Ich denke mit 14 Monatsgehälter, die mindestens die 3.000 EUR brutto überschreiten, 4 Tage Woche, Home Office, ergonomischen Arbeitsplatz, zwei Bildschirme, das Firmenhandy und den Firmenlaptop, eine kostenlose Fahrkarte oder noch besser gleich den Dienstwagen, 35 Tage Urlaub, einen Obstkorb und den kostenlosen Kaffee, sollten Sie auf jeden Fall jede Fachangestellte bekommen.
Sie meinen, dass ist ein bisschen überspitzt? Nun gut, manchmal neige ich ein wenig zu Übertreibungen, aber soweit von der Realität sollten einige Punkte nicht entfernt sein.
Doch da ich Ihnen in meinem letzten Artikel die grauenhafte Zukunft ohne Fachangestellte vorgestellt habe, möchte ich Sie nun nicht im Regen stehen lassen und Ihnen einige Dinge aufzeigen, die neben den ganzen Softskills, Sozialleistungen und Gehältern für Ihre Fachangestellten eine Rolle bei der Auswahl ihrer Stelle spielen.
Dazu haben wir in meinem Artikel “Hilfe ich bin ReNo – was soll ich nur tun?” Ihre Fachangestellten gefragt, was ihnen an ihrem Beruf am meisten gefällt. In dem Artikel geht es insgesamt darum, was Ihre Fachangestellten so alles können und worauf sie zurecht stolz sein können (möglicherweise ist dieses Wissen für Sie ja auch interessant).
Bei der Umfrage kam heraus, dass Ihre Fachangestellten an ihrem Beruf besonders die Möglichkeit des selbstständigen Arbeitens schätzen. Darüber hinaus lieben Ihre Fachangestellten die Vielseitigkeit und das juristische Fachwissen an ihrem Beruf.
Doch wie können Sie dieses Wissen nun in der Praxis nutzen und möglicherweise auch noch fördern?
Selbstständiges Arbeiten
Grundsätzlich ist es in einer Kanzlei von Rechtswegen ja nun einmal so, dass viele Aufgaben und Tätigkeiten engmaschig vom Berufsträger/von der Berufsträgerin überwacht werden müssen.
Dies wiederum führt dazu, dass selbstständiges Arbeiten häufig direkt blockiert wird, in dem alles diktiert wird. Sei es klassisch mit Diktiergerät und vom (elektronischen) Band schreiben oder modern per Spracherkennung.
Doch was können Sie gegen die Blockade der Selbstständigkeit tun, ohne Ihre Pflichten als Berufsträger und Berufsträgerinnen zu vernachlässigen?
Überlassen Sie doch einfach das Aufsetzen von Standardschreiben Ihren Fachangestellten und übernehmen Sie lediglich die notwendige Überprüfung.
Denn gerade in den klassischen Fachgebieten gibt es viele Fachangestellte, die Ihre Briefe sowieso schon im Schlaf aufsagen können – mit Punkt und Komma.
Wobei die Standardschreiben sollten Sie am besten gleich als Formbrief und Formrechnung in Ihrem aktuellen, sehr guten Anwaltsprogramm hinterlegen, so dass dies direkt mit den passenden Daten gefüllt aufgerufen und im Speziellen auf den einzelnen Fall angepasst werden kann.
Doch dies brauchen in der Regel nicht Sie machen, das kann Ihre Fachangestellte direkt selbst übernehmen, genauso wie die Pflege und Verwaltung der Formschreiben und Rechnungen.
Außerdem können Sie getrost den Fachangestellten die Organisation und Verwaltung des Büros überlassen, die Zwangsvollstreckung, die Unfallsachbearbeitung, die Abrechnung, die Stellung der PKH-/VKH-Anträge und die dazugehörigen Mandantengespräche gleich mit.
Mit all diesen Möglichkeiten zum selbstständigen Arbeiten können Sie Ihre Fachangestellten eine große Freude machen.
Allerdings möchte ich Ihnen auch nicht verheimlichen, dass es natürlich eine Arbeitsweise ist, die nicht jede bzw. jeder Fachangestellte gelernt hat bzw. nicht jeder und jedem Fachangestellten liegt. Manche von uns brauchen klarer Strukturen, Vorgaben und möglicherweise auch das Diktat, andere wiederum können Sie mit ein bisschen investierter Zeit und ein bisschen gut investiertem Geld genau an diesen Punkt bringen.
Der Output ist unbezahlbar für Sie.
Vielseitigkeit des Berufes
Wenn man uns Fachangestellte lässt, toben wir uns gerne in all den Facetten, die wir gelernt haben und in all den Möglichkeiten unseres Berufes aus.
Die eine in der Welt der Zwangsvollstreckung, der andere in der Welt der Unfallsachbearbeitung, die nächste im Bereich der Organisation und des Fristenmanagements und wieder andere im Bereich des Familienrechts. Und dann gibt es noch die, die in allen Bereichen gerne mitmischen und spezialisierte Generalisten werden, so wie ich.
Das heißt, es gibt wenige von uns, die es bevorzugen, den ganzen lieben langen Tag nur immer dieselbe Tätigkeit zu machen und am Ende glücklich sagen, ich habe nun 10 Klagen geschrieben und 10 einfache RVG-Rechnungen und bin vollkommen zufrieden und glücklich und gehe erfüllt nach Hause.
Deswegen schauen Sie bei der Organisation Ihrer Kanzlei danach, dass sich Ihre Fachangestellten austoben können, in der kompletten Vielfalt ihrer Fähigkeiten. Binden Sie Ihre vorhandenen Fachangestellten mit ein, wenn es darum geht, was sie am liebsten arbeiten und suchen Sie bei der zu besetzenden Stellen gezielt nach Fachangestellten, die sich für den Bereich interessieren, für den Sie gerade jemanden suchen.
