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Differenziertes Sachverständigenecho zu Änderungen im Völkerstrafrecht

Anfang vergangenen Jahres hatte Bundesjustizminister Buschmann Änderungen zum nationalen Völkerstrafrecht auf den Weg gebracht. Damit beabsichtigt der Minister, Strafrechtslücken zu schließen, die er u.a. bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen und Menschenhandel ausgemacht hat (vgl. näher dazu ZAP 2023, 259 f.). Zu dem nun vorgelegten Gesetzentwurf fand Ende Januar eine Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags statt. Die geladenen Experten bewerteten die geplanten materiell-rechtlichen Änderungen überwiegend positiv; zu den strafprozessualen Aspekten gab es jedoch auch kritische Stimmen.

Eine Expertin des Deutschen Juristinnenbundes begrüßte die geplanten Neuregelungen. Sie würden zu „mehr Geschlechtergerechtigkeit“ im Völkerstrafgesetzbuch führen, war die Sachverständige überzeugt. Eine Professorin von der Universität Bremen ging u.a. auf den neuen Straftatbestand zum Verschwindenlassen von Personen ein. Damit werde zum einen das Internationale Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen umgesetzt, zum anderen eine formelle Strafbarkeitslücke geschlossen, bekräftigte sie. Auch kriminalpolitische Erwägungen sprächen für die Schaffung eines selbstständigen Tatbestandes. Allerdings attestierte sie dem Entwurf – wie auch andere Sachverständige – eine Umsetzungslücke aufgrund einer Fokussierung auf die Tathandlung des Verschleierns. In strafprozessualer Hinsicht begrüßte sie die geplante Ton- und Videoaufzeichnung von Verhandlungen. Die dagegen vorgebrachten Bedenken hinsichtlich des Aussageverhaltens von Opferzeugen müssten zwar ernst genommen werden; die Bedenken ließen sich aber durch Schutzmechanismen minimieren.

Eine gegenteilige Meinung zu diesem Punkt vertrat ein Bundesanwalt vom Bundesgerichtshof. Die geplante Neuregelung trage dem Zeugen- und Opferschutz nicht hinreichend Rechnung, führte der Sachverständige aus. Schon jetzt könnten Verhandlungen aufgezeichnet werden. Die geplante Verwendung für wissenschaftliche und historische Zwecke sei unklar. Einmal erfolgte und weitergegebene Aufzeichnungen seien schlichtweg nicht mehr zu kontrollieren, so der Bundesanwalt. Diese Unsicherheit werde viele Zeugen von einer umfassenden und wahrheitsgemäßen Aussage spätestens in der Hauptverhandlung abhalten, prognostizierte er. Dieser Auffassung war auch ein Richter vom Oberlandesgericht in Düsseldorf. Er sah zudem die Neuregelung der Nebenklagebefugnis kritisch: Es’sei „dringend erforderlich“, diese weiter einzuschränken, um den Kreis der möglichen Nebenkläger zu beschränken.

Eine Lanze für die Nebenklage brach hingegen ein geladener Rechtsanwalt, der das „European Center for Constitutional and Human Rights“ in Berlin vertrat. Der Sachverständige verwies auf Verfahren in Völkerstrafsachen, in denen die Nebenklage „essenzielle Beiträge“ geliefert habe. Entsprechend kritisierte er aus seiner Sicht einschränkende Regelungen in dem Entwurf. Ebenso wie einige andere Sachverständige forderte er, auch Opfern von Kriegsverbrechen gegen das Eigentum den Zugang zur Nebenklage zu ermöglichen.

Von mehreren Sachverständigen aufgegriffen wurde das Thema der „funktionellen Immunität“. Dieser Aspekt sei in dem Entwurf nicht geregelt worden, aber zentral für die Verfolgung von Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch, meinte etwa ein Professor von der Georg-August-Universität Göttingen. Er schlug vor, im Völkerstrafgesetzbuch eine gesetzliche Klarstellung vorzunehmen, nach der die funktionelle Immunität in diesen Fällen keine Anwendung finde.

[Quelle: Bundestag]

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