Beitrag

© by-studio | Adobe Stock

Die Kunst des Loslassens – 3 Tipps gegen den ständigen Kontrollzwang

Jeden Schriftsatz wieder und wieder lesen, obwohl Sie ihn schon mehrmals für gut befunden haben. Nach einem Telefonat der Mitarbeiterin mit einem Mandanten sofort nach vorn laufen, um sich alles berichten zu lassen. Die Fristenkontrolle an die Mitarbeiterin delegieren und trotzdem bei jeder einfachen Wiedervorlage prüfen, ob sie richtig eingetragen ist. Die Gerichtsverhandlung für den nächsten Tag trotz sowieso schon guter Vorbereitung bis zum späten Abend innerlich mehrfach nochmals durchspielen, als stünde das 3. Staatsexamen an. In jeder freien Sekunde das Handy auf eingehende Mails und Nachrichten prüfen, um unmittelbar reagieren zu können. Kein Wunder, wenn Sie nach solchen Tagen dem Burnout nahe sind.

Wir haben wohl alle gern alles unter Kontrolle, so kann vermeintlich am wenigsten passieren. Auf Dauer kann das ganz schön ungesund sein, denn dieses Gefühl von Kontrolle ist oft nur ein Sekundärvorteil. Der gleichzeitige Primärnachteil: Permanenter Stress durch eine ständige Alarmbereitschaft, der sich körperlich und seelisch auswirkt.

Ein allzu großes Wunder ist das nicht, selbst der BGH hat sich schon umfangreich damit beschäftigt, was wir alles beachten und sicherstellen müssen, um keinen Haftungsfall zu produzieren. Wie können Anwältinnen und Anwälte also das Loslassen lernen und damit gesünder und langfristig erfolgreich durch ihr Berufsleben kommen?

3 Tipps in Sachen Loslassen

1. Akzeptanz des “Irgendwas ist immer”

Oder haben Sie schonmal einen Tag erlebt, der genau so abgelaufen ist, wie Sie es zuvor geplant und erwartet haben? Es dürfte ziemlich selten vorkommen, denn natürlich melden sich neue Mandantinnen oder Mandanten, schreibt die Gegenseite seitenlange Stellungnahmen, trudeln Entscheidungen oder Termine ein. Wir haben nicht alles unter Kontrolle, also müssen wir dies auch nicht über das Planbare hinaus von uns erwarten. Irgendwas ist immer. Rechnen wir mit dem Unvorhersehbaren und akzeptieren es als festen Bestandteil unserer Tage.

2. Perfektionismus an die richtige Stelle setzen

Es ist natürlich nicht verkehrt, bei der juristischen Tätigkeit einen gewissen Perfektionismus an den Tag zu legen. Der ist gewünscht und gefordert, und zwar fachlich und organisatorisch. Häufig allerdings wird dieser Perfektionismus auf alle Bereiche des Lebens ausgedehnt, die beruflichen und die anderen. Alles findet immer sehr gut und sehr sofort statt. Und das auch an Stellen, an denen diese Art von Perfektionismus gar nicht notwendig ist. Mir fällt dazu mein Lieblingsmandant ein, den ich in einer familienrechtlichen Sache über mehrere Jahre begleitet habe und für den ich eine Unterhaltsberechnung erstellen wollte. Sie kennen es vielleicht, die Woche ist vollgestopft und für manche Sachen benötigen wir Ruhe und keine Anrufe. Also habe ich verkündet, ihm die Berechnung am Samstag zu schicken. Seine Reaktion: Das möchte er nicht. Am Wochenende sollte ich mich lieber ausruhen und ihm die Berechnung in der folgenden Woche senden. So nämlich! Da könnten wir doch auch von allein drauf kommen, oder? Es könnte ziemlich perfekt sein, sich zwischendurch auch mal auszuruhen und dann gestärkt die Aufgabe leichter und wahrscheinlich auch sogar noch besser zu erledigen.

Den Perfektionismus an der richtigen Stelle loszulassen bedeutet auch: In Betracht ziehen, dass Dinge anders gemacht werden könnten, als wir sie selbst machen würden und dass sie trotzdem gut werden könnten. Das führt direkt zum dritten Punkt.

3. Vertrauen

Und zwar in andere Menschen. Wir müssen nicht alles selbst machen. Manchmal fällt es schwer, Aufgaben abzugeben und häufig liegt es daran, dass wir uns in ungerechtfertigter Art und Weise für unersetzbar halten. Andere Menschen machen auch Sachen gut und das wird manchmal anders gut, als wenn wir es selbst gemacht hätten. Das auszuhalten, können wir üben. Probieren Sie es mal an einer kleinen Stelle, vielleicht auch in einem anderen Lebensbereich. Wenn Sie es nicht ertragen, wie Ihre Partnerin oder Ihr Partner den Geschirrspüler einräumt, ist das ein schönes Lernfeld. Arbeiten Sie sich vor und formulieren Sie nicht mehr jedes kleine Schreiben mit der Bitte um Rücksprache selbst aus. Auch Ihr Team wird sich über alles freuen, was in eigener Verantwortung erledigt werden kann. Üben Sie sich in der Kunst der Stichprobe und machen Sie sich bewusst, dass „Stichprobe“ eben gerade keine lückenlose Verdoppelung der Arbeit durch flächendeckende Nachkontrolle bedeutet.

Erlauben wir uns, diese Punkte immer wieder in Angriff zu nehmen. Und auch wenn es nicht direkt klappt – es lohnt sich, es immer wieder zu versuchen. Ihre Arbeitstage werden dann wahrscheinlich früher, vor allem aber weniger erschöpft enden.

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…