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Urteilsgründe bei Rotlichtüberwachung mit Traffipax Traffiphot III

Bei der Messung mit der Rotlichtüberwachungsanlage des Typs Traffipax Traffiphot III handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren, so dass sich das tatrichterliche Urteil grundsätzlich auf die Angabe des verwendeten Gerätetyps und des gewonnenen Messergebnisses sowie etwaig zu beachtender Toleranzwerte beschränken kann. Etwas anderes gilt, wenn die Rotlichtzeit von der Anlage Traffipax Traffiphot III nicht direkt an der Haltelinie gemessen worden ist. Dann sind die für eine Rückrechnung ggf. erforderlichen Angaben in die Gründe aufzunehmen. (Leitsatz des Verfassers)

OLG Köln, Beschl. v. 29.11.2024III 1 ORBs 280/24

I. Sachverhalt

Rotlichtverstoß mit 1,01 Rotlichtzeit

Das AG hat die Betroffene wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes, wobei die Rotphase bereits länger als eine Sekunde andauerte, zu einer Geldbuße verurteilt und auf ein einmonatiges Fahrverbot erkannt. Nach den Feststellungen des AG beging die Betroffene einen sog. qualifizierten Rotlichtverstoß, indem sie mit ihrem Pkw innerorts trotz einer Rotlichtzeit von 1,01 s zunächst die Haltelinie und anschließend die Kreuzung überquerte. An dieser befand sich eine gültig geeichte Rotlichtüberwachungsanlage des Typs Traffipax Traffiphot III. Die Betroffene habe bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt erkennen können, dass die Lichtzeichenanlage auf Rotlicht umgeschlagen sei. Vor der Haltelinie habe sie anhalten können und müssen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Betroffenen hatte Erfolg.

II. Entscheidung

Lückenhaft

Das OLG beanstandet die Urteilsgründe als lückenhaft. und zwar sei hinsichtlich der Annahme, das Rotlicht habe bereits „länger als 1 Sekunde“ angedauert, die Beweiswürdigung lückenhaft.

Standardisiertes Messverfahren

Das AG gehe allerdings im Ausgangspunkt zu Recht davon aus, dass es sich bei der automatischen Rotlichtüberwachung um ein standardisiertes Messverfahren handele. In einem solchen Fall könne sich das Urteil im Grundsatz, wie allgemein beim Einsatz standardisierter Messverfahren, auf die Angabe des verwendeten Gerätetyps und des gewonnenen Messergebnisses sowie etwaig zu beachtender Toleranzwerte beschränken (vgl. OLG Braunschweig NJW 2007, 391; OLG Bremen NZV 2010, 42; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.2.2017 – 1 RBs 264/16; OLG Hamm, Beschl. v. 17.7.2006 – 3 Ss OWi 435/06; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.5.2024 – 3 ORhs 330 SsBs 218/24; OLG Schleswig zfs 2014, 413). Näherer Darlegungen über die Messmethode und deren technische Zuverlässigkeit bedürfe es damit grundsätzlich nicht, um dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen worden sind (vgl. BGH NJW 1993, 3081).

Anknüpfungstatsachen enthalten …

Das AG benenne in den Urteilsgründen auch wesentliche Anknüpfungstatsachen, indem die Dauer des Gelblichts, das Vorhandensein einer Haltelinie und zweier Induktionsschleifen, der Abstand zwischen der Haltelinie und der ersten Induktionsschleife, der Abstand zwischen der ersten und der zweiten Induktionsschleife und die gestoppten Rotlichtzeiten mitgeteilt werden (vgl. zum Erfordernis der Mitteilung von Anknüpfungstatsachen OLG Dresden, Beschl. v. 5.7.2017 – OLG 26 Ss 101/17 (B); OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.; NZV 2009, 201; OLG Schleswig, a.a.O.; vgl. auch Hentschel/König/Dauer, StVO, 47. Aufl., § 37 Rn 49). Zudem werde die Tatörtlichkeit hinsichtlich der Wechsellichtzeichenanlage und der verkehrstechnischen Gestaltung des Verkehrsbereiches beschrieben; auf die Skizzen werde in zulässiger Weise Bezug genommen.

