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D. beA – Rechtsprechung – Das müssen Rechtsanwälte beachten

Ilona Cosack Fachbuchautorin und Inhaberin der ABC AnwaltsBeratung Cosack, Fachberatung für Rechtsanwälte und Notare

beA gehört auch nach zwei Jahren der aktiven Nutzungspflicht noch längst nicht in allen Kanzleien zum Alltag, das wird an der aktuellen Rechtsprechung deutlich. Im Anschluss an unsere Rechtsprechungsübersicht in der eBroschüre 3/2023 Rn 66 ff., sind folgende Entscheidungen relevant und aus Anwaltssicht auch manchmal erfreulich:

I.

BVerfG, Beschl. v. 10.5.2023 – 2 BvR 370/22, Fristen dürfen vollständig ausgeschöpft werden

Die Beschwerdeführerin wurde in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Ein Antrag auf Fristverlängerung muss innerhalb der noch laufenden Frist bei Gericht eingegangen sein. Für den Eingang eines Schreibens bei Gericht ist es nicht erforderlich, dass das Schreiben der richtigen Akte zugeordnet wird oder dass es der Geschäftsstelle übergeben wird, sondern allein, dass es in den Machtbereich des Gerichts gelangt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.12.2012 – 2 BvR 1294/10). Es liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Zivilprozess vor, wenn das AG entschieden hatte, ohne das per beA übermittelte, am letzten Tag der Frist um 17.54 Uhr bei ihm eingegangene Fristverlängerungsgesuch sowie weiteren entscheidungserheblichen Vortrag der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen. Soweit das AG ausführte, der Fristverlängerungsantrag habe zum Zeitpunkt der Abfassung des Urteils nicht einmal der Geschäftsstelle vorgelegen, berücksichtigt es nicht, dass Verzögerungen bei der Weiterleitung des Antrags innerhalb des Gerichts nicht zulasten der Beschwerdeführerin gehen können.

Anmerkung:

Die Justiz ist erst ab dem 1.1.2026 verpflichtet, elektronische Akten zu führen. Das führt dazu, dass elektronische Dokumente, die auf dem Justizserver rechtzeitig eingehen noch einen langen Weg vor sich haben, ehe sie den Richter erreichen. So auch in diesem Fall. Der Fristverlängerungsantrag gelangte am 20.12.2022 um 17.54 Uhr in den Machtbereich des Gerichts. Verzögerungen bei der Weiterleitung des Antrags innerhalb des Gerichts können nicht zulasten der Beschwerdeführerin gehen. Das AG konnte auch nicht verlangen, dass der Prozessbevollmächtigte seinen Fristverlängerungsantrag zu einem früheren Zeitpunkt hätte stellen müssen – Fristen dürfen vollständig ausgeschöpft werden. Lediglich bei der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax ist zu beachten, dass mit der Übermittlung so rechtzeitig begonnen wird, dass i.d.R. mit einem rechtzeitigen Abschluss des Sendevorgangs gerechnet werden kann.

Praxishinweis:

Das BVerfG geht davon aus, dass es auch keine Rolle spielt, ob den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin Verschulden trifft, ob er damit rechnen durfte, dass seinem Antrag stattgegeben werden würde und wann er mit einer Entscheidung rechnen durfte. Da es hier nicht um eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gehe, seien diese Fragen unerheblich.

II.

BGH, Urt. v. 25.5.2023 – V ZR 134/22, Vorübergehende technische Unmöglichkeit im Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung

Der Prozessbevollmächtigte, der aus technischen Gründen gehindert ist, einen fristwahrenden Schriftsatz elektronisch einzureichen, ist, nachdem er die zulässige Ersatzeinreichung veranlasst hat, nicht mehr gehalten, sich vor Fristablauf weiter um eine elektronische Übermittlung zu bemühen.

Anmerkung:

Diese Entscheidung fördert den pünktlichen Feierabend. War man bislang davon ausgegangen, dass bei vorübergehender technischer Unmöglichkeit sich zumindest bis kurz vor Mitternacht (Mitternacht beginnt nach der Faxrechtsprechung um 23.40 Uhr) bemühen musste, um ggf. doch noch per beA einzureichen, so bringt dieses Urteil Klarheit.

Praxishinweis:

Vorsicht jedoch bei der Glaubhaftmachung der Ersatzeinreichung. Hier hat das OLG Hamm am 3.7.2023 (31 U 71/23) entschieden, dass alle bei der Ersatzeinreichung vorliegenden Nachweise mit der Ersatzeinreichung, notfalls handschriftlich, eingereicht werden müssen.

III.

BGH, Beschl. v. 6.6.2023 – 5 StR 164/23, Keine wirksame Übermittlung einfach signierter Revisionsschrift

Wer eine Revisionsschrift verfasst und lediglich einfach signiert, muss diese grundsätzlich auch über das eigene beA ans Gericht übermitteln. Versendet hingegen eine Anwaltskollegin die fremde Revisionsschrift mit einer einfachen Signatur des Anwaltskollegen über ihr eigenes beA, ist die Übermittlung formunwirksam und das gilt auch dann, wenn sie offizielle Vertreterin ist.

Anmerkung:

In der Sache wurde dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, weil ihn kein Verschulden treffe. Es sei allein auf Anwaltsverschulden zurückzuführen, dass die Revision nicht formgerecht und daher nicht wirksam eingelegt wurde.

Praxishinweis:

Vertreter müssen Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen, eine einfache Signatur (Name) anbringen und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur signieren.

Statten Sie Vertreter mit Rollen und Rechten aus, damit der Versand aus dem beA des Sachbearbeiters erfolgen kann.

IV.

BGH, Beschl. v. 20.6.2023 – 2 StR 39/23, Unwirksame Einreichung bei Weitergabe der PIN

Der Rechtsanwalt darf seine beA-Karte und die Zugangsdaten nicht weitergeben. Nach § 26 Abs. 1 RAVPV darf der Inhaber eines für ihn erzeugten Zertifikats (= beA-Karte) dieses keiner anderen Person überlassen und muss auch die PIN geheim halten.

Anmerkung:

Der Anwalt hatte die Weitergabe seiner Karte damit begründet, dass er im Homeoffice arbeite und deshalb die Mitarbeiterin die beA-Karte nebst PIN in ihrem Schreibtisch aufbewahrte. Der BGH verwies darauf, dass die einfache Signatur die persönliche Versendung des Schriftsatzes voraussetzt. Kanzleimitarbeiter können sich nur mit einem eigenen Zertifikat (beA-Mitarbeiterkarte) und eigener PIN am beA anmelden. Der Rechtsanwalt darf seine Karte nebst PIN nicht an einen Dritten (Mitarbeiterin) geben. Es soll sichergestellt werden, dass die einfache Signatur von der den Schriftsatz verantwortenden Person stammt.

Praxishinweis:

Bestellen Sie für Mitarbeitende beA-Mitarbeiterkarten. Diese kosten lediglich 12 EUR netto pro Jahr und verhindern, dass solche Fehler passieren. Behalten Sie die eigene beA-Anwaltskarte bei sich. Auch im Home-Office können Anwälte mit beA-Karte und Lesegerät jederzeit auf das beA zugreifen und mit qeS signieren. Danach kann der Mitarbeitende mit der beA-Mitarbeiterkarte versenden, exportieren und die Eingangsbestätigung kontrollieren. Natürlich können Anwälte auch eine mit qeS signierte Nachricht selbst versenden und sind damit immer „auf der sicheren Seite“.

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