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Vollstreckung in den Zugewinn

Der Zugewinnausgleichsanspruch ist nicht nur eine Frage der familienrechtlichen Praxis im Scheidungsverfahren, sondern auch eine lukrative, wenngleich nicht ganz einfache Zugriffsmöglichkeit in der Zwangsvollstreckung.

So regelt § 852 Abs. 2 ZPO, dass der Zugewinnausgleichsanspruch der Pfändung nur unterworfen ist, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist. Diese Regelung soll verhindern, dass der letztlich sehr persönliche Anspruch gegen den Willen des Berechtigten von einem Dritten geltend gemacht wird. Die gleiche Regelung sieht § 852 Abs. 1 ZPO für den Fall des Pflichtteils vor.

Der BGH hat mit Beschl. v. 26.2.2009, VII ZB 30/08 die Pfändung des Pflichtteilsanspruchs vor vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit bejaht, allerdings die Einziehung erst für zulässig angesehen, wenn die Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO, also die vertragliche Anerkennung oder aber die Rechtshängigkeit vorliegen.

Diese Auffassung des BGH in Bezug auf die Verwertung, somit durch den Überweisungsbeschluss, überzeugt nicht, nachdem das Vollstreckungsgericht, welches für den Überweisungsbeschluss zuständig ist, kein materielles Recht zu prüfen hat, sondern nur die formalen Voraussetzungen, ob ggf. ein Verwertungsverbot oder Verwertungshindernis besteht. Derartiges ist nicht ersichtlich. Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO vorliegen, wäre nach unserer Auffassung im Rahmen des Drittschuldnerprozesses zu klären und vom Gläubiger darzulegen und zu beweisen.

Ungeachtet dessen kann die Entscheidung des BGH in Bezug auf die Pfändbarkeit des Pflichtteilsanspruches vor Anerkennung oder Rechtshängigkeit letztlich als Glücksfall für den Gläubiger gelten, da er zumindest eine Rangwahrung erhält und überdies der Schuldner nicht zu Lasten des Gläubigers anderweitig über den Pflichtteilsanspruch, z.B. durch Abtretung verfügen kann.

Diese Überlegungen zum Pflichtteilsanspruch dürften analog auf den Zugewinnausgleichsanspruchs anzuwenden sein, also mit Beendigung des Güterstandes, unabhängig von der Frage, ob der Zugewinnausgleichsanspruch bereits durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig ist.

Der Zugewinnausgleichsanspruch entsteht gem. § 1378 Abs. 3 BGB mit Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft. Denkbar sind daher verschiedene Konstellationen:

I.

Zugewinnausgleichsanspruch durch Ehevertrag gem. § 1372 BGB

Ein Zugewinnausgleichsanspruch entsteht, wenn nachträglich ein anderer Güterstand vereinbart wird oder der Zugewinn ausgeschlossen wird (§ 1414 BGB).

Insoweit kann es im Rahmen von Zusatzfragen beim Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft durchaus Sinn machen, abzuklären, ob der Güterstand zwischen den Parteien geändert wurde, der Zugewinnausgleichsanspruch ausgeschlossen wurde und wann. Diese Zusatzfrage stellt nach meiner Auffassung auch keine unzulässige Ausforschung des Schuldners dar, da diese Fragestellung ausschließlich auf Vollstreckungsabsichten abzielt, nämlich um beurteilen zu können, ob eine Pfändbarkeit des Zugewinnausgleichsanspruchs nach der genannten Entscheidung des BGH besteht, losgelöst von der Frage, ob dieser dann durchsetzbar ist, weil nicht vertraglich anerkannt oder rechtshängig.

Die Frage des vertraglichen Anerkenntnisses könnte im Anschluss bei grundsätzlich Pfändbarkeit des Anspruchs über § 836 Abs. 3 ZPO geklärt werden.

II.

Zugewinnausgleichsanspruch durch rechtskräftige Scheidung

Mit rechtskräftiger Scheidung entsteht ebenfalls der Zugewinnausgleichsanspruch. Auch insoweit sollte die Vermögensauskunft des Schuldners ggf. im Rahmen der Nachbesserung um Fragen bzgl. Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens, voraussichtlicher Termin der Ehescheidung ergänzt werden, vor allem dann, wenn der Schuldner als Familienstand getrenntlebend oder geschieden angibt.

Der Zeitpunkt der Scheidung ist, neben des Entstehens des Anspruchs, auch für die Frage der Verjährung des Anspruchs von Bedeutung. Ergeben sich konkrete Anhaltspunkte aus dem Vermögensverzeichnis des Schuldners, die auf einen Zugewinnausgleichsanspruch schließen lassen, handelt es sich auch nicht um eine unzulässige Ausforschung, sondern um berechtigte Zusatzfragen.

III.

