Beitrag

Die Verhaftung des Schuldners

Der heutige Infobrief befasst sich detailliert mit der Verhaftung des Schuldners, wenn dieser die Abgabe der Vermögensauskunft verweigert, insbesondere zu der Frage der Voraussetzungen hierzu, der Sinnhaftigkeit sowie zu den Kosten eines solchen Verfahrens.

Wann ist die Verhaftung eines Schuldners möglich?

Gemäß § 802g ZPO erlässt das Gericht auf Antrag des Gläubigers zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft einen Haftbefehl, wenn

  • der Schuldner dem ersten Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft trotz seiner ordnungsgemäßen Ladung unentschuldigt fernbleibt oder

  • die Abgabe der Vermögensauskunft gemäß § 802c ZPO grundlos verweigert.

Sachlich zuständig ist das Vollstreckungsgericht. Örtlich zuständig das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner beim Eingang des Gläubigerauftrages zur Abnahme der Vermögensauskunft seinen Wohnsitz, Sitz oder Aufenthaltsort hatte (LG Köln Rpfleger 1999, 549).

Funktionell zuständig für den Erlass eines Haftbefehls ist ausschließlich der Richter. Nur er darf über die Zulässigkeit eines Freiheitsentzuges entscheiden (Art. 104 Abs. 2 GG). Der Haftbefehl erfolgt sodann durch Beschluss (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 RPflG, § 329 ZPO). Eine vollstreckbare Ausfertigung sowie die Vollstreckungsklausel sind bei dem Haftbefehl nicht erforderlich (§ 725 ZPO).

Der Richter prüft keineswegs sämtliche Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung. Er prüft jedoch u.a.

  • die formelle Zulässigkeit

  • das Rechtsschutzbedürfnis

  • die Einhaltung der Verhältnismäßigkeit

Wie lange hat ein Haftbefehl Gültigkeit?

Eine Vollziehung des Haftbefehls ist unzulässig, wenn seit dem Tag, an dem der Haftbefehl erlassen wurde, zwei Jahre vergangen sind (§ 802h Abs. 1 ZPO). Darüber hinaus gilt folgendes:

Gegen einen Schuldner, dessen Gesundheit durch die Vollstreckung der Haft einer nahen und erheblichen Gefahr ausgesetzt würde, darf, solange dieser Zustand dauert, die Haft nicht vollstreckt werden (§ 802h Abs. 2 ZPO).

Handelt es sich bei der Erzwingungshaft um eine Strafhaft?

Dieses ist nicht der Fall.

Man muss verschiedene Haftarten unterscheiden. Diese können u.a. sein:

  • a) Die Erzwingungshaft zur Abgabe der Vermögensauskunft. Sie ist eine besondere Haftform, um auf den Schuldner Druck auszuüben. Ziel ist die Abgabe der Vermögensauskunft.Wird ein Schuldner tatsächlich verhaftet, gelten bei der Erzwingungshaft die Vorschriften über die Freiheitsstrafe (§ 171 StVollzG). Eine Zusammenlegung mit kriminellen Gefangenen ist allerdings nur möglich, wenn der Schuldner der Zusammenlegung zustimmt.Außerdem muss bei dieser vollstreckungsrechtlichen Erzwingungshaft der Schuldner weder Anstaltskleidung tragen und ist auch nicht zur Arbeit verpflichtet.

  • b) Die Ersatzzwangshaft spielt bei der Verurteilung zu einer unvertretbaren Handlung eine Rolle (§ 888 ZPO). Die Ersatzzwangshaft, die sowohl in der Zwangsvollstreckung als auch in der Verwaltungsvollstreckung praktiziert wird, ist allerdings erst dann zulässig, wenn das zuvor verhängte Zwangsgeld nicht beigetrieben werden konnte. Der Gesetzgeber stellt jedoch keine hohen Anforderungen für die Durchsetzung der Ersatzzwangshaft (OLG Köln FamRZ 2002, 895; OLG Düsseldorf JurBüro 1989, 278).