Allein die Möglichkeit, sich und seine Vorlieben ausleben zu können, macht für viele Fachangestellte den Unterschied
Aber widerspricht das nicht gerade dem Grundsatz des Auslebens der Vielseitigkeit?
Ja und Nein.
Denn einen Bereich wie z.B. die Zwangsvollstreckung (ZV) zu betreuen, bedeutet ja nicht immer die gleiche Arbeit auf dem Tisch zu haben, sondern eine Vielfalt an Thematiken und Fällen, die zu der ZV führen, die im Laufe der ZV anfallen und die zu unterschiedlichsten Ergebnissen führen. Also bleibt es vielseitig, auch wenn es nur ein Themenbereich ist.
Anders sieht es aus, wenn eine Kraft immer nur Mahnbescheide ausfüllen soll und eine weitere immer nur die ZV-Aufträge an den Gerichtsvollzieher gibt, dann wird es einseitig und eintönig.
In einer kleineren oder mittelständischen Kanzlei macht es häufig Sinn, mit spezialisierten Generalisten zu arbeiten. Das heißt, die Fachangestellten, die Sie einstellen, können alles was in Ihr Rechtsgebiet fällt, können aber auch ZV, Organisation, Fristnotierung und ggf. sogar noch Buchhaltung und Verwaltung (wie z.B. Bestellung von Büromaterial oder Koordination von externen Dienstleistungen).
Und diese Kräfte machen Sie glücklich, in dem Sie ihnen das Vertrauen schenken, im Team ihre Stärken und Schwächen zu leben und die Aufgaben entsprechend zeitlich gemanagt, durcheinander und vielfältig abzuarbeiten.
Wichtig ist es auch, sich klar zu machen, was Sie in Ihrer Kanzlei brauchen und sehr gezielt danach zu suchen.
Auch wenn spezialisierte Generalisten gefühlt am liebsten eingestellt werden, weil sie überall hineinspringen können, ist es häufig sinnvoll, jemanden, der sich auf ein breitgefächertes Spezialgebiet fokussiert hat, einzustellen. Manchmal kann es sogar sinnvoll sein, jemanden einzustellen, der bereit ist, nur eine bestimmte Tätigkeit wiederholt abzuarbeiten.
Haben Sie dann einen spezialisierten Generalisten eingestellt und setzen ihn/sie dann nur in einem Gebiet ein, kann es Ihnen schnell passieren, dass diese Person ganz schnell wieder geht, weil sie sich eingeschränkt fühlt.
Juristisches Fachwissen
Sie können beruhigt aufatmen, das was Ihnen möglicherweise am Wichtigsten ist, nämlich das juristische Fachwissen, landet immerhin auf Platz drei von sechs und gehört damit auch zu den Dingen, die Fachangestellte brauchen, um in ihrem Beruf glücklich zu sein.
Und möglicherweise ist es für viele auch viel zu selbstverständlich, als dass es in einer Umfrage noch extra genannt werden müsste.
Tatsächlich sollten wir aber noch einmal darüber reden, was das für Sie bedeutet
Wenn Sie eine oder natürlich am besten gleich mehrere, zufriedene, glückliche Fachangestellte in Ihrer Kanzlei haben wollen, dann sollten Sie also nicht nur dafür sorgen, dass diese selbstständig und vielseitig arbeiten können, sondern vor allem auch, dass sie ihr gelerntes, breitgefächertes Fachwissen auch anwenden können.
Denn, ganz wichtig ist es, zu erkenne, was Fachangestellte alles können und lernen. Dafür lohnt sich auch ein regelmäßiger Blick in die Ausbildungsverordnungen, den Rahmenplan oder noch besser der Austausch mit Ihren und auch anderen Fachangestellten.
So reichen unsere Fähigkeiten von der Aktenanlage bis zur Zwangsvollstreckung. Wussten Sie zum Beispiel, dass Ihre Fachangestellte gelernt hat, Klagen selbst zu verfassen? Oder Ihnen Ihre Rechtsfachwirtin, die Personalführung und die Organisation abnehmen und Ihnen ggf. auch bei der betriebswirtschaftlichen Auswertung helfen kann? Also Ihnen viel von dem Abnehmen kann, wofür Sie überhaupt keine Zeit haben?
Das heißt, wenn Sie Ihren Fachangestellten, die Möglichkeit geben, selbstbestimmt, vielseitig zu arbeiten und dabei ihr Fachwissen voll zu nutzen, zu erweitern und zu vertiefen, dann werden Sie zufriedene und glückliche Fachangestellte haben (sofern die weiteren Umstände auch passen, selbstverständlich) und im Endeffekt selber einen riesigen Benefit und auch Profit davon haben. Nämlich indem Sie an vielen Stellen entlastet werden und mehr Mandate annehmen können oder möglicherweise auch einmal ein Wochenende nicht arbeiten müssen.
Deswegen: Reden Sie mit Ihren bereits vorhandenen Fachangestellten, was sie können, was sie gerne möchten und wo sie sich sehen. Bei Neueinstellungen prüfen Sie vorher, was Sie für eine Fachkraft benötigen und in welchem Bereich Sie sie einsetzen wollen.
Dann steht einer erfolgreichen Zusammenarbeit, einem Miteinander und einer Kanzlei in der sich alle wohlfühlen – angefangen bei Ihnen über Ihre Fachangestellten bis hin zu den Mandanten, nur noch die Umsetzung im Weg.