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VRRKompakt VRR_2025_04

Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort: Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers

Das durch § 142 Abs. 2 StGB geschützte Aufklärungsinteresse des Kfz-Versicherers wird zwar durch eine unmittelbar an ihn oder seinen Agenten erfolgende unverzügliche Mitteilung mindestens ebenso gut gewahrt wie durch eine nachträgliche Benachrichtigung des Geschädigten, nicht jedoch durch die (behauptete) Unterrichtung eines als solchen erkennbar nicht der Sphäre des Versicherers zuzurechnenden Versicherungsmaklers, den der VN mit der Meldung des Schadens beauftragt und der diese nicht unverzüglich an den Versicherer weitergeleitet hat. Für eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit kann es sprechen, wenn der Versicherungsnehmer nach einem nächtlichen, nur durch einen erheblichen, auf nicht versicherten Ursachen beruhenden Fahrfehler zu erklärenden Verkehrsunfall keine Unbeteiligten hinzuzieht, das schwer beschädigte Fahrzeug mit Hilfe des herbeigerufenen Bruders des Mitfahrers von der Unfallstelle entfernt, den Vorfall erst zwei Tage später der Polizei meldet, ohne die Verzögerung plausibel zu erläutern und bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die erforderlichen Feststellungen hätten nachgeholt werden können, lediglich den Abschleppdienst beauftragt und seinen Versicherungsmakler um eine Schadensmeldung bittet, von der ihm bewusst sein musste, dass sie den Versicherer so nur verzögert erreichen würde.

OLG Saarbrücken, Urt. v. 12.2.2025 – 5 U 42/24

Mäharbeiten mit Aufsitzmäher: Verkehrssicherungspflicht

Welche Schutzmaßnahmen bei der Ausführung von Mäharbeiten zu treffen sind, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere den örtlichen Gegebenheiten, der Größe der zu mähenden Fläche sowie dem konkret verwendeten Mähgerät und den mit diesem verbundenen Gefahren, insbesondere unter Berücksichtigung der an dem Gerät bereits vorinstallierten Sicherungsvorkehrungen, ab.

LG Duisburg, Urt. v. 12.12.2024 – 13 O 114/20

Zugang einer E-Mail: Automatisierte Rückmeldung

Die automatisierte Rückmeldung an den Absender einer E-Mail, die Adresse werde nicht mehr verwendet und die eingegangene E-Mail nicht weitergeleitet, steht dem Zugang der E-Mail nicht entgegen. Der Absender kann jedoch nebenvertraglich zur Verwendung eines anderen Kommunikationswegs verpflichtet sein.

AG Hanau, Beschl. v. 3.3.2025 – 32 C 226/24

Standardisiertes Messverfahren: Berechnung des Toleranzwerts

Bei einer im standardisierten Messverfahren durchgeführten Geschwindigkeitsmessung ist der die technischen Unsicherheitsfaktoren abbildende Toleranzwert im Falle eines rechnerisch ermittelten Zwischenwerts immer auf den nächsthöheren ganzzahligen Wert aufzurunden.

BayObLG, Beschl. v. 3.2.2025 – 201 ObOWi 22/25

Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung: Baustellenbereich einer BAB

Bei einer Geschwindigkeitsmessung im Baustellenbereich einer Autobahn muss der Tatrichter die Möglichkeit, dass der Betroffene vier doppelseitig aufgestellte Verkehrszeichen übersehen haben könnte, mit denen die Geschwindigkeit sukzessive reduziert wurde (Geschwindigkeitstrichter), nur dann in den Urteilsgründen erörtern, wenn hierfür konkrete Anhaltspunkte bestehen, insbesondere wenn der Betroffene dies einwendet.

BayObLG, Beschl. v. 17.2.2025 – 201 ObOWi 26/25

Stellungnahmefrist: Verlängerung der Postzustellzeiten

Die seit dem 1.1.2025 geltenden 4-Tagesfiktion, die die Zustellzeiten durch das bereits am 23.7.2024 beschlossene Postrechtsmodernisierungsgesetz verlängert, ist in Zukunft bei der Frage des Fristablaufs, die u.a. bei der Frage, ob eine Stellungnahmefrist betreffend die Benennung eines Pflichtverteidigers bereits abgelaufen ist, zu berücksichtigen.

