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Terminvorschau BAG 09-2023

– BAG 6 AZR 157/22 –

Ordentliche betriebsbedingte Kündigung – Rechtsfolgen einer unterlassenen Massenentlassungsanzeige

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch über die Sanktionen bei Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG.

Der Kläger war bei einem Großhandels- und Wartungsunternehmen tätig, das bis September 2020 insgesamt 25 Arbeitnehmer beschäftigte. Ein Betriebsrat war nicht gebildet. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.12.2020 legte der zum Insolvenzverwalter bestellte Beklagte den Betrieb still und kündigte innerhalb von 30 Tagen mindestens zehn Arbeitnehmern, darunter dem Kläger, ohne zuvor eine Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG erstattet zu haben.

Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die ausgesprochene Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gewandt. Soweit für die Revision noch von Belang, hat er die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam, weil es an der erforderlichen Massenentlassungsanzeige durch den Beklagten fehle. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG sei der Arbeitgeber hingegen verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision.

Mit Beschl. v. 11.5.2023 (Pressemitteilung 23/23) hat der Sechste Senat das Verfahren ausgesetzt bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort bereits anhängigen Verfahren – C-134/22 – (BAG v. 27.1.2022 – 6 AZR 155/21 A). Das BAG nimmt in seiner bisherigen Rechtsprechung an, dass Verstöße gegen die den Arbeitgeber im Zusammenhang mit Massenentlassungen treffenden Pflichten zur Nichtigkeit der Kündigung gemäß § 134 BGB führen. Darunter fällt auch die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG. Dementsprechend seien Kündigungen, bei denen eine Anzeige gänzlich unterblieben ist, nichtig.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urt. v. 13.7.2023 – C-134/22 – entschieden, dass Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 Richtlinie 98/59/EG dahin auszulegen sei, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers, der zuständigen Behörde eine Abschrift zumindest der in ihrem Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b Nr. i bis v genannten Bestandteile der schriftlichen Mitteilung zu übermitteln, nicht den Zweck habe, den von Massenentlassungen betroffenen Arbeitnehmern Individualschutz zu gewähren. Mit der Entscheidung des EuGH ist der Aussetzungsgrund entfallen (vgl. Pressemitteilung 34/23).

Der Sechste Senat verhandelt am selben Tag weitere Verfahren (6 AZR 121/22 / 6 AZR 155/21), in denen unterschiedliche Fehler im Massenentlassungsverfahren geltend gemacht werden.

Vorinstanz: LAG Hamburg, Urt. v. 3.2.2022 – 3 Sa 16/21

Termin der Entscheidung: 14.12.2023, 9:45 Uhr

Zuständig: Sechster Senat

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