoben, ist unmittelbar in das Verfahren nach §§ 254, 255 FamFG überzugehen.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.12.20226 UF 217/22

I. Der Fall

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Unterhaltsverpflichtung aus nach § 7 Unterhaltsvorschussgesetz übergegangenem Recht im vereinfachten Unterhaltsverfahren.

Die Antragsgegnerin ist die Mutter des minderjährigen Kindes A, das im Haushalt des das staatliche Kindergeld beziehenden Kindesvaters lebt. Für das Kind erbrachte und erbringt das antragstellende Land Hessen, vertreten durch die Unterhaltsvorschusskasse des Kreisausschusses des Landkreises, im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Mit Schreiben vom 22.6.2021 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin zur Erteilung einer Auskunft über ihre Einkünfte und ihr Vermögen auf. Mit Schreiben vom 27.7.2021 forderte der Antragsteller sie zur Unterhaltsleistung auf. Die Antragsgegnerin leistete im gesamten Zeitraum keinerlei Unterhalt.

Mit Schriftsatz vom 21.10.2021 beantragte der Antragsteller erstinstanzlich die Festsetzung der Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin über den laufenden Kindesunterhalt ab November 2021 in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle für die jeweilige Altersstufe abzüglich des vollen Kindergelds zuzüglich eines Rückstandsbetrags in Höhe von 1.392 EUR für die Zeit vom 1.5.2021 bis 31.10.2021 (6 x 232 EUR) nebst Zinsen im vereinfachten Unterhaltsverfahren. Die Antragsschrift nebst Belehrung und Einwendungsvordruck wurde der Antragsgegnerin am 10.11.2021 zugestellt.

Mit Schreiben vom 17.11.2021 erhob die Antragsgegnerin unter Verwendung des amtlichen Vordrucks Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt. Unter Punkt C gab sie an, weder über Einkommen noch Vermögen zu verfügen, das ihr eine Unterhaltszahlung erlaube. Unter Punkt E bezifferte sie ihr Einkommen auf ca. 1.300 EUR und unter Punkt F erklärte sie, kein Vermögen zu haben. Sie fügte Einkommensnachweise für die Monate Februar, März, Juli und September 2021 bei. Im April 2021 hatte sie den Arbeitgeber gewechselt und seither das von ihr mitgeteilte (höhere) Einkommen bezogen. Der Antragsteller erhielt mit Schreiben vom 23.11.2021, auf das Bezug genommen wird, Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Einwendungen. Er beantragte unter Beifügung einer Berechnung auf der Basis der ihm vorliegenden Lohnabrechnungen für Mai, Juni, Juli und September 2021, den Unterhalt im vereinfachten Verfahren festzusetzen, weil der erhobene Einwand unbegründet sei. Daraufhin forderte das Amtsgericht die Antragsgegnerin auf, noch die Lohnabrechnungen für die Monate Mai bis November einzureichen. Dieser Aufforderung kam die Antragsgegnerin nach. Mit Schreiben vom 9.3.2022 teilte der Antragsteller mit, dass er anhand der nun vollständig nachvollziehbaren Einkünfte der Antragsgegnerin eine erneute Unterhaltsberechnung vorgenommen habe, wonach für die Zeit vom 1.5.2021 bis 30.11.2021 ein Unterhaltsrückstand von monatlich 216 EUR zu fordern sei (insgesamt 1.512 EUR) und ab 1.12.2021 eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des vollen Kindergelds (monatlich 232 EUR) festgesetzt werden solle.

Daraufhin erließ der Rechtspfleger des Amtsgerichts ohne weitere Anhörung der Antragsgegnerin den beantragten Festsetzungsbeschluss, erlegte ihr die Kosten des Verfahrens auf und ordnete die sofortige Wirksamkeit an. Den Verfahrenswert setzte er für den ersten Rechtszug auf 7.089 EUR fest. Die erhobenen Einwendungen seien bei dem rückständigen Unterhalt berücksichtigt worden. Auf die Frage der Zulässigkeit der Einwendungen geht der Beschluss mit keinem Wort ein.