… aber ggf. Zeitabzug

Indes sei die Rotlichtzeit von der Anlage Traffipax Traffiphot III nicht direkt an der Haltelinie gemessen worden. Das erste Beweisfoto mit der ersten gemessenen Rotlichtzeit sei vielmehr erst beim Überfahren der ersten Induktionsschleife ausgelöst worden. Da es aber für den Beginn der Rotlichtdauer auf das Überfahren der Haltelinie ankomme (OLG Köln, Beschl. v. 21.8.1998 – Ss 378/98; Beschl. v. 22.5.2003 – Ss 198/03; Hentschel/König/Dauer, StVO, 47. Aufl., § 37 Rn 50 m.w.N.), stelle die auf dem ersten Foto eingeblendete Rotlichtzeit nicht die vorwerfbare Rotzeit dar. Das maßgebliche Überfahren der Haltelinie sei zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt. Vor diesem Hintergrund müsse die Zeit zwischen Überschreiten der Haltelinie und dem Erreichen des ersten Messpunkts abgezogen werden, um den betroffenen Fahrzeugführer nicht zu benachteiligen.

Bei Traffipax Traffiphot III muss Fahrtzeit subtrahiert werden

Während einige Rotlichtüberwachungsanlagen die vorzuwerfende Rotzeit automatisch (geräteintern) berücksichtigen, sei bei Rotlichtüberwachungen älterer Bauart in aller Regel eine manuelle Rückrechnung der gemessenen Rotzeit in Bezug auf den Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie vorzunehmen (OLG Köln, Beschl. v. 21.8.1998 – Ss 378/98; OLG Braunschweig NJW 2007, 391; Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 6. Aufl. 2023, § 1 Rn 1581 u. 1584; Hentschel/König/Dauer, StVO, 47. Aufl., § 37 Rn 48). Auch bei der hier verwendeten Rotlichtüberwachungsanlage Traffipax Traffiphot III sei die Fahrzeit von der angezeigten Rotzeit zu subtrahieren, die das Fahrzeug vom Überfahren der Haltelinie bis zu der Position benötigt, die auf dem ersten Messfoto abgebildet ist (vgl. Hentschel/König/Dauer, StVO, 47. Aufl., § 37 Rn 48; Löhle/Beck DAR 2000, 1 [4]). Sie gehöre zu den Anlagen ohne automatische Berechnung der vorwerfbaren Rotzeit (Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, a.a.O., § 1 Rn 1589 ff., 1599). Das Auswerteverfahren sei nicht Bestandteil der Innerstaatlichen Bauartzulassung. Die Berechnungen haben sich an den konkreten Gegebenheiten zu orientieren (Burhoff/Grün, a.a.O., § 1 Rn 1599).

