Beitrag

Gesetzentwurf zur Neuregelung der Betriebsratsvergütung

Anfang November hat die Bundesregierung dem Bundesrat unter Hinweis auf die besondere Eilbedürftigkeit, Art. 76 Abs. 2 S. 4 GG, ihren Gesetzesentwurf zur Klarstellung und Präzisierung des in § 78 Satz 2 BetrVG verankerten Benachteiligungs- und Begünstigungsverbotes von Betriebsräten sowie der das Benachteiligungsverbot konkretisierenden Entgeltgarantie für Betriebsräte nach § 37 Abs. 4 BetrVG zugeleitet. Das Gesetz soll kurzfristig verabschiedet werden.

Der Beitrag stellt den Gesetzesentwurf im Einzelnen vor, erläutert den Hintergrund des Gesetzesvorhabens sowie die auch weiterhin bestehenden Probleme:

I.

Hintergrund

Mit Urt. v. 10.1.2023 (6 StR 133/22 – vgl. dazu die Urteilsbesprechung im Infobrief Arbeitsrecht 03/2023) hob der 6. Strafsenat des BGH die erstinstanzlichen Freisprüche des Landgerichts Braunschweig von zwei früheren Personalleitern und von zwei für den Bereich Personal zuständiger Vorstände der Volkswagen AG auf. Das Landgericht hatte die vier VW-Manager vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Die vier Angeklagten hatten freigestellten Betriebsräten der Volkswagen AG in den Jahren 2011 bis 2016 Gehälter und Boni gewährt, die die Gehaltszahlungen an die betriebsverfassungsrechtlich zutreffenden Vergleichsgruppen erheblich überschritten. Die den freigestellten Betriebsräten gewährten Gehälter und Boni bewegten sich zwischen 80.000 EUR und 560.000 EUR p.a. und entsprachen der Vergütung von Angestellten im Managementkreis von VW. Der Volkswagen AG entstand dadurch ein Schaden von mehr als 4,5 Millionen EUR. Das Landgericht Braunschweig sah in der von den Angeklagten vorgenommenen Entgelteinordung der Betriebsräte und der Gewährung freiwilliger Bonuszahlungen an sie zwar den objektiven Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB als verwirklicht an, lehnte jedoch ein vorsätzliches Handeln der Angeklagten ab, da sie irrtümlich angenommen hätten, mit ihren jeweiligen bewilligenden Entscheidungen keine Pflichten zu verletzen. Nach Auffassung des BGH sei das Landgericht zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der objektive Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB erfüllt sein kann, wenn ein Vorstand oder Prokurist einer AG unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt. Jedoch genügte das erstinstanzliche Urteil nicht den gesetzlichen Darstellungsanforderungen, da nicht beurteilt werden konnte, ob die Bewilligung der monatlichen Entgelte und Bonuszahlungen den betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen widerspreche und ob das Landgericht zutreffend den Vorsatz der Angeklagten verneint habe. Der BGH hob das Urteil daher auf und verwies es zur Neuverhandlung zurück an eine andere Kammer des Landgerichts Braunschweig.

Das Urteil des 6. Strafsenates des BGH führte, wie es im nun vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung heißt, in der Praxis vermehrt zu Rechtsunsicherheiten. Personalverantwortliche sahen sich nach dem BGH-Urteil zuweilen schon der Strafverfolgung ausgesetzt. Nach Presseberichten kam es in Unternehmen vereinzelt zu anonymen Anzeigen und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Betriebsräten wurde präventiv das Gehalt gekürzt oder sie sahen sich Gehaltsrückforderungen ihrer Arbeitgeber ausgesetzt.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, setzte daraufhin rasch eine dreiköpfige Kommission „Rechtssicherheit in der Betriebsratsvergütung“ unter Vorsitz des Präsidenten des Bundessozialgerichtes, Prof. Dr. Schlegel, ein und stellte deren Ergebnisse Ende September der Öffentlichkeit vor. Die Vorschläge der Kommission zur Neufassung des § 37 Abs. 4 BetrVG und des § 78 Satz 2 BetrVG übernahm die Bundesregierung.

II.

Rechtsgrundlagen zur Betriebsratsvergütung

Die von der Kommission erarbeiteten und in den aktuellen Gesetzesentwurf übernommenen Vorschläge basieren auf der bisherigen betriebsverfassungsrechtlichen Konzeption der Betriebsratsvergütung und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BAG. Zur besseren Einordung des vorliegenden Gesetzesentwurfs werden die Konzeption der Entlohnung von Betriebsräten und die Rechtsprechung des BAG hierzu nachstehend kurz skizziert:

Gemäß § 37 Abs. 1 BetrVG führen die Mitglieder des Betriebsrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Damit wird die Unabhängigkeit des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet und die Voraussetzung für eine sachgerechte Durchführung von Mitwirkung und Mitbestimmung nach dem BetrVG geschaffen.

