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Das Semikolon, ein unterschätztes Satzzeichen

Punkt, Punkt, Komma, Strich – so setzt sich nicht nur das Mondgesicht zusammen, sondern auch das Set der gängigen Satzzeichen: Punkte und Kommata, vielleicht ein paar Klammern und bei Bedarf ein Ausrufe- oder Fragezeichen. Und das Semikolon? Kommt es in Ihrem Zeichensetzungs-Repertoire überhaupt vor? Oder fällt es unter den Tisch, weil nicht klar ist, wann und wie man es benutzt?

Es ist ganz einfach: Das Semikolon (in einigen Regionen auch „Strichpunkt” genannt) findet Anwendung, wenn an einer Stelle des Satzes ein Komma zu wenig, ein Punkt aber zu viel inhaltliche Trennung wäre. Hierfür gibt es allerdings keine klaren Vorgaben, weshalb das arme, kleine Semikolon in der Praxis kaum Anwendung findet.

 

Wo wird das Semikolon benutzt?

Semikolons (oder Semikola) haben im Wesentlichen drei Anwendungsbereiche:

 

1. Trennung von gleichrangigen Sätzen bzw. Satzteilen, die inhaltlich zusammenhängen:

Ich habe mir ein neues Fahrrad gekauft; es war wirklich günstig.

Wir waren im November in Thailand; tagelang hat es nur geregnet.

(Hier wäre auch ein Punkt denkbar.)

Ein Semikolon trennt nur gleichrangige Satzteile bzw. zwei Hauptsätze, niemals Haupt- und Nebensatz. Nach einem Semikolon fährt man in Kleinschreibung fort, wie nach einem Komma.

 

2. Trennung von Satzteilen, die mit denn, doch, darum, daher, deswegen, deshalb eingeleitet werden:

Mein Hund musste zum Tierarzt; daher kamen wir heute nicht zur Gassirunde.

(Hier wäre auch ein Komma denkbar.)

 

3. Trennung von Sinneinheiten innerhalb von Aufzählungen:

Meine Lieblingsspeisen sind Nudeln, Eiscreme; Würstchen mit Kartoffelsalat; Schokolade, Beeren und Curry.

(Hier wäre auch ein Komma denkbar.)

 

Das Satzzeichen für die Feingeister

Überall, wo man ein Semikolon setzen könnte, passen theoretisch auch Punkt oder Komma. Doch es gibt Sätze, da passt das Semikolon einfach perfekt. Textstellen, die weder Fisch noch Fleisch sind, wo ein weiteres Komma nur verwirren und ein Punkt nur die Betonung rauben würde.

Lesen Sie die folgenden Sätze mit der durch die Satzzeichen vorgegebenen Variation:

Es war ein ruhiger Sonntagmorgen und überraschend warm, als Barbara um 8 Uhr vor die Tür trat, zeigte das Thermometer schon 20 Grad.

Es war ein ruhiger Sonntagmorgen und überraschend warm; als Barbara um 8 Uhr vor die Tür trat, zeigte das Thermometer schon 20 Grad.

Es war ein ruhiger Sonntagmorgen und überraschend warm. Als Barbara um 8 Uhr vor die Tür trat, zeigte das Thermometer schon 20 Grad.

 

Merken Sie den Unterschied?

Zwei Kommata zu setzen, wie im ersten Beispiel, wäre falsch und verwirrt den Leser. Die Zuordnung fehlt. Das Ganze steht zwar in einem Gesamtzusammenhang, doch verständlich und ad hoc leserlich wird es erst durch ein Semikolon. Ein Punkt ist auch denkbar, trennt aber unnötig stark.

Das sind natürlich sehr feine Differenzierungen. Nuancen. Der Einsatz des Semikolons bedarf einer gewissen sprachlichen Intuition. Doch ich hoffe, etwas Licht ins Dunkel rund um seine Anwendungsmöglichkeiten gebracht zu haben. Es hat sein stiefmütterliches Nischendasein nicht verdient. Geben Sie ihm eine Chance und schauen Sie, was es mit Ihrem Text macht. Das Semikolon ermöglicht individuellere Betonung und erfrischt durch Variation. Schließlich gibt es doch nichts Langweiligeres als austauschbare Textbausteine nach immer gleichem Satzmuster. Kommata setzen? Kann (fast) jeder; doch wer an passender Stelle ein Semikolon setzt, zeigt Feinsinn und Stilgefühl.

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