Rückrechnung führt zu verminderter Rotlichtzeit

Seien – wie hier – zwei Induktionsschleifen vorhanden, durch die zwei Beweisfotos ausgelöst werden, bestehe die Möglichkeit, die von dem Betroffenenfahrzeug zwischen den beiden Aufnahmen gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit des Fahrzeugs zu berechnen. Mit Hilfe der errechneten mittleren Geschwindigkeit des Fahrzeugs lasse sich die Zeit berechnen, die der Betroffene für das Zurücklegen der Strecke ab dem Überfahren der Haltelinie bis zum Auslösen des ersten Rotlichtfotos benötigt habe. Diese Zeit sei von der auf dem ersten Foto eingeblendeten Rotlichtzeit abzuziehen, um die rechtlich relevante vorwerfbare Rotlichtzeit zu erhalten. Durch eine solche Weg-Zeit-Berechnung könne – auf der Grundlage einer rekonstruierten Geschwindigkeit – ausgerechnet werden, wann die Haltelinie passiert worden sei (vgl. OLG Hamm. a.a.O.; OLG Braunschweig, a.a.O.; OLG Dresden, a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.; zur Rückrechnung näher Löhle/Beck DAR 2000, 1 ff.). Die beschriebene Art der Berechnung gehe dabei davon aus, dass das Fahrzeug mit gleichbleibender Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren ist. Die Rückrechnung der vorwerfbaren Rotlichtzeit müsse nachvollziehbar unter Berücksichtigung aller relevanten Parameter erfolgen (Wegstrecke, Lampenverzögerungszeit, Dauer der Rotphase beim Überfahren der ersten Induktionsschleife und Dauer der Rotphase bei Überfahren der zweiten Induktionsschleife). Eine etwaige Lampenverzögerungszeit, welche von der Art des verwendeten Leuchtmittels abhänge, sei abzuziehen (Burhoff/Grün, a.a.O., § 1 Rn 1599 u. 1601). Lampenverzögerungszeit sei die Zeit vom elektrischen Einschalten der Lampe einer Lichtzeichenanlage bis zum sichtbaren Aufleuchten (vgl. Burhoff/Grün, a.a.O., § 1 Rn 1582; Löhle/Beck DAR 2000, 1, 4). Die Rückrechnung könne eine Verminderung der vorwerfbaren Rotlichtzeit um bis zu 0,3 Sekunden, bei sehr langsamer Fahrt sogar um bis zu 0,5 Sekunden zur Folge haben (vgl. Krumm SVR 2006, 436 [439]; Burhoff, ZAP F. 9, 919; Löhle/Beck DAR 2000, 1 7; Beck/Berr/Schäpe/Kärger/Weigel, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, 8. Aufl. Rn 676; zu Fehlerquellen bei Traffiphot III auch Buck/Smykowski in Buck/Gieg, Sachverständigenbeweis im Verkehrs- und Strafrecht, 3. Aufl., § 7 Rn 45 ff.).

Urteil teilt nicht mit, wer Berechnungen erstellt hat

Nach diesen Maßgaben waren die Ausführungen im AG-Urteil unzureichend. Das AG habe – so das OLG – zwar erkannt, dass eine Rückrechnung auf den Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie zu erfolgen habe. Auch sei eine Rückrechnung dahin erfolgt, dass der Betroffenen das Missachten einer Rotzeit von 1,01 s vorgeworfen wird, während das erste Beweisfoto bei 1,20 s ausgelöst habe. Für den Senat sei indes allein anhand der Urteilsgründe nicht überprüfbar, ob die Rückrechnung auf die vorwerfbare Rotlichtdauer nachvollziehbar und ohne jede Benachteiligung der Betroffenen erfolgt sei. Denn das AG nehme nur pauschal auf die „Berechnungen Bl. 158 f. d. A.“ Bezug, ohne mitzuteilen, wer diese erstellt und auf welcher Grundlage, insbesondere aufgrund welcher Berechnungsparameter, die Berechnungen erfolgt seien und ob und ggf. welche Toleranzen bzw. Sicherheitsabschläge hierbei zugunsten der Betroffenen vorgenommen worden seien, gerade auch im Hinblick auf eine etwaige Lampenverzögerungszeit. Eine solche Darstellung sei auch nicht verzichtbar, da die Grenze zum qualifizierten Rotlichtverstoß – mit der erheblichen Folge eines Fahrverbotes – überhaupt nur denkbar knapp überschritten sei.

III. Bedeutung für die Praxis

Ohne Sachverständigen geht es nicht

Die weiterführenden Hinweise für die „richtige“ Errechnung der maßgeblichen Rotlichtzeit sind in der Entscheidung angeführt. Das AG hatte diese Vorgaben der Rechtsprechung wohl gesehen, aber eben nicht deutlich gemacht, ob und wie die von wem angewendet worden sind. Daher hat das OLG aufgehoben und zurückverwiesen und dem AG mit auf den Weg gegeben, dass es wohl ohne einen Sachverständigen und dessen Urteil nicht gehen wird (vgl. dazu auch OLG Braunschweig NJW 2007, 391; Löhle/Beck DAR 2000, 1, 7; Krumm SVR 2006, 436, 439; Burhoff, ZAP F. 9. S. 919; Beck/Berr/Schäpe/Kärger/Weigel, a.a.O., Rn 676).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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