Zugewinnausgleichsanspruch durch rechtskräftiges Urteil auf vorzeitige Ausgleichung der Zugewinngemeinschaft gem. § 1385 BGB:

In der Praxis öfter in Vergessenheit geraten ist die Regelung des § 1385 BGB, wonach nach Ablauf einer dreijährigen Trennungszeit die vorzeitige Ausgleichung möglich ist. Da jedoch auch in diesem Fall der Zugewinnausgleichsanspruch erst mit der rechtskräftigen Entscheidung entsteht, gelten insoweit die Ausführungen unter II.

Weigert sich der Gerichtsvollzieher diese Zusatzfragen vom Schuldner beantworten zu lassen oder den Schuldner zur Nachbesserung zu laden, so steht dem Gläubiger als Rechtsbehelf die Erinnerung nach § 766 ZPO zur Seite, um die Rechtmäßigkeit dieser Fragen gerichtlich klären zu lassen.

IV.

Zugewinnausgleichsanspruch durch Tod gem. § 1371 BGB

Die Beendigung des gesetzlichen Güterstandes durch Tod regelt § 1371 BGB, wobei dieser in Abs. 1 die erbrechtliche Lösung und in Abs. 2 die güterrechtliche Lösung behandelt.

Ausschlaggebend für die Frage, ob die erbrechtliche oder güterrechtliche Lösung zum Tragen kommt, ist, ob der Erbe die Erbschaft annimmt oder ausschlägt. Nachdem sowohl der Zugewinnausgleichsanspruch, aber auch der Pflichtteilsanspruch bereits mit Tod des Erblassers entstehen und letztlich auch für den Gläubiger womöglich zum Zeitpunkt der beabsichtigten Pfändung nicht absehbar ist, ob der Schuldner ausschlägt oder das Erbe annimmt, empfiehlt sich aus Gründen der Rechtssicherheit, beide Ansprüche – nämlich den Pflichtteilsanspruch als auch den Zugewinnausgleichsanspruch – zu pfänden. Denn selbst im Falle der Ausschlagung durch den Schuldner als Ehegatten des Erblassers steht diesem neben dem güterrechtlichen Zugewinnausgleichsanspruch noch der „kleine Pflichtteil“ gem. §§ 2303, 1371 BGB zu.

Natürlich gilt auch in diesem Falle die Einschränkung des § 852 ZPO, wonach eine Durchsetzung der Ansprüche gegen den Willen des Schuldners nicht möglich ist, sofern nicht zuvor die Ansprüche rechtshängig oder vertraglich anerkannt sind.

Insoweit macht es aber durchaus Sinn, im Rahmen der Vermögensauskunft das Augenmerk auch auf die Beantwortung der Fragen zu

  • den Güterständen,

  • den Kindern (also mögliche gesetzliche Erben),

  • des Familienstandes (verwitwet)

zu legen.

Kernproblem – wie fast immer bei etwas exklusiveren Vollstreckungsmaßnahmen – ist die Informationsbeschaffung. Hier sollte nach Möglichkeit der Mandant in die Pflicht genommen werden, gerade dann, wenn sich Gläubiger und Schuldner kennen oder eine örtliche Nähe besteht.

Regelmäßig können Todesanzeigen der Tageszeitung oder mittlerweile sogar dem Internet entnommen werden. Natürlich kann man sich als Gläubiger auch dem Instrument der Nachbesserung der Vermögensauskunft bzw. der Stellung von Zusatzfragen im Rahmen der Vermögensauskunft bedienen, jedoch wird man ohne konkreten „Anfangsverdacht“ sich oftmals im Bereich der unzulässigen Ausforschung des Schuldners bewegen.

Nach wirksamer Pfändung stehen dem Gläubiger wieder die erweiterten Auskunftsrechte nach § 836 Abs. 3 ZPO gegenüber dem Schuldner zur Seite.

V.

Abschließende Überlegungen

Nicht unerwähnt bleiben darf, dass es sich bei derartigen Vollstreckungsmaßnahmen auch immer um eine taktische Gestaltung handeln muss.

So muss der Gläubiger letztlich zwischen Rangverlust und der Gefahr der anderweitigen Verpfändung oder Abtretung dieser Ansprüche und der vorzeitigen Warnung des Schuldners abwägen, da sodann weiterhin der Schuldner entscheidet, ob er die Ansprüche geltend macht oder nicht. Diese Geltendmachung des Schuldners wird wiederum wesentlich davon abhängen, wie es um das persönliche Verhältnis zwischen Schuldner und Drittschuldner bestellt ist und ob letztlich im Falle der Geltendmachung der Ansprüche auch für den Schuldner etwas übrigbleibt.

Praxishinweis:

Für den Mandanten wird auch diese Vollstreckungsmaßnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Drittschuldnerprozess mit entsprechenden Kosten- und Prozessrisiko hinauslaufen, auf welche der Mandant bestenfalls vor Durchführung der Pfändungsmaßnahme hinzuweisen ist.

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