Es ist nicht der Betriebsgefahr i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG eines Tanklastwagens zuzurechnen, wenn sich ein eigenständiger Gefahrenkreis aus der Risikosphäre des Bestellers verwirklicht (hier: fehlerhafte Füllstandsanzeige am Tank) und der Schadenseintritt beim Befüllvorgang weder auf ein Verschulden des Tanklastwagenfahrers noch auf einen Defekt des Tanklastwagens oder seiner Einrichtungen zurückzuführen ist. (Leitsatz des Gerichts)
I. Sachverhalt
Ölaustritt beim Befüllen aufgrund fehlerhafter Anzeige am Tank
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung eines Restbetrags aus einer Heizöllieferung. Der Beklagte begehrt widerklagend Schadenssatz, weil Öl während des Befüllvorgangs auf seinem Grundstück ausgelaufen ist und dort Schäden verursacht hat. Der Beklagte hatte bei der Klägerin Heizöl bestellt. Die Füllstandsanzeige an den Tanks des Beklagten zeigte beim Beginn des Befüllvorgangs nicht den tatsächlichen Füllstand der Tanks an. Der Tankwagen und seine Einrichtungen selbst wiesen aber selber keinen Defekt auf. Nachdem der Befüllvorgang gestartet worden war, trat bei einer Befüllung mit ca. 2.600 l Heizöl sowohl innerhalb des Gebäudes als auch außen über den Entlüftungsstutzen an der Außenwand des Gebäudes aus dem Tank Heizöl aus, da die Anzeige nicht korrekt erfolgte. Die Verunreinigungen des Gebäudes und Grundstücks führte zu Sachschäden und Folgekosten für den Beklagten.
II. Entscheidung
Keine weitergehende Kontrollpflicht der Anzeige durch den Fahrer
Der Tatrichter in der ersten Instanz konnte ein Fehlverhalten des Tanklastwagenfahrers während des Vorgangs beim Befüllen des Tanks nicht feststellen und diese Einschätzung ist durch das Oberlandesgericht gehalten worden. Nach Ansicht des Senats muss der Öllieferant keine technische Überprüfung der Tankanlage durchführen, sondern kann es bei einer Sichtkontrolle belassen. Erst ein visueller Mangel verpflichtet den Befüller aus Sicht des Senats zu weiteren intensiveren Prüfungen oder zu einer vorsichtigen Befüllung. Dass ein solcher Mangel rechtzeitig erkennbar gewesen wäre konnte die Beklagtenseite allerdings nicht beweisen.
Es hat sich der Gefahrenkreis des Tanks, nicht aber des Lkw realisiert
Auf der Klägerseite kamen daher nur eine Haftung aus der Betriebsgefahr des Tanklastwagen in Betracht. Ein Schaden ist aus der Sicht des Senats „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist. Die Schadensursache lag hier aber am bzw. im Öltank des Beklagten und jedenfalls nicht am Tanklastwagen und seinen Einrichtungen, so dass der Schaden nur im Bereich der Beklagtentanks und somit ausschließlich auf dem Hausgrundstück des Beklagten eintreten konnte. Ein solches Ereignis liegt aus Sicht des OLG Celle nicht in dem Gefahrenbereich, für den der Verkehr nach § 7 StVG schadlos gehalten werden soll.
III. Bedeutung für die Praxis
1. Das OLG Celle befasst sich ausführlich mit der Rechtsprechung zur Haftung aus der Betriebsgefahr bei einem Betankungsvorgang, da ein Verschulden des Tankwagenfahrers vorliegend nicht feststellbar war.
Zurechnung der Betriebsgefahr
2. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es in diesen Fällen maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht. Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen wie einem Betankungslaster ist es sodann erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine besteht. Es muss sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher bei Fällen die diesem Sachverhalt, bei dem die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird und daher ein Schaden vorliegt, bei sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis – hier also der Tankanlage mit dem mangelhaften Anzeiger – verwirklicht hat (grundlegend BGH, Urt. v. 8.12.2015 – VI ZR 139/15).