Strafrecht 2022 #02

StRR-Kompakt 02.
Besetzungsrügenverfahren: Verfassungsbeschwerde Die Entscheidung eines Tatgerichts, einem Besetzungseinwand nicht abzuhelfen und das Verfahren nach § 222b Abs. 3 S. 1 StPO dem Rechtsmittelgericht vorzulegen, ist als reines Verfahrensinternum nicht gesondert mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar. Der im Besetzungsrügenverfahren ergangene Beschluss des OLG ist hingegen gesondert mit der Verfassungsbeschwerde angreifbar. BVerfG, Beschl. v. 16.12.2021 – 2 BvR 2076/21 u. […]
Verwertung nicht verlesener Urkunden und Rechtsbeschwerde
Wird beanstandet, das Tatgericht habe den Inhalt in der Hauptverhandlung nicht verlesener Urkunden verwertet, so gehört zur ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge nicht nur die Behauptung, dass die Urkunde nicht verlesen worden, sondern auch die Darlegung, dass der Inhalt der Urkunde nicht in sonst zulässiger Weise eingeführt worden sei. (Leitsatz des Verfassers) OLG Koblenz, Beschl. v. […]
Anspruch auf Einsichtnahme in Messunterlagen („Lebensakte“)
Bei einer Verteidigung gegen einen Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung sind dem Betroffenen u.a. die Unterlagen zu Wartungen oder Reparaturen an dem verwendeten Messgerät, die zum Teil auch als „Lebensakte“ bezeichnet werden, vorzulegen. (Leitsatz des Verfassers) VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 13.12.2021 – VGH B 46/21 I. Sachverhalt Das AG hat den Betroffenen am 23.9.2020 wegen fahrlässiger […]
Zum Konkurrenzverhältnis zwischen § 370 Abs. 3 AO und § 263 Abs. 5 StGB
Entgegen der Rechtsauffassung des OLG Frankfurt a.M. (Beschl. v. 9.3.2021 – 2 Ws 132/20, NZWiSt 2021, 229) verdrängt der Straftatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) auch den Verbrechenstatbestand des bandenmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 5 StGB). Andernfalls würde nämlich die Möglichkeit zur Selbstanzeige nach § 371 AO genommen. Zudem ist außerhalb von Cum-ex-Konstellationen auch in Fällen der Alltagskriminalität oftmals […]
Einordnung eines Impfausweises als Gesundheitszeugnis
1. Ein Impfausweis stellt erst dann ein Gesundheitszeugnis i.S.d. §§ 277–279 StGB dar, wenn er einen konkreten individualisierbaren Menschen erkennen lässt. 2. Die §§ 277–279 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung beinhalten eine abschließende spezialgesetzliche Regelung über die Strafbarkeit des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen, welche den Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 267 StGB sperrt. 3. Bei […]
Ordnungsmaßnahme gegen sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt
Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt wegen der Weigerung, in der Sitzung eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, ist zulässig. (Leitsatz des Verfassers) OLG Oldenburg, Beschl. v. 3.1.2022 – 2 Ss (OWi) 240/21 I. Sachverhalt Keine Maske in der Hauptverhandlung Das AG hat den Betroffenen, einen Rechtsanwalt, wegen eines Verstoßes gegen eine Allgemeinverfügung […]
(Zulässige) Unterrichtung des Beschuldigten über den Akteninhalt durch den Verteidiger
Der Verteidiger ist in der Regel berechtigt und sogar verpflichtet, dem Beschuldigten zu Verteidigungszwecken mitzuteilen, was er aus den Akten erfahren hat. Es ist ihm daher nicht schlechthin verboten, seinen Mandanten über drohende Zwangsmaßnahmen zu informieren und ihm etwa auch darauf gerichtete, aus den Akten ersichtliche Schritte mitzuteilen. (Leitsatz des Verfassers) OLG Jena, Beschl. v. […]
Vernehmung des gestellten Zeugen
Entscheidet sich das Tatgericht aufgrund seiner Aufklärungspflicht dafür, einen von dem Betroffenen mitgebrachten („sistierten“) Zeugen zu vernehmen, so muss es bei Auftreten erheblicher Verständigungsprobleme einen Dolmetscher hinzuziehen. Bricht es hingegen die Vernehmung aufgrund der Verständigungsprobleme ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers ab, so ist der absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO erfüllt. (Leitsatz des Gerichts) OLG Celle, […]
Beschäftigungsverbot für Schöffin und gesetzlicher Richter
Das einer Schöffin ausgesprochene ärztliche Beschäftigungsverbot nach § 16 Abs. 1 MuSchG führt nicht zu einer gesetzeswidrigen Gerichtsbesetzung. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Urt. v. 30.9.2021 – 5 StR 161/21 I. Sachverhalt Schöffin erhält Beschäftigungsverbot In laufender Hauptverhandlung wurde für die schwangere Schöffin H durch den Betriebsarzt ihres Arbeitgebers zunächst ein ärztliches Beschäftigungsverbot nach § 16 MuSchG bezüglich „jede(r) […]
Verletzung der Mitteilungspflicht
Mitteilungspflicht besteht, sobald Gespräche zum Verfahrensergebnis in Verbindung mit dem prozessualen Verhalten geführt werden. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 15.12.2021 – 6 StR 558/21 I. Sachverhalt Das LG hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Dagegen erfolgte die Revision des Angeklagten, mit der eine Verletzung der Mitteilungspflichten […]
(Verständigungs-)Gespräche in der Hauptverhandlung
In der Hauptverhandlung geführte Gespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten unterliegen nur dann der sich aus § 243 StPO ergebenden Mitteilungspflicht, wenn eine synallagmatische Verknüpfung zwischen einem Prozessverhalten des Angeklagten und einem in Aussicht genommenen Verfahrensergebnis hergestellt worden ist. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 28.9.2021 – 5 StR 140/21 I. Sachverhalt Verurteilung Das LG hat den Angeklagten […]
Vorsicht Falle: Pflicht zur elektronischen Übermittlung seit dem 1.1.2022 (§ 32d StPO)
I. Grundlagen Durch das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.2017 (BGBl I, 2208, hierzu Kassebohm, StraFo 2017, 393) hat der Gesetzgeber durch Einführung der §§ 32 ff. StPO die Grundlagen für die elektronische Akte und die elektronische Kommunikation im Strafverfahren gelegt. Hierdurch sollte der technische Fortschritt […]
Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG bei Einziehung des Führerscheindokuments
Die bloße anwaltliche Beratung darüber, dass im Falle der Wiedererteilung ein neues Führerscheindokument ausgegeben wird und das mit Rechtskraftentziehung der Fahrerlaubnis das Führerscheindokument abzuliefern ist, führt noch nicht zum Anfall der Nr. 4142 VV RVG. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich die anwaltliche Tätigkeit und Beratung spezifisch auf Fragen im Zusammenhang mit dem Führerscheindokument richtet. (Leitsatz […]

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