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BRAK hält Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig

Der derzeit erhobene Solidaritätszuschlag ist nach Auffassung der Bundesrechtsanwaltskammer verfassungsrechtlich nicht mehr durch eine Ausnahmelage gedeckt. Die Erhebung nur noch bei etwa 10 % der Einkommensteuerpflichtigen verstoße zudem gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das hat die Kammer in einem aktuellen Gutachten für das Bundesverfassungsgericht ausgeführt. Dort wird derzeit die Verfassungsbeschwerde der FDP gegen die teilweise Abschaffung des „Soli“ Ende 2019 verhandelt.

Das Verfahren (2 BvR 1505/20) war im Jahr 2020 durch Mitglieder des Vorstands der FDP-Bundestagsfraktion angestrengt worden. Der Bundestag hatte zuvor mit der Mehrheit der damaligen Großen Koalition lediglich eine teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags ab 2021 beschlossen. Die Freigrenzen wurden angehoben, so dass seitdem nur noch Besserverdienende – und damit die wenigsten Steuerzahler – den Solidaritätszuschlag in voller Höhe entrichten müssen. Die Beschwerdeführer verfolgen das Ziel der vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags mit Wirkung zum 1.1.2020.

Wie die BRAK in ihrer Stellungnahme für das BVerfG ausführt, ist ihrer Rechtsauffassung nach die Fortführung des Solidaritätszuschlags derzeit nicht mehr von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG gedeckt. Diese ermögliche lediglich ergänzende Abgaben bei „Bedarfsspitzen“; eine Ausnahmelage wie nach der Wiedervereinigung, aus deren Anlass der „Soli“ eingeführt worden sei, bestehe aber inzwischen nicht mehr.

Der rechtfertigende Grund des Solidaritätszuschlags in Gestalt der Finanzierung der Wiedervereinigung Deutschlands sei spätestens Ende 2019 weggefallen. Besondere finanzielle Lasten des Bundes, die auf die Wiedervereinigung bzw. die Angleichung der Lebensverhältnisse von Ost und West zurückzuführen seien, bestünden 30 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht mehr. Vielmehr lägen unabhängig von der Unterscheidung in neue und alte Bundesländer strukturelle Unterschiede vor, die es auszugleichen gelte, was im Rahmen von Art. 107 GG auch geschehe. Damit sei finanzverfassungsrechtlich mittlerweile die „Normallage“ eingetreten und eine besondere, anderweitig nicht auszugleichende Bedarfsspitze im Bundeshaushalt bestehe nicht mehr.

Zudem verletzt nach Auffassung der BRAK die Ende 2019 vom Bundestag beschlossene Umwandlung des als solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen konzipierten Zuschlags auf die Einkommensteuer in ein Sonderopfer für nur noch 10 % der Einkommensteuerpflichtigen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

Es fehle jegliche Begründung dafür, dass die vom Gesetzgeber angeführten sozialen Gesichtspunkte die konkret angesetzte Freigrenze rechtfertigten, infolge der mehr als ein Drittel oder sogar mehr als die Hälfte der Einkommensteuerpflichtigen nicht mehr zum Solidaritätszuschlag herangezogen würden. Die Freistellung auch der mittleren und gehobenen Einkommen könnten weder das Sozialstaatsprinzip noch der Gedanke der Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte rechtfertigen. Zu einer derartigen „Auflösung der Solidargemeinschaft“ innerhalb der Gruppe der Solidaritätszuschlagspflichtigen, so die BRAK, reichten die vom Gesetzgeber angeführten Gründe nicht aus.

Einen weiteren Verstoß gegen Art. 3 GG sieht die BRAK darin, dass der Solidaritätszuschlag weiterhin auf Kapitaleinkünfte erhoben wird; damit würden Steuerpflichtige mit Einkünften aus Kapitalvermögen im Vergleich zu gleich leistungsfähigen Steuerpflichtigen mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten in verfassungswidriger Weise benachteiligt.

Im Ergebnis teilt die Bundesrechtsanwaltskammer damit die Rechtsansicht der Verfassungsbeschwerdeführer, dass die Voraussetzungen für die Erhebung des Solidaritätszuschlags seit 2020 nicht mehr gegeben sind.

[Quelle: BRAK]

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