  • c) Die Strafhaft gilt als Form der Freiheitsentziehung. Diese Haft beginnt mit der Verhaftung und bildet die rechtliche Grundlage für die Freiheitsentziehung im Strafrecht (Art. 104 Abs. 2 GG).

Diese Ausgabe des Infobriefes befasst sich mit der Erzwingungshaft zur Abgabe der Vermögensauskunft. Wie eingangs erwähnt, ist diese bei

  • Fernbleiben zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft oder

  • Verweigerung der Abgabe der Vermögensauskunft

möglich.

Wie lautet der Antrag?

  • derzeitiger Vordruck bis zum 31.8.2024

Magazinbild
  • künftiger Vordruck zwingend ab dem 1.9.2024

Magazinbild

Die Gerichtskosten für einen Haftbefehl betragen 22,00 EUR (Nr. 2114 GKG KV).

Der Gläubiger hat nun verschiedene Ankreuzmöglichkeiten, nämlich

  • entweder den Haftbefehl nach Erlass an den Gläubiger bzw. Gläubigervertreter oder

  • den Haftbefehl an den zuständigen Gerichtsvollzieher weiterzuleiten, der die Verhaftung anschließend durchführen soll.

Welche Variante ist die sinnvollste?

In vielen Kanzleien oder Unternehmen wird vor dem Tätigwerden in der Zwangsvollstreckung ein sogenannter Schuldnercheck vorgenommen. Dieser ist möglich durch z.B.

  • ein entsprechendes Modul des EDV-Anbieters,

  • Schufa-Auskunft,

  • Supercheck (Bonitätsprüfung),

  • Bürgelauskunft,

  • Creditreform,

  • Boniversum usw.

Ist der Schuldner noch nicht „vorbelastet“, ist er also in den Bonitätsprüfungsmedien nicht eingetragen, könnte der Gläubiger durch die entsprechende Ankreuzmöglichkeit den Antrag stellen, dass der Haftbefehl an den Gläubiger bzw. Gläubigervertreter zu übersenden ist.

  • derzeitiger Vordruck bis zum 31.8.2024

Magazinbild
  • künftiger Vordruck ab 1.9.2024

Magazinbild

Sodann könnte sich der Gläubiger mit folgendem Brief an den Schuldner wenden.

Muster: Brief an Schuldner

Sehr geehrte Frau/Herr …

in der Zwangsvollstreckungsangelegenheit des Gläubigers … gegen Sie liegt uns nunmehr ein Haftbefehl gegen Sie vor.

Eine Kopie hiervon fügen wir in der Anlage bei.

Bevor wir Ihre Verhaftung einleiten, geben wir Ihnen letztmalig Gelegenheit die Forderung auszugleichen. Auch wären wir bereit Ihnen Ratenzahlungen, die auch für Sie tragbar sind, anzubieten.

Wir erwarten den Eingang eines ersten Teilbetrages in Höhe von … bis zum

Erfolgt keine fristgemäße Zahlung, werden wir auftragsgemäß ohne weitere Ankündigung Ihre Verhaftung einleiten.

Auf die damit verbundenen Unannehmlichkeiten wie z.B. Wohnungs- und Arbeitsstellenverlust weisen wir an dieser Stelle ausdrücklich hin. Eine fristgemäße Zahlung liegt daher in Ihrem eigenen Interesse.

Mit freundlichem Gruß

Rechtsanwalt.

Hat der Schuldner bereits Negativeinträge, bietet es sich an, die Weiterleitung des Haftbefehls an den zuständigen Gerichtsvollzieher zu beantragen, der die Verhaftung durchführen soll.

  • derzeitiger Vordruck bis 31.8.2024

Magazinbild
  • künftiger Vordruck ab 1.9.2024

Magazinbild

In welcher Weise erfolgt die Verhaftung des Schuldners?

