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Empfehlungen des 62. Deutschen Verkehrsgerichtstags

Vom 24. bis zum 26. Januar tagte in diesem Jahr der 62. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar. Die Experten beschäftigten sich aktuell u.a. mit verkehrsstrafrechtlichen Themen und schadensrechtlichen Fragestellungen. Von der Öffentlichkeit besonders aufmerksam verfolgt wurde die Diskussion rund um die Frage, ob der Tatbestand der Unfallflucht einer Reform bedarf. Wie immer sprachen die Verkehrsrechtsexperten am Ende konkrete Empfehlungen an den Gesetzgeber aus. Die wichtigsten Vorschläge des diesjährigen Verkehrsgerichtstags sind nachfolgend kurz skizziert.

  • Reformbedarf bei Trunkenheitsfahrten

Die Experten stellten einen eindeutigen Reformbedarf bei Trunkenheitsfahrten fest. Alkohol- und Drogeneinfluss seien häufige Ursachen für Verkehrsunfälle, resümierten sie. Deshalb plädierte eine Mehrheit für die Einführung einer Einziehungsmöglichkeit für genutzte Fahrzeuge bei Trunkenheitsfahrten nach §§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, 316 StGB. Dabei solle die Einziehung nicht nur auf Vorsatztaten beschränkt sein und auch nicht an Grenzwerten festgemacht werden. Eine Einziehung solle auch möglich sein, wenn das Fahrzeug nicht im Eigentum des Täters stehe (§ 74a StGB). Ob bei einer solchen Einziehung nur die Rechtsfolge des § 74a StGB eintreten sollte oder ob auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm erfüllt sein müssten, soll Gegenstand weiterer Erörterungen in der Rechtswissenschaft und im Gesetzgebungsverfahren zur neuen Einziehungsnorm sein, schlug der zuständige Arbeitskreis vor.

  • Ahndung des sog. Punktehandels

Die Experten bemängelten, dass Verschleierungshandlungen im Zuge des sog. Punktehandels bzw. der Punkteübernahme die Wirkung bußgeldrechtlicher Sanktionen schwächen. Sie würden u.a. die Funktion des Fahreignungsregisters, wiederholt mit gravierenden Verkehrsverfehlungen aufgetretene Kraftfahrer ggf. von der Teilnahme am Straßenverkehr ausschließen zu können, untergraben. Ferner seien sie geeignet, die staatliche Rechtspflege zu beeinträchtigen. Dies gelte insbesondere für im Internet aggressiv beworbene „Geschäftsmodelle“ von gewerblich tätigen „Punktehändlern“. Gleichwohl würden die Beteiligten nach derzeitigem Rechtsstand i.d.R. sanktionslos ausgehen. Die Fachleute empfahlen deshalb dem Gesetzgeber, solchen Verschleierungshandlungen durch die Schaffung effektiver Sanktionsvorschriften entgegenzuwirken, die auch die Verhängung von Fahrverboten gegen die tatsächlichen Fahrzeugführer und die Eintragung sowie Bewertung im Fahreignungsregister ermöglichen. Die entsprechenden Internetangebote sollten unterbunden werden. Ein Angehörigenprivileg solle geprüft werden.

  • Reform der Unfallflucht

Eine differenzierte Empfehlung gaben die Experten hinsichtlich einer möglichen Reform der Unfallflucht ab. Den Reformvorschlag, den bisherigen Straftatbestand (§ 142 StGB) zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen, lehnte die Mehrheit der Fachleute im zuständigen Arbeitskreis zwar ab. Auch nach Unfällen mit reinen Sachschäden solle das unerlaubte Entfernen vom Unfallort weiterhin strafbar bleiben, war ihr Votum. Allerdings empfahl der Arbeitskreis, die Vorschrift an anderer Stelle zu reformieren. Der Gesetzgeber solle u.a. eine Mindestwartepflicht festschreiben. Zudem sollten Unfallbeteiligte ihren Verpflichtungen am Unfallort bzw. den nachträglichen Mitwirkungspflichten auch durch Information bei einer einzurichtenden, zentralen und neutralen Meldestelle nachkommen können. Bei dieser müssten alle für die Schadensregulierung notwendigen Angaben hinterlassen werden. Zudem solle die Begrenzung auf Unfälle außerhalb des fließenden Verkehrs künftig entfallen.

