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Haftung bei dem Unfall durch einen E-Scooter

1. Wird ein Kfz schuldhaft durch die Fahrerin eines E-Scooters beschädigt, steht dem Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des E-Scooters ein Direktanspruch aus § 115 Abs. 1 S. 1 VVG zu.

2. Der Versicherer kann den behaupteten Unfallhergang nicht mit Nichtwissen bestreiten, wenn er nicht alle Informationsmöglichkeiten zur Aufklärung des Unfallgeschehens ausgenutzt hat und dies auch schlüssig darlegen kann.

LG Berlin, Urt. v. 22.10.202422 S 6/23 (2)

I. Sachverhalt

Unfall durch Unachtsamkeit bei Nutzung eines vermieteten E-Scooter

Der geschädigte Kfz-Eigentümer verfolgte einen Schadensersatzanspruch, nachdem die Fahrerin eines gemieteten E-Scooters durch ein plötzliches Fahren von dem Bürgersteig auf die Fahrbahn sein auf der Fahrbahn stehendes Fahrzeug beschädigt hat. Nachdem die Klage der Fahrerin des E-Scooters nicht zugestellt werden konnte, wurde die Klage gegen den Haftpflichtversicherer dieses Fahrzeuges erweitert, der den behaupteten Unfallhergang allerdings mit Nichtwissen bestritten hatte. Dabei wurde allerdings durch den Versicherer nicht dargelegt, ob und in welchem Umfang er versucht hat, das Unfallgeschehen durch Nachfragen bei der Fahrerin oder dem Vermieter aufzuklären.

II. Entscheidung

Kein pauschales Bestreiten durch Versicherer mit Nichtwissen zulässig

Seitens des Landgerichts ist vor diesem Hintergrund eine alleinige Haftung der Beklagtenseite ebenso wie ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer bejaht worden. Denn der Versicherer könnte nicht pauschal den Unfallhergang mit Nichtwissen bestreiten, solange er nicht alle Möglichkeiten ausgenutzt hat, sich die notwendigen Informationen für eine qualifizierte Prüfung bzw. ein qualifiziertes Bestreiten zu verschaffen. Dies hätte der Versicherer auch bei Gericht darzulegen und insbesondere nachzuweisen, dass seine Nachfragen nicht beantwortet worden wären. Ein solcher Vortrag durch den Versicherer ist nicht erfolgt, sodass ein Bestreiten mit Nichtwissen als unerheblich angesehen wurde.

Direktanspruch aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG bei Verschulden bejaht

Vielmehr hat das Landgericht aufgrund eines aus seiner Sicht feststehenden Verschuldens der Fahrerin des E-Scooters der Beklagtenseite die alleinige Haftung auferlegt und darauf hingewiesen, dass die Betriebsgefahr des im fließenden Verkehr haltenden Fahrzeuges der Klägerseite hinter dem groben Fehlverhalten der Fahrerin auf der Beklagtenseite im vollen Umfang zurücktreten würde. Insoweit erachtet das Landgericht aufgrund des festgestellten Verschuldens die Vorschrift des § 115 Abs. 1 S. 1 VVG mit einem sich daraus ergebenden Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer für einschlägig.

III. Bedeutung für die Praxis

Keine Haftung mit Direktanspruch aus den §§ 7,18 StVG i.V.m. § 115 VVG

Bei einem Verkehrsunfall mit einem E-Scooter gilt es Besonderheiten zu berücksichtigen. Ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem verklagten Haftpflichtversicherer ergibt sich nicht aus § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 4 VVG, da der E-Scooter unter den Anwendungsbereich des § 8 Nr. 1 StVG fällt. Deshalb gilt die Gefährdungshaftung nach § 7 Abs. 1 StVG und ebenso die Fahrerhaftung nach § 18 StVG nicht, da der Unfall mit dem E Scooter durch ein Kraftfahrzeug verursacht wird, das auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 Kilometer in der Stunde fahren kann. Diese E Scooter sind nach der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) zugelassen und weisen eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h auf.

Aber Direktanspruch bei Haftung aus § 823 BGB und § 115 Abs. 1 Nr. VVG

Der Kläger hat gegen den Haftpflichtversicherer jedoch einen Direktanspruch wegen der Verschuldenshaftung der Fahrerin des unfallbeteiligten E-Scooters, die sich aus § 823 Abs. 1 BGB ergibt und en Anwendungsbereich für § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG eröffnet. Der Direktanspruch gegen den Versicherer ist in diesem Fall möglich, da es sich bei einem E-Scooter zugleich um ein Kraftfahrzeug gemäß § 1 Abs. 1 eKFV und § 1 Abs. 2 StVG handelt. Demzufolge ist er gemäß § 1a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a PflVG ein Fahrzeug im Sinne des PflVG, für das gemäß § 1 PflVG eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Schäden abzuschließen ist.

Auch ist zu beachten, dass ein Haftpflichtversicherer, der direkt in Anspruch genommen wird, unter bestimmten Voraussetzungen einen vorgetragenen Sachverhalt mit Nichtwissen bestreiten kann. Wenn beispielsweise einem Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer ein Schaden nicht angezeigt wird und er trotz entsprechender Nachfragen weder durch den Versicherungsnehmer noch durch die mitversicherte Person eine Bestätigung des Schadenseintritts erhält, können in seinem Auftrag sowohl der behauptete Unfallhergang als auch die angeblich darauf beruhenden Schäden mit den Nichtwissen bestritten werden (BGH, Urt. v. 23.7.2019 – VI ZR 337 / 18). In diesem Fall muss der Versicherer allerdings schlüssig darlegen und notfalls nachweisen, dass ihm die notwendigen Informationen hierzu trotz ausreichender Bemühungen nicht zur Verfügung gestellt worden sind. Dies war vorliegend nicht der Fall, sodass seitens des Landgerichts überzeugend allein der Sachverhalt der Klägerseite für die Entscheidung zugrunde gelegt worden ist.

RA Dr. Michael Nugel, FA für VerkehrsR und VersR, Essen

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