Mit ihrem am 18.7.2022 eingegangenen als Widerspruch bezeichneten Rechtsmittel gegen den ihr am 24.6.2022 zugestellten Beschluss macht die Antragsgegnerin geltend, nicht leistungsfähig zu sein. Sie habe zwar ein Einkommen von ca. 1.400 EUR monatlich. Hiervon seien allerdings (konkret benannte) Abzüge vorzunehmen. Ab dem 16.7.2021 beziehe sie zudem nur noch Krankengeld. Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten. Die Antragsgegnerin habe ein Einkommen von 1.400 EUR. Die geltend gemachten Abzüge könnten nicht anerkannt werden.

II. Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht Frankfurt hält die zulässige Beschwerde für begründet. Es führt diesbezüglich aus:

Auslegung als Beschwerde

1. Die gemäß §§ 58 ff. zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist begründet. Das Rechtsmittel ist zwar als Widerspruch bezeichnet, aber nach dem Rechtsschutzziel der Antragsgegnerin, nicht zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet zu werden, als Beschwerde auszulegen. Denn mit der Beschwerde kann sie das Ziel der Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses erreichen.

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht § 256 FamFG nicht entgegen. Nach § 256 Satz 1 FamFG kann mit der Beschwerde u.a. die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG geltend gemacht werden. Nach § 256 Satz 2 FamFG ist die Beschwerde unzulässig, wenn sie sich auf Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG stützt, die nicht vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses erhoben worden sind. Die Beschwerde ist danach zulässig, weil sie sich gegen die in dem angefochtenen Beschluss konkludent (vgl. Macco, in: MüKoFamFG, 3. Auflage 2018, § 252 Rn 23) erfolgte Verwerfung des Einwands der fehlenden Leistungsfähigkeit richtet. Den Einwand der fehlenden Leistungsfähigkeit hat die Antragsgegnerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses erhoben.

Aufhebung der angefochtenen Unterhaltsfestsetzung

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Unterhaltsfestsetzung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur weiteren Bearbeitung durch den Rechtspfleger nach §§ 254, 255 FamFG. Das Amtsgericht hat den Festsetzungsbeschluss zu Unrecht erlassen, weil die Antragsgegnerin die Einwendung der fehlenden Leistungsfähigkeit im erstinstanzlichen Verfahren zulässig erhoben hat.

a) Der Einwand fehlender Leistungsfähigkeit ist nach § 252 Abs. 2 und 4 FamFG nur zulässig, wenn der Antragsgegner zugleich Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen erteilt, für die letzten 12 Monate seine Einkünfte belegt und zugleich erklärt, inwieweit er zur Unterhaltsleistung bereit ist und er sich insoweit zur Erfüllung des Unterhaltsanspruchs verpflichtet.

Auskunft erteilt

Die Antragsgegnerin hat in dem amtlichen Vordruck Auskunft über ihre Einkünfte und ihr Vermögen erteilt. Dass sie ihre Lohnabrechnungen nicht für die letzten 12 Monate vorgelegt hat, sondern nur die von dem Amtsgericht angeforderten Lohnabrechnungen für die Zeit von Mai bis November 2021, führt nicht zur Unzulässigkeit ihrer Einwendung. Denn die Auskunft und Belegvorlage nach § 252 Abs. 4 FamFG soll dazu dienen, ein streitiges Verfahren zu vermeiden oder wenigstens den Streitstoff eines solchen Verfahrens hinsichtlich der Frage der Leistungsfähigkeit vorzuklären (vgl. BT-Drucksache13/7338, 40). Im Hinblick auf diesen Zweck ist die Vorschrift einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur die für die Unterhaltsberechnung maßgeblichen Lohnabrechnungen vorzulegen sind (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O. zur einschränkenden Auslegung; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.5.2022 – 18 WF 20/22, juris). Die Antragsgegnerin hat – wenn auch erst nach Aufforderung durch das Amtsgericht – zuletzt alle für die Unterhaltsberechnung im maßgeblichen Zeitraum erforderlichen Lohnabrechnungen vorgelegt. Sie bezieht erst seit Mai 2021 ein über dem Selbstbehalt liegendes Einkommen, das der Unterhaltsberechnung zugrunde zu legen ist. Der Antragsteller geht ebenfalls von vollständig nachvollziehbaren Einkünften der Antragsgegnerin aus und hat seinen Festsetzungsantrag dementsprechend korrigiert. Die Antragsgegnerin hat zwar nicht zugleich mit der Auskunft ausdrücklich erklärt, inwieweit sie zur Unterhaltsleistung bereit ist und sich auch nicht zur entsprechenden Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Der Antragsgegner kann aber auch die Erklärung abgeben, keinen Unterhalt zahlen zu wollen, da er insgesamt leistungsunfähig ist (Macco, in: MüKo-FamFG, 3. Auflage 2018, § 252 Rn 14). Das hat die Antragsgegnerin getan, indem sie auf dem Vordruck für Einwendungen unter Vorlage von Lohnabrechnungen und Kontoauszügen angegeben hat, weder über Einkommen noch Vermögen zu verfügen, das ihr eine Unterhaltszahlung erlaube. Hierin ist in Verbindung mit ihrem Schriftsatz vom 17.11.2021 jedenfalls auch die stillschweigende Erklärung zu sehen, keinen Unterhalt zu zahlen (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 29.1.2019 – 12 WF 198/18 -, FamRZ 2019, 1152).

