Juristische Schriftsätze, Aufsätze und Anwaltsschreiben sollten präzise formuliert sein. Eigentlich. In der Praxis schleichen sich jedoch nicht selten Stilfehler und sprachliche Marotten ein. Sie erschweren nicht nur die Verständlichkeit, sondern können den Leser im ungünstigsten Fall auch verwirren.
Jede Wette, dass Ihnen die folgenden Unarten bekannt vorkommen:
Unendliche Sätze – Wer kommt da noch mit?
Beginnen wir mit dem absoluten Klassiker: Juristen lieben Schachtelsätze. Und, ich ahne es: SIE auch! Zu Recht! Warum einen Punkt setzen, wenn man noch ein „sowie“, „insbesondere“ oder „indes“ einfügen kann? Alle Gedanken in einem Satz. Ist doch prima! So ein wortreiches Ungetüm kann sich wunderbar über mehrere Zeilen erstrecken. Wie Kaugummi. Als Wortakrobat merken Sie selbst: Das kann nicht gut sein. Dabei sind diese Sätze oft noch so formuliert, dass jedenfalls der juristisch ungeübte Leser zwischendrin irgendwann den Faden verliert. Kurzum: Suboptimal!
Tipp: Kürzen Sie. Weniger ist mehr. Statt eines langen Satzes können Sie immer auch zwei kurze formulieren. Versuchen Sie es mal. Das kann Wunder wirken, auch argumentativ.
Komma, wo bist Du? – „Kreative“ Zeichensetzung
Zeichensetzung ist eine Kunst. Zumindest erwecken einige Schriftsätze diesen Eindruck. Kommata werden nach Lust und Laune verteilt, während Punkte rar gesät sind.
„Macht nichts. Nur der Inhalt zählt.“ Meinen Sie? Ganz so locker sollten Sie es wirklich nicht sehen. Ihr Name als Anwalt sollte unter keinem Schreiben, Schriftsatz oder sonstigem Text stehen, der Grammatik- oder gar Rechtschreibfehler enthält. Wenn schon die Form nicht stimmt, weckt das auch Zweifel an einer soliden inhaltlichen Argumentation. Das gilt für alle in Ihrer Kanzlei Beschäftigten – ob Anwalt, Referendarin oder Sekretariat.
Tipp: Bringen Sie Struktur rein. Verwenden Sie nicht nur Kommata, sondern auch mal ein Semikolon oder Gedankenstriche. Aber: an der richtigen Stelle! Sie wissen nicht, wo? Lesen Sie hier oder hier nach!
Wer hat es versteckt, das geheimnisvolle Subjekt?
In juristischen Texten tauchen oft schemenhafte Subjekte auf: „Es wurde beschlossen“, „Man hat festgestellt“. Bringen Sie Licht ins Dunkel. Lüften Sie das Geheimnis. Wer genau ist „es“ oder „man“?
Tipp: keine Geheimniskrämerei. Subjekte eindeutig benennen.
… und ewig grüßt das Murmeltier
Wiederholungen sind das Salz in der Schriftsatz-Suppe, oder etwa nicht? Manche Kollegen scheinen davon überzeugt zu sein und wiederholen denselben Punkt in verschiedenen Varianten. Vielleicht in der Hoffnung, dass mehrfache Wiederholung zum Einlenken des Gegenübers führt?
Tipp: Bitte nicht unnötig Wiederkäuen.
Es wird beantragt … – Das Passiv-Aggressiv-Paradies
Das Passiv wird in Schriftsätzen und Briefen häufig genutzt, um einen sachlichen Ton zu wahren. „Gestern wurde beschlossen“ klingt eben irgendwie wichtig. Doch das hat etwas Distanziertes, Unpersönliches. Zumindest in der Korrespondenz mit der eigenen Mandantschaft muss das nicht sein.
Tipp: Aktiv verwenden! Das macht den Text lebendiger.
Seien Sie mit dem Latein am Ende!
Lateinische Ausdrücke, fast schon beiläufig eingestreut, sollen einem Schriftsatz (bzw. seinem Verfasser) eine gewisse Autorität verleihen. Wenn Begriffe wie „ad hoc” oder „de facto” aber inflationär verwendet werden, wirkt der Text schnell wie ein überambitionierter Versuch, besonders gebildet zu erscheinen. Vergleichbares gilt für juristische Fachbegriffe in Mandantenschreiben.
Tipp: Nicht jeder Leser hat Jura studiert oder besitzt das kleine Latinum. Warum nicht einfach Klartext reden?
Schriftsätze und andere Texte aus juristischer Feder müssen und sollten nicht schwer verständlich sein. Schließlich geht es darum, komplexe Sachverhalte nachvollziehbar darzustellen, ohne den Leser in einem Labyrinth aus Schachtelsätzen zu verlieren – unabhängig davon, ob er ein Richter, der gegnerische Anwalt oder der eigene Mandant ist. Ein klar formulierter Text erleichtert dem Leser nicht nur das Verständnis, sondern unterstreicht auch eine überzeugende Argumentation.