Beitrag

Reformpläne zum Kindschafts- und Abstammungsrecht

Das Bundesjustizministerium plant umfangreiche Änderungen im Umgangs- und Sorgerecht in Trennungsfamilien und für das Abstammungsrecht bei gleichgeschlechtlichen Familien. Mit dieser umfassenden Reform will das Ministerium das Familienrecht an die Anforderungen der Gegenwart anpassen, um auch Trennungsfamilien, nicht verheirateten Eltern, Patchwork- und Regenbogenfamilien gerecht zu werden. Mitte Januar hat das BMJ dazu ein Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts mit Regelungsvorschlägen u.a. für das Sorge- und Umgangsrecht sowie das Adoptionsrecht vorgelegt. Parallel dazu machte das Ministerium in einem weiteren Eckpunktepapier Vorschläge zur Reform des Abstammungsrechts, die bestehende Benachteiligungen von gleichgeschlechtlichen Paaren und ihren Kindern beseitigen sollen. Für das Kindschaftsrecht schlägt das Ministerium u.a. folgende Neuerungen vor:

  • Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf das elterliche Sorgerecht: Eltern sollen künftig mehr Autonomie in Bezug auf ihr Sorgerecht haben und z.B. Vereinbarungen darüber schließen können.

  • „Kleines Sorgerecht“: Die Sorgeberechtigten (im Regelfall die Eltern) sollen künftig durch Vereinbarung bis zu zwei weiteren Personen – z.B. ihren jeweils neuen Partnern – sorgerechtliche Befugnisse einräumen können.

  • Vereinbarungen über das Umgangsrecht: Eltern sollen künftig Vereinbarungen über die Regelung des Umgangs schließen können, die sofort – ohne weiteren gerichtlichen Titel – vollstreckbar sind.

  • Stärkung der Rechte des nicht mit der Mutter verheirateten Vaters: Er soll bei einem gemeinsamen Wohnsitz einfacher das gemeinsame Sorgerecht erlangen können. Wenn die Mutter nicht widerspricht, soll künftig eine einseitige, beurkundete Erklärung ausreichen.

  • Kinderrechte: Neu eingeführt werden soll u.a. ein eigenes Recht des Kindes auf Umgang mit Großeltern und Geschwistern.

Für das Abstammungsrecht macht das BMJ u.a. folgende Vorschläge:

  • Einführung einer weiteren Mutterschaft: Neben der Geburtsmutter soll künftig auch eine weitere Frau kraft Ehe oder Anerkennung Mutter werden können. Ergänzend soll es Übergangslösungen für Kinder geben, die nach Einführung der „Ehe für alle“ geboren wurden und noch nicht adoptiert worden sind.

  • Elternschaftsvereinbarungen: Künftig soll es möglich sein, durch beurkundete Vereinbarung rechtssicher zu bestimmen, wer – neben der Geburtsmutter – zweiter Elternteil des Kindes wird. Das kann eine Frau oder ein Mann sein. Der leibliche Vater kann dem Kind vertraglich sogleich als rechtlicher Vater zugeordnet werden oder auch auf seine rechtliche Vaterschaft verzichten.

  • Anfechtung der Vaterschaft: Die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft – und zukünftig allgemein der Elternschaft – soll von bisher zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt werden.

  • Auflösung der Elternschaft: Im Einvernehmen mit der Geburtsmutter soll der Ehemann bzw. die Ehefrau der Geburtsmutter in den ersten Wochen nach der Geburt des Kindes durch gemeinsame Erklärung vor dem Standesamt und Vorlage bestimmter Nachweise die Auflösung seiner bzw. ihrer Elternschaft bewirken können.

  • Kenntnis der eigenen Abstammung: Es soll ein familiengerichtliches Feststellungsverfahren für das Kind eingeführt werden, mit dem die leibliche Abstammung festgestellt werden kann, ohne dass zuvor die rechtliche Vaterschaft angefochten werden muss.

Die Bundesrechtsanwaltskammer hat die Reformpläne bereits begrüßt, macht aber aus Sicht der familienrechtlichen Praxis einige Änderungsvorschläge. So sieht es die BRAK im Bereich des Abstammungsrechts zwar positiv, dass mittels Elternschaftsvereinbarungen ein neuer abstammungsrechtlicher Zuordnungstatbestand geschaffen werden soll. Sie schlägt aber Verbesserungen im Detail vor. Sie kritisiert ferner, dass die Eckpunkte sich nicht zur Leihmutterschaft äußern, obwohl hier aufgrund der gesellschaftlichen und medizinischen Entwicklung Reformbedarf auch in Deutschland besteht und obwohl der Koalitionsvertrag vorsieht, Möglichkeiten zur Legalisierung der altruistischen Leihmutterschaft zu prüfen.

Im Bereich des Kindschaftsrechts begrüßt die BRAK die angedachten Änderungen für das Sorgerecht und das Umgangsrecht ebenfalls grundsätzlich. Für problematisch hält sie allerdings die Möglichkeit, durch Vereinbarung der Eltern unter Einbeziehung des Jugendamts die alleinige Sorge eines Elternteils festzulegen oder aber die gemeinsame Sorge wiederherzustellen. Positiv sieht die Kammer, dass nunmehr die Anordnung des Wechselmodells im Umgangsverfahren kodifiziert werden soll; sie entspreche bereits der gängigen Praxis. Allerdings müssten aus ihrer Sicht zugleich auch flankierende Regelungen für den Kindergeldbezug und die steuerliche Geltendmachung von Freibeträgen für Alleinerziehende sowie für die Aktivlegitimation im Unterhaltsrecht getroffen werden.

Ausgesprochen begrüßt wird durch die BRAK, dass die Regelungen über die elterliche Sorge und das Umgangsrecht eine neue Struktur erhalten sollen. Aus Sicht der Anwaltschaft sollte dies jedoch verbunden werden mit einer Reform des Verfahrensrechts, um eine Grundlage für die Verbindung von Umgangs- und Sorgerechtsverfahren zu schaffen. Denn aus Sicht der Bürger, so die BRAK, sei die Unterscheidung zwischen beidem nicht nachvollziehbar.

[Quellen: BMJ/BRAK]

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…