Die Verhaftung erfolgt gem. §§ 802g Abs. 2 ZPO durch den Gerichtsvollzieher (§ 802g Abs. 2 ZPO, § 145 Abs. 1 GVGA). Der Gerichtsvollzieher muss dem Schuldner von Amts wegen bei der Verhaftung eine beglaubigte Abschrift des Haftbefehls aushändigen (LG Ellwangen DGVZ 2015, 230). Mit der Aushändigung der beglaubigten Abschrift an den Schuldner beginnt für diesen die zweiwöchige sofortige Beschwerdefrist gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

Da die Verhaftung gem. § 145 Abs. 1 S. 1 GVGA möglichst schonend durchgeführt werden muss, darf der Gerichtsvollzieher dem Schuldner anbieten, in seinem Geschäftszimmer zu erscheinen. Dieses auch insbesondere deshalb, um Aufsehen zu vermeiden. Verweigert er nach wie vor die Abgabe, erfolgt die Verhaftung.

Nach der Verhaftung liefert er den Verhafteten unverzüglich in die nächste zur Aufnahme von Zivilhäftlingen bestimmte Justizvollzugsanstalt ein. Der Haftbefehl wird dem zuständigen Bediensteten übergeben. Der Gerichtsvollzieher weist darauf hin, dass der Schuldner jederzeit die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung vor dem Gerichtsvollzieher am Haftort verlangen kann (§ 802i ZPO).

Verweigert der Schuldner hartnäckig die Abgabe der Vermögensauskunft, darf die Haftdauer sechs Monate nicht überschreiten. Nach Ablauf der sechs Monate wird der Schuldner von Amts wegen aus der Haft entlassen (§ 802j Abs. 1 ZPO).

Was geschieht aus Gläubigersicht nach den sechs Monaten?

Beginnt alles von Neuem? Kann der Gläubiger sofort eine erneute Vermögensauskunft verlangen?

Antwort: Nein

Gemäß § 802j Abs. 3 ZPO kann ein Schuldner innerhalb der folgenden zwei Jahre auch auf Antrag eines anderen Gläubigers nur unter den Voraussetzungen des § 802d ZPO (erneute Vermögensauskunft; seit dem 1.1.2022 „weitere Vermögensauskunft“) von neuem zur Abgabe einer solchen Vermögensauskunft durch Haft angehalten werden.

Welche Kosten entstehen mit der Verhaftung des Schuldners?

Einerseits entstehen

  • Gerichtskosten für den Erlass des Haftbefehls von 22,00 EUR (Nr. 2114 GKG KV).

Anderseits entstehen

  • Gerichtsvollzieherkosten für die Verhaftung von 42,90 EUR (Nr. 270 GvKostG).

Darüber hinaus fallen beim Gerichtsvollzieher Wegegeld und Auslagenpauschale an.

Nicht unerheblich ist bei einer Verhaftung und Einlieferung des Schuldners der

  • monatliche Haftkostenbeitrag von ca. 300,00 EUR (§ 50 Abs. 2 StVollzG),

den der Gläubiger erst einmal zu leisten hat. Es handelt sich hierbei zwar um Kosten der Zwangsvollstreckung, die gemäß § 788 ZPO festsetzbar und letztendlich vom Schuldner zu tragen wären, wenn sie im Ergebnis denn realisierbar sind.

Lohnt sich für den Gläubiger der ganze Aufwand mit der Verhaftung des Schuldners eigentlich?

Die Erfahrung hat gelehrt, dass sowohl freiwillig abgegebene oder erzwungene Vermögensauskünfte des Schuldners oftmals fehler- oder lückenhaft sind. Durch die Vermögensauskunft erhält der Gläubiger zwar die Auskünfte über z.B.

  • Arbeitgeber,

  • Bankverbindungen,

  • Fahrzeuge,

  • Grundstücke,

um nur auf die gängigsten Punkte hinzuweisen.

Diese Auskünfte werden dem Gläubiger allerdings auch

  • a) durch das Einholen der Drittauskünfte und

  • b) durch eine Anfrage beim Grundbuchamt

ermöglicht.

Fazit:

Im Einzelfall mag die Verhaftung eines Schuldners sinnvoll sein. Aber in der Regel ist das Einholen der beiden vorgenannten Punkte a) und b) zielführender, günstiger und zutreffender.

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…