Bereits anlässlich der Sommer-Konjunkturumfrage im vergangenen Jahr hatte der Bundesverband der Freien Berufe (BFB) den sich zuspitzenden Fachkräftemangel bei Freiberuflern beklagt (vgl. dazu ZAP 2023, 780). In den jetzt vorgelegten Ergebnissen der sog. Winter-Konjunkturumfrage gab der Verband keine Entwarnung: Es gebe eine „enorme Fachkräftelücke“, kommentierte BFB-Präsident Friedemann Schmidt die Resultate der jüngsten Umfrage. Mittlerweile fehlten den Freien Berufen rund 160.000 Fachkräfte, 53.000 angestellte Berufsträgerinnen und Berufsträger sowie 50.200 Auszubildende. Das seien in Summe rund 263.200 Mitarbeiter – eine immense Fachkräftelücke gemessen an den insgesamt rund 4,6 Mio. Beschäftigten in den freiberuflichen Teams.
Der Fachkräftemangel sei bereits tief in die Praxen, Kanzleien, Büros und Apotheken vorgedrungen, beobachtet der BFB. Die Mangelerscheinungen gewönnen mehr und mehr an Wucht, sowohl im Großen und Ganzen, da das Potenzial des betreffenden freiberuflichen Angebots nicht voll entfaltet werden könne als auch im persönlichen Umgang mit Patienten, Mandanten und Klienten. Auch wenn sich die Freiberuflerinnen und Freiberufler gemeinsam mit ihren Teams – oft auch „weit über Anschlag“ – und bei steigender Arbeitsbelastung gegen den Trend stemmen würden, hätten gut zwei Drittel der Befragten Aufträge, Behandlungen, Mandate etc. bereits ablehnen müssen. Mehr als jede/jeder Vierte der Befragten erwarte, das vertraute Spektrum höchstens noch ein Jahr erbringen zu können, berichtet der Freiberuflerverband.
Er befürchtet zudem, dass sich dieses „Vakuum“ noch ausweiten wird. Den Grund dafür sieht er darin, dass es immer länger dauert, bis eine Kandidatin bzw. ein Kandidat eingestellt werden kann. Durchschnittlich dauert die Personalsuche bei den Freien Berufen derzeit zehn Monate und dürfte sich weiter verlängern. Laut Umfrage gehen diejenigen, die derzeit Personal einstellen wollen, davon aus, dass sie durchschnittlich 15 Monate suchen werden. Der Anteil derer, die damit rechnen, künftig weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beschäftigen, ist aktuell nochmals um 6,1 Prozentpunkte auf 27,5 % geklettert. Mit einem gleichbleibenden Mitarbeiterstamm rechnen 55,4 % der Befragten.
Aus Sicht der Befragten sollte deshalb insbesondere politisch gegengesteuert werden. Sie fordern, dass in den freiberuflichen Praxen, Kanzleien, Büros und Apotheken gerade die Ressource Zeit geschont wird, um davon eben mehr für Patientinnen, Mandanten, Klientinnen und Kunden zu haben. Im Schnitt wenden die Befragten 27 % ihrer Wochenarbeitszeit für bürokratische Tätigkeiten auf, die nicht zu den Kernaspekten ihrer freiberuflichen Tätigkeit zählen. Mehrheitlich sprechen sie sich zudem dafür aus, die schulische Berufsorientierung zu stärken und eine bessere schulische Qualifikation zu fördern, um junge Menschen gemäß ihren Talenten auf ihrem Weg in die Berufs- und Arbeitswelt zu begleiten.
Das Gesamtergebnis der aktuellen Konjunkturumfrage fasst BFB-Präsident Schmidt wie folgt zusammen: „Ein hohes Kostenniveau, ein kritisches Marktumfeld auch aufgrund der steigenden Gesamtzahl von Insolvenzen sowie innenpolitische Unwägbarkeiten dämpfen die Zuversicht der Freiberuflerinnen und Freiberufler. Überdies arbeiten mehr und mehr von ihnen gemeinsam mit ihren Teams über Anschlag. Betroffen ist derzeit fast jede(r) zweite Freiberufler(in). Im Vorwinter war es rund jede(r) Dritte. Weiterhin schätzt nur rund jede(r) dritte Befragte ihre/seine aktuelle Geschäftslage als gut ein. Und nicht einmal jede(r) Zehnte erwartet im kommenden Halbjahr eine günstigere Entwicklung.“
[Quelle: BFB]