Eine von der Bundesregierung geplante Änderung des Deutschen Richtergesetzes war Mitte Januar Thema einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags. Laut Gesetzentwurf sollen ehrenamtliche Richter, also Schöffinnen und Schöffen, künftig zwingend nicht berufen werden dürfen, wenn an ihrer Verfassungstreue Zweifel bestehen (vgl. zu dem Vorhaben auch ZAP 2023, 216). Mit der Regelung soll nach dem Willen der Bundesregierung explizit ein politisches Zeichen gesetzt werden, da rechte und rechtsextreme Gruppen ihre Anhänger seit einiger Zeit dazu aufrufen, sich als Schöffinnen oder Schöffen zu bewerben.
Die eingeladenen Experten begrüßten das Vorhaben einhellig, machten teilweise aber auch auf mögliche revisionsrechtliche Probleme aufmerksam. So erläuterte ein Richter vom Bundesverwaltungsgericht, es bestünden zwar keine verfassungsrechtlichen Bedenken, die bereits geltende Rechtslage ausdrücklich zu kodifizieren. Soweit die Begründung des Gesetzentwurfs allerdings darauf fuße, dass die Neuregelung in § 44a Abs. 1 GVG zur Konsequenz habe, dass im Strafverfahren das Gericht bei einem Verstoß gegen ein Berufungshindernis fehlerhaft besetzt wäre und dies zu einem absoluten Revisionsgrund im Sinne der Strafprozessordnung führe, löse dies „ein gewisses verfassungsrechtliches Unbehagen“ aus. Die Rechtsgemeinschaft müsse darauf vertrauen können, dass gerichtliche Entscheidungen grundsätzlich Bestand hätten.
Auch ein Strafrechtsprofessor von der Universität Augsburg bewertete die geplante Regelung als „absoluten Revisionsgrund“. Künftig seien Strafverfahren mit der „Dauergefahr“ belastet, dass sie wegen eines fehlerhaft berufenen Schöffen wiederholt werden müssten. Diese Einschätzung teilte auch ein Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof. Er schlug deshalb vor, die geplante Regelung als Soll-Vorschrift auszugestalten und in der Begründung des Gesetzes ausdrücklich hervorzuheben, dass die fehlende Verfassungstreue einer Schöffin oder eines Schöffen nicht die Möglichkeit einer Besetzungsrüge im Strafverfahren eröffne.
Auf die möglichen Folgen eines absoluten Revisionsgrundes für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit wies ein Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hin. Dies sei „nicht hilfreich“, gerade auch im Hinblick auf eine mögliche Nichtigkeitsklage, dass also rechtskräftige Urteile innerhalb von fünf Jahren noch angegriffen werden könnten. Im Entwurf werde zwar die Schaffung eines Revisionsgrunds für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit verneint, dies sei aber nicht zwingend. Deswegen plädiere der DGB dafür, diesbezügliche Unsicherheiten zu verhindern und bei der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit einen Revisionsgrund zwingend auszuschließen.
Andere Experten befürworteten den Gesetzentwurf ebenfalls dem Grunde nach, sprachen sich aber für noch weitergehende Änderungen aus. Die geplanten Regelungen müssten mit „weiteren Maßnahmen für eine resilientere Justiz“ kombiniert werden, forderte eine Sachverständige. Die Expertin vom Deutschen Anwaltverein regte an, dass angesichts der derzeitigen „Inkonsistenzen“ auf längere Sicht eine Harmonisierung aller Regelungen über ehrenamtliche Richterinnen und Richter sinnvoll und lohnend sei.
[Quelle: Bundestag]