Leasing: Unfallschadenregulierung
Macht ein Leasingnehmer nach einem Verkehrsunfall einen an dem Leasingfahrzeug entstandenen Sachschaden allein als fremden Schaden des Leasinggebers in gewillkürter Prozessstandschaft gegenüber dem Unfallgegner geltend, sind im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Leasinggebers maßgeblich. Zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des bei der Abrechnung eines Totalschadens zu berücksichtigenden Restwertes des Unfallfahrzeugs.
BGH, Urt. v. 2.7.2024 – VI ZR 211/22
Verkehrssicherungspflicht: Gehwegunfall
Ein Verkehrssicherungspflichtiger hat in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag. Grundsätzlich muss der Straßenbenutzer sich den vorgefundenen Straßenverhältnissen anpassen. Die Pflichtwidrigkeit von Schäden an Gehwegen und unterschiedlicher Höhenniveaus im Fußgängerbereich beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls.
LG Lübeck, Urt. v. 6.9.2024 – 10 O 240/23
Bußgeldverfahren: Regresspflicht des Verteidigers
Auch im Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz, wie z.B. in einem Bußgeldverfahren, muss der Rechtsanwalt die für die Argumentation seiner Mandanten sprechenden Gründe vortragen. Der Rechtsanwalt muss dafür Sorge tragen, dass die zugunsten seines Mandanten sprechenden rechtlichen Gesichtspunkte möglichst umfassend berücksichtigt werden, um seinen Mandanten vor einer Fehlentscheidung des Gerichts zu bewahren (hier: Fehlmessung in einem Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung).
LG Potsdam, Urt. v. 27.4.2024 – 12 S 16/22
FluggastrechteVO: Außergewöhnlicher Umstand
Die Notwendigkeit der Enteisung eines Flugzeugs vor dem Start ist jedenfalls an Flughäfen und in Zeiträumen, in denen mit winterlichen Temperaturen zu rechnen ist, kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO.
BGH, Urt. v. 27.8.2024 – X ZR 146/23
Reisekrankenversicherung: Versicherungsfall; Nebenprodukt eines Kreditkartenvertrages
Eine Klausel in einer als Nebenprodukt eines Kreditkartenvertrags abgeschlossenen Reisekrankenversicherung, wonach der Versicherungsschutz davon abhängt, dass die Reise unter Verwendung der Kreditkarte bezahlt wurde, ist weder intransparent noch überraschend.
OLG Bremen, Beschl. v. 21.8.2024 – 3 U 46/23
Wiedereinsetzung: Prüfung von Fristen durch den Rechtsanwalt
Werden einem Rechtsanwalt die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt, hat er den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen eigenverantwortlich zu prüfen (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 1.3.2023 – XII ZB 483/21, NJW-RR 2023, 698).
BGH, Beschl. v. 31.7.2024 – XII ZB 573/23
Fahrverbot: Urteilsgründe
Auch in Bußgeldverfahren müssen die schriftlichen Urteilsgründe in aller Regel nicht nur die erwiesenen Tatsachen angeben, sondern neben anderem auch erkennen lassen, ob und gegebenenfalls wie sich der Betroffene zur Sache eingelassen hat. Nur in sachlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen von geringer Bedeutung kann unter Umständen ohne Verstoß gegen die sachlich rechtliche Begründungspflicht auf die Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen verzichtet werden. Dies ist indes dann nicht der Fall, wenn ein Fahrverbot verhängt worden ist.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.8.2024 – 2 ORbs 83/24
Ladungssicherheit: Anerkannte Regeln der Technik
Die Formulierung des § 22 Abs. 1 S. 2 StVO dahin, dass die anerkannten Regeln der Technik bei der Ladungssicherung zu beachten sind (hier also der VDI-Richtlinie 2700) hat keinen eigenständigen Regelungsgehalt, der durch einen Ordnungswidrigkeitentatbestand abgesichert wird. Vielmehr bezieht sich die Ordnungswidrigkeitenvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 21 StVO nur auf die „Ladung nach § 22“. Eine eigenständige Ahndung von Verstößen gegen VDI-Richtlinien und § 22 Abs. 1 S. 2 StVO, die sich nicht auf die Sicherheit der Ladung auswirken, ist damit nicht möglich.