Zulässige Einwendungen

b) Da die Antragsgegnerin zulässige Einwendungen erhoben hat, war der angefochtene Beschluss aufzuheben (Weber, in: BeckOK FamFG, 44. Edition, Stand: 1.10.2022, § 256 Rn 17) und an das Amtsgericht zur weiteren Bearbeitung zurückzuverweisen (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.5.2022 – 4 WF 42/22, BeckRS 2022, 12014; Bömelburg, in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl. 2023, § 256 Rn 30). Eine Entscheidung in der Sache kann durch das Beschwerdegericht nicht getroffen werden, weil in dem vereinfachten Unterhaltsverfahren eine materiell-rechtliche Prüfung von zulässigen Einwendungen i.S.v. § 252 Abs. 4 FamFG nicht vorgesehen ist. Nach § 254 FamFG hat der Rechtspfleger dem Antragsteller zulässig erhobene Einwendungen mitzuteilen. Die Beteiligten werden zu entscheiden haben, ob sie gemäß § 255 FamFG ins streitige Verfahren übergehen. Ein automatischer Übergang ist nicht vorgesehen, um den Beteiligten Gelegenheit zu einer außergerichtlichen Einigung zu geben, aber auch, um dem Berechtigten, der seinen Unterhaltsanspruch ganz oder teilweise nicht weiterverfolgen will, zusätzliche Kosten zu ersparen (Macco, in: MükoFamFG, a. a. O, § 252 FamFG Rn 24).

III. Der Praxistipp

§ 256 FamFG bestimmt für das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, dass mit der Beschwerde im Rahmen des vereinfachten Verfahrens nur Einwendungen gegen die Zulässigkeit oder die Unzulässigkeit des vereinfachten Verfahrens, die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG sowie die Unrichtigkeit der Kostenentscheidung oder Kostenfestsetzung, sofern sie nach allgemeinen Grundsätzen anfechtbar sind, geltend gemacht werden, wobei die Beschwerde unzulässig ist, wenn sie sich auf Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG stützt, die nicht erhoben waren, bevor der Festsetzungsbeschluss erlassen war.

Das OLG Frankfurt hat nunmehr entschieden, dass das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Beschluss zur Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren auch in Ansehung des § 256 FamFG zulässig ist, wenn sich die Beschwerde gegen die in dem angefochtenen Beschluss konkludent erfolgte Verwerfung des Einwands der fehlenden Leistungsfähigkeit richtet. Als Argument zieht das OLG Frankfurt heran, dass der Einwand der fehlenden Leistungsfähigkeit durch die Antragsgegnerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses erhoben worden war. Auch die unzutreffende Bezeichnung als „Widerspruch“ ist unschädlich.

Dem Praktiker obliegt es daher, bereits erstinstanzlich entsprechend vorzutragen – sofern bereits eine Mandatierung besteht – bzw. die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels im Hinblick auf Zulässigkeit anhand des erstinstanzlichen Vortrages konkret zu überprüfen.

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