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LAG Niedersachsen: Rückzahlung von Fortbildungskosten bei vorzeitigem Ausscheiden auf Arbeitnehmerwunsch und gleichzeitiger Eigenkündigung

1. Die Parteien können im Rahmen einer Fort-/Weiterbildungsvereinbarung wirksam regeln, dass die bis dahin angefallenen Leistungen des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer zu erstatten sind, wenn dieser auf eigenen Wunsch oder aus eigenem Verschulden die Anmeldung bis zum Beginn der Fortbildungsmaßnahme zurückzieht oder während der laufenden Maßnahme aus derselben ausscheidet und das Ausscheiden nicht aus berechtigten personenbedingten Gründen erfolgt.

2. Der Umstand, dass für solche Fälle eine unbedingte und vollständige Rückzahlungsverpflichtung vereinbart wird, dem Arbeitnehmer somit nicht die Möglichkeit eingeräumt wird, seine Rückzahlungsverpflichtung durch eine nachfolgende Arbeitsleistung „abzuarbeiten“, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

3. Dass die abgebrochene Fortbildungsmaßnahme für den Arbeitnehmer im Rahmen eines neu begründeten Arbeitsverhältnisses einen Vorteil bedeutet, ist für die Beurteilung der Wirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung nicht von Bedeutung.

[Redaktionelle Leitsätze]

LAG Niedersachsen, Urt. v. 12.10.20228 Sa 123/22

I. Der Fall

Dauerbrenner: Rückzahlung von Fortbildungskosten

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten. Am 13.7.2020 trafen die Parteien eine Rückzahlungsvereinbarung. In § 1 Abs. 2 der Vereinbarung regelten die Parteien die Erbringung freiwilliger Leistungen durch die Arbeitgeberin in Gestalt der Freistellung von der Arbeit und der Fortzahlung des Entgelts, Übernahme der Lehrgangs- und Prüfungsgebühren und Reisekostenvergütung. Alle Positionen, so auch die voraussichtlichen Gesamtkosten, wurden als Eurobeträge genau beziffert.

ausführliche Regelung in der Vereinbarung

Die Regelung des § 5 Abs. 1 der Rückzahlungsvereinbarung lautet im Wortlaut wie folgt:

„Die/Der Beschäftigte hat die bis dahin angefallenen Leistungen des Arbeitgebers nach § 1 dieser Vereinbarung zu erstatten, wenn sie/er auf eigenen Wunsch oder aus ihrem/seinem Verschulden

  • a)

    die Anmeldung bis zum Beginn der Fortbildungsmaßnahme zurückzieht,

  • b)

    aus der Fortbildungsmaßnahme ausscheidet,

  • c)

    die Prüfung nicht ablegt oder im Falle des Nichtbestehens der Prüfung selbige trotz Aufforderung des Arbeitgebers nicht wiederholt,

  • d)

    aus dem Arbeitsverhältnis noch vor Ablegen der die Fortbildungsmaßnahme abschließenden Prüfung ausscheidet.

  • Eine Erstattungspflicht besteht nicht, wenn das Zurückziehen der Anmeldung vor Fortbildungsbeginn, das Ausscheiden aus der Fortbildungsmaßnahme, das Nichtablegen der Prüfung, bei Nichtbestehen die Verweigerung des Ablegens der Wiederholungsprüfung oder das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch vor Ablegen der die Fortbildungsmaßnahme abschließenden Prüfung aus Gründen erfolgt, die dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzuordnen sind bzw. die der Arbeitgeber zumindest mitveranlasst hat.