§ 37 Abs. 4 BetrVG sichert den Mitgliedern des Betriebsrats einen Anspruch auf Mindestentgelt, das nicht geringer bemessen sein darf als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Betriebsräte sollen damit vor finanziellen Nachteilen wegen der Ausübung ihrer Betriebsratstätigkeit geschützt werden. Entscheidend ist danach, ob die Gehaltsentwicklung eines Betriebsratsmitglieds während seiner Amtszeit im Verhältnis zu vergleichbaren Arbeitnehmern zurückgeblieben ist. Vergleichbar ist, wer zum Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausübt und fachlich sowie persönlich gleich qualifiziert ist, wie das Betriebsratsmitglied. Üblich ist eine Entwicklung, die vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben. Die Bildung von Vergleichsgruppen sowie die Festlegung der betriebsüblichen Entwicklung verursacht insbesondere bei langjährig freigestellten Betriebsratsmitgliedern erhebliche Probleme. Die Rechtsprechung erachtet daher Vereinbarungen der Betriebsparteien über die Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer und zur gemeinsamen Auswahl solcher Vergleichspersonen, an denen sich die künftige Entgeltentwicklung orientieren soll, für zulässig.

Wegen der Ausübung seines Amtes darf ein Betriebsrat nach § 78 Satz 2 BetrVG weder begünstigt noch benachteiligt werden. Das gesetzliche Benachteiligungsverbot beinhaltet den über die Entgeltgarantie nach 37 Abs. 4 BetrVG hinausgehenden Schutz, Betriebsräten eine berufliche Entwicklung zu gewährleisten, die sie ohne ihre Amtstätigkeit durchlaufen hätten. Damit einher geht ein Anspruch auf Vergütung, die der beruflichen Entwicklung entspricht. Kann ein Betriebsrat darlegen, dass seine Bewerbung auf eine Beförderungsstelle gerade wegen seiner Betriebsratstätigkeit oder Freistellung erfolglos war oder er sich wegen seiner Amtsausübung nicht auf eine Beförderungsstelle beworben hat, hat er nach der Rechtsprechung Anspruch auf die höhere Vergütung.

III.

Inhalt des Gesetzesentwurfs

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung knüpft an die bisherige Konzeption der Betriebsverfassung zur Entgeltsicherung von Betriebsräten an und überführt die Rechtsprechung des BAG in das Betriebsverfassungsgesetz. Entsprechend den Vorschlägen der Kommission sieht der Gesetzesentwurf folgende Ergänzungen der Regelungen in § 37 Abs. 4 BetrVG und § 78 Satz 2 BetrVG vor:

§ 37 Abs. 4 BetrvG werden folgende Sätze angefügt:

„Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.“

§ 78 BetrVG wird folgender Satz angefügt:

„Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in Satz 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.“

IV.

Kritik

Der Gesetzesentwurf enthält wenig Neues, sondern kodifiziert – in Teilen – lediglich die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Der erhoffte Befreiungsschlag zur rechtssicheren Gestaltung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern ist nicht geglückt. Über eine Präzisierung des Gesetzestextes nach Maßgabe der bereits vorliegenden Rechtsprechung kommt der Entwurf nicht hinaus. Die für die Praxis wesentliche Frage, wie bzw. nach welchen Kriterien Vergleichsgruppen zu bilden sind, bleibt offen und ungeklärt.

Durchaus begrüßenswert ist dagegen, dass mit der Begründung des Gesetzesentwurfs die Auffassung des BGH widerlegt ist, wonach die hypothetische Betrachtung gemäß § 78 S. 2 BetrVG einen absoluten Ausnahmefall darstellt und in der Regel allein die Vergleichsgruppenbetrachtung nach § 37 Abs. 4 BetrVG herangezogen werden soll. Nach der Gesetzesbegründung und mit der vorgesehenen Einfügung von § 78 Satz 3 BetrVG ist eine hypothetische Betrachtung der beruflichen Tätigkeits- und Vergütungsentwicklung weiterhin möglich und vom Gesetzgeber gewollt.

Peter Hützen, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Düsseldorf, huetzen@michelspmks.de

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