LG Braunschweig, Beschl. v. 24.2.2025 – 1 Qs 46/25

Geschwindigkeitsüberschreitung: Prozessuale Tat

Bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren bei anschließendem Anhalten bestimmt sich die prozessuale Tat nach § 264 StPO in erster Linie nach dem einem Betroffenen vorgeworfenen Fahrverhalten vor seiner Anhaltung. Exakte Tatzeit und exakter Tatort spielen eine untergeordnete Rolle.

BayObLG, Beschl. v. 3.2.2025 – 201 ObOWi 22/25

Änderung des THC-Nachweisgrenzwerts: Verwerfungsurteil und Freispruch durch Rechtsbeschwerdegericht

Eine nach § 4 Abs. 3 OWiG bedeutsame Gesetzesänderung ist in jeder Lage des Verfahrens durch das Rechtsbeschwerdegericht auf die Sachrüge hin zu berücksichtigen, wenn der dem Betroffenen zur Last gelegte Sachverhalt nach dem zum Zeitpunkt der Rechtsbeschwerdeentscheidung geltenden Recht nicht mehr ordnungswidrig ist. Die Gesetzesänderung entfaltet dieselbe Wirkung wie ein Verfahrenshindernis. § 354a StPO i.V.m. §§ 4 Abs. 3, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG ist deshalb auch anwendbar, wenn ein Urteil vorliegt, durch welches der Einspruch des Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid ohne Verhandlung zur Sache gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen worden ist.

BayObLG, Beschl. v. 23.12.2024 – 201 ObOWi 1138/24

Berufung: Berufungsbeschränkung in der Hauptverhandlung

Eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Angeklagten nach § 302 Abs. 2 StPO zur Berufungsrücknahme/-beschränkung ist konkludent erteilt, wenn der Angeklagte zu einer durch seinen Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung in seiner Anwesenheit erklärten Rechtsmittelbeschränkung schweigt. Schweigt das Protokoll der Hauptverhandlung zu der nach § 303 Satz 1 StPO erforderlichen Zustimmung der Staatsanwaltschaft beweist das nur, dass keine ausdrückliche Zustimmung nach § 303 Satz 1 StPO erteilt wurde Ob die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung gegebenenfalls konkludent erklärt hat, ist hingegen im Wege des Freibeweises zu klären.

OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.2.2025 – 1 Ss 3/25

Entziehung der Fahrerlaubnis: Mit Strafbefehl geahndete Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad

Die Fahrerlaubnisbehörde hat nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV nicht nur bei einer Trunkenheitsfahrt (Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr) mit einem Kraftfahrzeug, sondern auch bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen. Nach § 3 Abs. 4 StVG entfalten Strafurteile und Strafbefehle in einem Entziehungsverfahren ausschließlich zugunsten des Betroffenen Bindungswirkung. Allerdings muss ein Fahrzeugführer eine rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidung mit dem darin festgestellten Sachverhalt dann gegen sich gelten lassen, wenn sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen ergeben.

VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 18.2.2025 – 13 S 1513/24

Dokumentenpauschale: Ablichtungen aus der Behördenakte

Der Rechtsanwalt kann im Verwaltungsstreitverfahren grundsätzlich auch den Verwaltungsvorgang kopieren und ist nicht auf eine rein elektronische Ablichtung beschränkt. Es besteht keine Verpflichtung eines Rechtsanwalts zur Verwendung einer elektronischen Ablichtung. Der Höhe nach sind Aufwendungen für Kopien aus der Behördenakte gemäß Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a VV RVG erstattungsfähig, soweit die Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Das ist aus der Sicht zu beurteilen, die ein verständiger und durchschnittlich erfahrener Prozessbevollmächtigter haben darf, wenn er sich mit der Akte beschäftigt und alle Eventualitäten bedenkt, die bei der Bearbeitung der Sache auftreten können. Insoweit kommt dem Bevollmächtigten ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Reisekosten der Beteiligten – auch des Behördenvertreters für die Teilnahme am Termin zur mündlichen Verhandlung – sind regelmäßig erstattungsfähig

VG Augsburg, Beschl. v. 16.1.2025 – Au 2 M 23.2090

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