    Selbiges gilt, wenn das Zurückziehen der Anmeldung vor Fortbildungsbeginn, das Ausscheiden aus der Fortbildungsmaßnahme, das Nichtablegen der Prüfung, bei Nichtbestehen die Verweigerung des Ablegens der Wiederholungsprüfung oder das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch vor Ablegen der die Fortbildungsmaßnahme abschließenden Prüfung aus berechtigten personenbedingten Gründen erfolgt, die die/der Beschäftigte nicht zu vertreten hat (z.B. weil eine Fortsetzung der Fortbildungsmaßnahme oder das Ablegen der Prüfung aufgrund von Krankheit oder dauerhafter Dienstunfähigkeit nicht mehr möglich ist). Das Vorliegen derartiger berechtigter personenbedingter Gründe ist in diesem Fall von der/dem Beschäftigten nachzuweisen.“

    Verfahrensgang

    Nachdem der Arbeitnehmer während der Fortbildungsmaßnahme diese auf eigenen Wunsch beendete und gleichzeitig das Arbeitsverhältnis kündigte, forderte die Arbeitgeberin die entstandenen Kosten zurück. Das ArbG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben (ArbG Verden, Urt. v. 21.12.2021 – 2 Ca 290/21). Die hiergegen beim LAG eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg.

    II. Die Entscheidung

    keine unangemessene Benachteiligung

    Das LAG führt in den Entscheidungsgründen aus, dass es sich bei der Rückzahlungsvereinbarung vom 13.7.2020 um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt. Trotz umfangreicher Kasuistik zu Rückzahlungsvereinbarungen war eine Klausel, in der – wie hier in § 5 Abs. 1b der Rückzahlungsvereinbarung – eine Rückzahlungsverpflichtung daran anknüpft, dass der Arbeitnehmer während der Fortbildungsmaßnahmen aus derselben ausscheidet, noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Prüfung. Das LAG ist der Auffassung, dass die Klausel für den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligend sei, sie außerdem weder das Transparenzgebot noch den Bestimmtheitsgrundsatz verletze. Auch die vorliegend in § 5 Abs. 1 verwendete Regelung begegne in ihrer konkreten Gestalt keinen durchgreifenden rechtlichen Einwänden.

    Urteil ist rechtskräftig

    Das LAG Niedersachsen hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung hinsichtlich der Rechtsfrage, ob eine derartige Verpflichtung in einer Fortbildungsvereinbarung zulässig ist, zugelassen. Ein Rechtsmittel wurde nicht eingelegt.

    III. Der Praxistipp

    maximale Sorgfalt bei der Erstellung von Rückzahlungsklauseln

    Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, mit welchem Detaillierungsgrad die Gerichte vorformulierte Vertragsbedingungen einer AGB-Kontrolle unterziehen. Zuletzt hatte das BAG entschieden, dass Fortbildungsverträge eine Klausel beinhalten müssen, dass im Fall einer personenbedingten Eigenkündigung des Arbeitnehmers die Rückzahlungspflicht entfällt, jedenfalls wenn die personenbedingte Eigenkündigung auf nicht von ihm zu vertretenden Gründen beruht (BAG, Urt. v. 1.3.2022 – 9 AZR 260/21).

    Besonderheit des vorliegenden Sachverhalts

    Dem war die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall mit der Regelung des § 5 Abs. 1 nachgekommen. Sie konnte insbesondere den Vorwurf einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB abwehren. Nach dem Einleitungssatz soll der/die Beschäftigte nämlich die bis dahin angefallenen Leistungen der Arbeitgeberin nur dann zu erstatten haben, wenn er/sie auf eigenen Wunsch oder aus eigenem Verschulden vorzeitig aus der Fortbildungsmaßnahme ausscheidet. Die Verpflichtung zur Rückzahlung trifft den Arbeitnehmer folgerichtig dann nicht, wenn die Beendigung des Fortbildungsverhältnisses durch die Arbeitgeberin veranlasst war bzw. jedenfalls durch den Arbeitnehmer nicht verschuldet worden ist. Zudem wird in Abs. 1 in der Folge festgelegt, dass eine Erstattungspflicht dann nicht besteht, wenn das vorzeitige Ausscheiden aus der Fortbildungsmaßnahme aus Gründen erfolgt, die dem Verantwortungs- und Risikobereich der Arbeitgeberin zuzuordnen sind bzw. die die Arbeitgeberin zumindest mitveranlasst hat.

    Constantin Wlachojiannis, Rechtsanwalt, Köln, wlachojiannis@michelspmks.de

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