  • Unfallfolgen – Haushaltsführungsschaden

Der zuständige Arbeitskreis stellte fest, dass die Anforderungen an die Substantiierung eines Haushaltsführungsschadens bei den Gerichten bundesweit sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Eine Vereinheitlichung erscheine deshalb wünschenswert, so der zuständige Arbeitskreis. Dabei kommt eine pauschalierte Bemessung des Haushaltsführungsschadens nach Auffassung der Experten nicht in Betracht. Vielmehr wollen sie an einer konkreten Bezifferung anhand der individuellen Verhältnisse des Einzelfalles festhalten. Tabellen zum Umfang des Haushaltsführungsschadens als Hilfsmittel zur Plausibilitätsprüfung erachten sie dabei weiterhin als hilfreich; diese dürften jedoch nicht die konkrete Darlegung des Schadens ersetzen. Eine Verbesserung der Tabellen im Hinblick auf die Aktualität des Datenmaterials und die Repräsentativität bei der Datenermittlung erscheine sinnvoll, so die Mehrheit der Fachleute. Deshalb fordern sie in ihrer Empfehlung die Bundesregierung auf, im Rahmen der ohnehin stattfindenden Befragungen (Zeitverwendungserhebung ‒ ZVE) sowohl die Tätigkeiten, welche die Haushaltsführung betreffen, spezifischer auszuwerten als auch die Erhebungsabstände zu verkürzen.

  • Vorschäden und Schadensgutachten

Die Experten im zuständigen Arbeitskreis waren der Auffassung, dass die Anforderungen an den Vortrag des Geschädigten zu Vorschäden in der Praxis „oftmals weiterhin überspannt“ werden; darüber hinaus werde auch zu selten von der Möglichkeit der Schätzung eines Mindestschadens Gebrauch gemacht. Erhebliche Probleme bestünden auch im vorgerichtlichen Bereich der Schadensregulierung. Die Fachleute sprachen sich deshalb dafür aus, dass das Schadensgutachten den Schaden und den Reparaturweg umfassend und nachvollziehbar dokumentieren müsse. Hierzu gehöre auch eine qualifizierte Aussage zum Vorhandensein von Vorschäden und deren etwaiger Reparatur. Der Versicherer solle seine Einwände zu Vorschäden frühzeitig und nicht erst im Prozess konkretisieren.

  • Passagierrechte bei „multimodalen Reisen“

Der Verkehrsgerichtstag befasste sich aktuell auch mit den Rechten von Reisenden, die auf dem Weg zum Urlaubsziel mehrere Verkehrsmittel buchen (müssen), sog. Reiseketten. Das betrifft etwa Passagiere von Kreuzfahrtschiffen, die auf dem Weg zu ihrem Schiff zunächst die Bahn zu einem Flughafen und von dort einen Flug zum Seehafen benutzen. Für verpasste Anschlüsse bei solchen Reiseketten oder „multimodalen Reisen“, so die Experten des zuständigen Arbeitskreises, existieren bislang keine gesonderten Regelungen. Die EU-Kommission hat aber bereits angekündigt, demnächst hierzu eine EU-Verordnung vorzulegen; einige Empfehlungen hierfür wollte der Verkehrsgerichtstag der Kommission allerdings schon mit auf den Weg geben. So sprach er sich dafür aus, dass Entschädigungen gewährt werden sollten, wenn der Passagier aufgrund eines verpassten Anschlusses die Reise abbricht. Auch empfahl er, Entschädigungen für den Fall vorzusehen, dass der Passagier seine Reise fortsetzt und eine erhebliche Ankunftsverspätung am Endziel erleidet. Die Höhe der Entschädigung solle sich am Ticketpreis orientieren.

[Quelle: VGT]

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