AG Dortmund, Urt. v. 11.7.24 – 729 OWi-257 Js 630/24 – 58/24
Einspruch: Wirksamkeit der Beschränkung
Der Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid steht nicht entgegen, dass der Bußgeldbescheid keine ausdrücklichen Angaben zur Schuldform enthält, sofern die Verfolgungsbehörde ihrer Tatahndung – gegebenenfalls unter Berücksichtigung der für eine tateinheitliche oder tatmehrheitliche Verwirklichung nach §§ 19, 20 OWiG zu beachtenden Zumessungskriterien – offensichtlich die Regelsätze der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) zugrunde gelegt hat.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.8.2024 – 2 ORbs 83/24
Beschränkung des Einspruchs: Wirksamkeit der Beschränkung auf die Rechtsfolgen
Die horizontale Beschränkung eines Einspruchs auf die Rechtsfolgen ist zulässig, soweit der Bußgeldbescheid die in § 66 OWiG niedergelegten Voraussetzungen erfüllt, die Erklärung des Betroffenen zweifelsfrei und unbedingt erfolgt, im Fall der Vertretung eine wirksame Ermächtigung zur Abgabe der Einspruchsbeschränkung vorlag und die Erklärung dem erkennenden Richter vor Erlass einer erstinstanzlichen Entscheidung vorliegt. Ein etwaig erteilter richterlicher Hinweis betreffend die Schuldform (hier: mögliche Verurteilung wegen einer Vorsatz-Tat) steht dem nicht entgegen, selbst wenn der Bußgeldbescheid keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Schuldform enthält, die vorgesehene Rechtsfolge sich aber innerhalb des Regelrahmens der Bußgeldkatalogverordnung bewegte und die vorgeworfene Schuldform (hier: Fahrlässigkeit) hieraus abgeleitet werden kann.
OLG Jena, Beschl. v. 2.9.2024 – 1 ORbs 371 SsBs 96/24
Fahrverbot: Anrechnung von Sicherstellung
Die Dauer einer auf polizeirechtlicher Grundlage angeordneten Sicherstellung des Führerscheins eines Betroffenen ist nicht auf ein später gegen diesen wegen der Tat, die den Anlass für die Sicherstellung gegeben hat, angeordnetes Fahrverbot anzurechnen. Eine analoge Anwendung von § 25 Abs. 6 Satz 3 StVG auf eine Sicherstellung des Führerscheins auf polizeirechtlicher Grundlage kommt mangels vergleichbarer Interessenlage nicht in Betracht.
AG Landstuhl. Beschl. v. 5.9.2024 – 2 OWi 157/24
Entziehung der Fahrerlaubnis: Rechtsänderungen der FEVO durch das CanG
Wurde die letzte Verwaltungsentscheidung in einem wegen Cannabis-Konsums geführten Fahrerlaubnis-Entziehungsverfahren vor dem 1.4.2024 erlassen, sind die Änderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung durch das Inkrafttreten des Cannabisgesetzes am 1.4.2024 ebenso unerheblich wie die Änderungen des § 24a StVG durch das am 22.8.2024 in Kraft getretene Sechste Gesetz zur Änderung des StVG und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften.
OVG Lüneburg, Beschl. v. 23.9.2024 – 12 PA 27/24
Vergütungsvereinbarung: Wirksamkeit einer Zeithonorarabrede
Eine formularmäßig getroffene anwaltliche Zeithonorarabrede ist auch im Rechtsverkehr mit Verbrauchern nicht allein deshalb unwirksam, weil der Rechtsanwalt weder dem Mandanten vor Vertragsschluss zur Abschätzung der Größenordnung der Gesamtvergütung geeignete Informationen erteilt noch sich dazu verpflichtet hat, ihm während des laufenden Mandats in angemessenen Zeitabständen Zwischenrechnungen zu erteilen oder Aufstellungen zu übermitteln, welche die bis dahin aufgewandte Bearbeitungszeit ausweisen. Ist eine formularmäßig getroffene anwaltliche Vergütungsvereinbarung aus AGB-rechtlichen Gründen insgesamt unwirksam, richten sich die Honoraransprüche des Rechtsanwalts nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
BGH, Urt. v. 12.9.2024 – IX ZR 65/23
Aktenversendungspauschale: Ortsansässiger Verteidiger I
Der ortsansässige Verteidiger kann nicht Erstattung des von ihm für die Aktenversendung verauslagten Betrags von 12,00 EUR als Pauschale gem. KV 9003 KV-GKG verlangen, da es sich insofern nicht um eine Aufwendung i.S.v. §§ 675, 670 BGB handelt.
AG Köln, Beschl. v. 10.9.2024 – 581 Cs 391/23
Aktenversendungspauschale: Ortsansässiger Verteidiger II
Auch einem am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt ist nicht zumutbar, für jede Akteneinsicht die Akte am Prozessgericht abzuholen oder sie dort einzusehen. Er kann daher die sog. Aktenversendungspauschale i.H.v. 12,00 EUR zum Zwecke der Ausführung des Auftrags für erforderlich halten. Sie stellt eine Aufwendung des Verteidigers im Sinne des § 675 BGB i.V.m. § 670 BGB dar und ist dem Verteidiger somit zu erstatten.
AG Köln, Beschl. v. 13.3.2024 – 651 Ds 256/23