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Wie gehe ich in der Kanzlei mit Gefühlen um? Oder warum Angst doch ein guter Begleiter ist.

Die Arbeit in der Kanzlei ist doch eine ernste Sache, oder? Sie möchten natürlich nur die besten Ergebnisse für Ihre Klient:innen erreichen und dabei Professionalität und Souveränität ausstrahlen. Emotionen sind daher nur den Klient:innen vorbehalten – diese dürfen Ihre Kanzlei gerne mit einem richtig guten Gefühl verlassen.

So haben die meisten von uns es zumindest einmal gelernt und übernommen. Die Arbeitswelt funktioniert so und Gefühle haben in einem solchen Umfeld nichts zu suchen.

 

Aber wo sind die Gefühle hin?

Das Ergebnis ist, dass wir trainiert haben Gefühle lieber weg zu drücken, als sie da sein zu lassen. In allen Facetten. Vielleicht kennen Sie aus Ihrer Kindheit auch noch Sprüche wie „ein Indianer kennt keinen Schmerz“ oder „einmal pusten und schon ist der Schmerz verflogen“. Schon hier wurde den Emotionen keinen Raum gegeben. Frei nach dem Motto – Hauptsache das Kind beruhigt sich wieder und hört schnell auf zu weinen.

Menschen, die gelernt haben, Gefühle möglichst wegzudrücken, fällt es irgendwann schwer die Gefühle in ihrem vollen Ausmaß überhaupt spüren zu können. Das haben sie dann schlichtweg verlernt. So laufen sie dauerhaft in einer mittleren Emotionsschwingung durch die Gegend ohne Ausreißer nach oben in pure Freude oder nach unten, wo sich z.B. Ängste, Trauer oder Wut befinden. Sie funktionieren einfach – im schlimmsten Fall wie kleine Maschinen.

 

Was passiert, wenn Sie Gefühle dauerhaft unterdrücken?

Irgendwann kommt für diese Menschen in ihrem Leben häufig der Punkt, an dem sie merken, dass irgendetwas fehlt. So richtig glücklich sind sie nicht und es kann eine große Leere entstehen.

An dieser Stelle dürfen wir lernen, alles „Erlernte“ und „Programmierte“ wieder zu verlernen und uns intensiv mit unseren Gefühlen zu beschäftigen. Denn unsere Gefühle sind absolut lebensbereichernd und führen erst dazu, dass wir ein dauerhaft glückliches Leben führen können: Und zwar alle Gefühle. Sowohl die positiven als auch die negativen.

Gefühle enthalten immer eine Botschaft – gerade die scheinbar negativen. Nehmen wir z.B. die Angst. Eine stark negative Energie. Und dennoch ein großes Geschenk: Früher hätten die Menschen ohne sie nicht überlebt.

 

Denn was passiert bei Angst?

Unser Gehirn interpretiert eine Situation als gefährlich und gibt diese Information weiter ans limbische System, das für die Gefühle zuständig ist. Die darin enthaltenen Bereiche Hippocampus und Amygdala veranlassen dann den Hypothalamus, die entsprechende Reaktion auszulösen. Dieser macht sofort seinen Job und schüttet Adrenalin, Noradrenalin, Kortisol und Kortison aus.

Die körperlichen Reaktionen sind u.a.:

  • Der Herzschlag erhöht sich.
  • Der Blutdruck steigt.
  • Die Muskeln werden stärker durchblutet und spannen sich an.
  • Die Erweiterung der Bronchien führt zu einem schnelleren Atem, dadurch steigt die Sauerstoffversorgung.
  • Die Verdauung wird eingestellt.
  • Die Pupillen weiten sich, um das Sehfeld zu erweitern.
  • Die Temperatur im Körperinneren steigt an.
  • Nervosität und Unruhe stellen sich ein…

 

Alle Sinne sind bereit, sich vor dem Säbelzahntiger in acht zu nehmen. Auch heute noch, obwohl es in der Kanzlei keine Säbelzahntiger gibt. Und genau deshalb gilt es:

 

Spüren Sie genau hin, was die Angst Ihnen mitteilen möchte.

Dafür können Ihnen folgende 5 Schritte helfen:

  1. Unterbrechen Sie zunächst die akute Situation, indem Sie sich auf Ihre Atmung konzentrieren. Atmen Sie ganz bewusst mindestens 5 x tief ein und aus und zählen innerlich jeweils bis 4. Damit suggerieren Sie Ihrem Gehirn, dass es wieder in Sicherheit ist und Ihr Herzschlag normalisiert sich.
  2. Spüren Sie in das Gefühl hinein. In dem Fall: Wo genau spüren Sie die Angst in Ihrem Körper und wie fühlt sie sich genau an? Es gibt Menschen, die spüren die Angst wie ein verkrampfen in der Magengegend. Andere spüren eine Enge im Brustkorb und wieder anderen schnürt die Angst sprichwörtlich die Kehle zu. Vielleicht spüren Sie sie aber auch noch an einer ganz anderen Stelle? Gehen Sie gedanklich genau in diese Stelle hinein und fühlen Sie nach. Wie ein interessierter Beobachter – ganz ohne Wertung.
  3. Dann können Sie noch einen Schritt weitergehen: Das klingt für den Anfang ggf. etwas ungewöhnlich, aber stellen Sie sich vor, Sie holen Ihre Angst aus Ihrem Körper heraus, setzen sie vor sich hin und unterhalten sich mit ihr. Fragen Sie, was sie Ihnen genau mitteilen möchte. Auch wenn Sie nicht direkt eine Antwort erhalten – bleiben Sie eine Weile in dem Bild. Und wenn es immer noch nicht klappt, versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt erneut. Manchmal braucht es ein wenig Übung und „Dranbleiben“, um sich an die ungewöhnliche Idee zu gewöhnen und eine Antwort zu erhalten.
  4. Zusätzlich können Sie einen Brief aus der Sicht Ihrer Angst schreiben. Schreiben ist grundsätzlich eine tolle Methode, um an die tief im Unterbewusstsein verankerten Themen heranzukommen.
  5. Und zum Schluss: Bedanken Sie sich bei Ihrer Angst, dass sie für Sie da ist und es immer gut mit Ihnen meint. Und gleichzeitig machen Sie ihr deutlich, dass Sie sicher sind. Dass Sie sie momentan nicht brauchen. Aber dass Sie jederzeit wieder auf sie zurückgreifen werden, wenn sich dies für Sie ändert.

Gehen Sie davon aus, dass Ihre Gefühle etwas Großartiges sind. Sie sind für Sie da und leiten Sie.

Und es gibt noch einen guten Grund sich intensiver mit den eigenen Gefühlen zu beschäftigen:

Je mehr Sie Ihre eigenen Gefühle verstehen und mit ihnen umgehen können, desto besser werden Sie auch im Umgang mit den Gefühlen anderer Menschen. Das hilft Ihnen in Ihrem privaten Umfeld genauso wie in der Kanzlei. Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren sehr gewandelt – das ist auch an der Rechtsbranche nicht vorbeigegangen. Der Umgang mit Gefühlen zählt mittlerweile zu einer der wichtigsten Kernkompetenzen einer guten Führungskraft. Und wie viel bunter und menschlicher darf es vielleicht auch in Ihrer Kanzlei noch werden, wenn Sie anfangen den Emotionen mehr Raum zu geben?

 

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