Benutzer von Elektrofahrzeugen müssen darauf vertrauen können, dass ausdrücklich Elektrofahrzeugen vorbehaltene Parkflächen mit Ladesäulen frei bleiben und benutzt werden können. Daher können auf einer solchen Parkfläche abgestellte mit Verbrennungsmotor auch ohne konkrete Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer abgeschleppt werden. (Leitsatz des Verfassers)
I. Sachverhalt
„Verbrenner-Fahrzeug“ wird „E-Auto-Parkplatz“ versetzt
Der Kläger wendet sich gegen einen Leistungs- und Gebührenbescheid nach einer Abschleppmaßnahme in Form einer Versetzung. Das Kraftrad des Klägers hatte im August 2022 auf einem Ladeplatz für elektrisch betriebene Fahrzeuge geparkt. Der Platz war mit einer Ladesäule ausgestattet sowie mit dem Zeichen 314 (Parken) und mit den Zusatzzeichen „auf dem Seitenstreifen“, „Symbol für elektrisch betriebene Fahrzeuge“ und „Parkscheibe 4 Stunden“ versehen. Eine Außendienstkraft der Beklagten beauftragte ein Abschleppfahrzeug. Der Fahrer des Abschleppfahrzeuges versetzte das Kraftrad auf den angrenzenden Bürgersteig. Die Beklagte hatte mit einem Leistungs- und Gebührenbescheid den Kläger zu einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 84,00 EUR und den Kosten des Abschleppunternehmers in Höhe von 75,01 EUR, insgesamt 159,01 EUR in Anspruch genommen. Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
II. Entscheidung
Abschleppmaßnahme rechtmäßig
Die Abschleppmaßnahme war rechtmäßig. Ob die in Rede stehende Abschleppmaßnahme als Sicherstellung gemäß § 24 Nr. 13 OBG NRW, § 46 Abs. 3, § 43 Nr. 1 PolG NRW oder als Ersatzvornahme einer Beseitigungsmaßnahme gemäß § 14 OBG NRW, § 55 Abs. 2, § 57 Abs. 1 Nr. 1, § 59 VwVG NRW auf Grundlage der ordnungsrechtlichen Generalklausel anzusehen sei, könne dahinstehen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 28.11.2000 – 5 A 2625/00), denn sie sei nach beiden Alternativen rechtmäßig.
Gegenwärtige Gefahr
Die in § 14 OBG NRW als Voraussetzung des ordnungsbehördlichen Einschreitens verlangte gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit habe bestanden. Als Gefahr im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne sei insbesondere der Verstoß gegen Rechtsnormen anzusehen. Der Kläger habe durch das Abstellen seines Kraftrades auf dem Ladeplatz, der durch das Aufstellen einer entsprechenden Beschilderung Elektrofahrzeugen während des Ladevorgangs vorbehalten sei, gegen § 12 Abs. 3 Nr. 2 StVO verstoßen. Hier sei durch das Richtzeichen 314 (Parken) der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO nebst Zusatzzeichen Nr. 1008-66 (Elektrofahrzeug) und Zusatzzeichen Nr. 1040-32 (Parkscheibe mit Höchstparkdauer 4 Stunden) des Katalogs der Verkehrszeichen der StVO (VzKat StVO) der Parkplatz ausschließlich Pkws vorbehalten. Durch das einschränkende Zusatzzeichen werde das Richtzeichen 314 zum Verbotszeichen für die nicht berechtigten Fahrzeuge (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., 2023, § 12 StVO, Rn 57). Da der Parkplatz nach der Beschilderung lediglich Elektrofahrzeugen während der Dauer des Ladevorgangs für eine Zeit von höchstens 4 Stunden vorbehalten sei, werde ein Fahrzeug mit Verbrennermotor, das die Ladesäule nicht in Anspruch nehme, so angesehen, dass es in einem absoluten Halteverbot gestanden habe.
Ordnungsgemäßes Ermessen
Die Beklagte habe auch das ihr durch § 14 OBG eingeräumte Ermessen für die Entscheidung, ob die Gefahr durch Sicherstellung der Sache beseitigt werden soll, ordnungsgemäß ausgeübt. Das Einschreiten des Außendienstmitarbeiters durch Beauftragung eines Abschleppwagens zur Versetzung des Kraftrades des Klägers sei auch verhältnismäßig gewesen. Die Versetzung sei geeignet und erforderlich, um den Verstoß gegen die Parkregelung zu beseitigen. Sie sei unter Inanspruchnahme eines Abschleppunternehmens auch angemessen gewesen. Eine den Kläger weniger beeinträchtigende Maßnahme als die vorgenommene Versetzung sei nicht Betracht gekommen. Dabei wäre aus Sicht des Gerichts auch ein Verbringen auf das Betriebsgelände des Abschleppunternehmens rechtmäßig gewesen. Die interne Verwaltungspraxis der Beklagten, die ordnungswidrig geparkten Krafträder nicht durch die Außendienstmitarbeiter bewegen zu lassen, begegne vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme keinen Bedenken, da es nicht darauf ankommen könne, ob der konkrete Außendienstmitarbeiter körperlich in der Lage sei, das in Rede stehende Fahrzeug zu bewegen oder nicht.
Verhältnismäßigkeit
Die durch die Maßnahme für den Kläger entstehenden Unannehmlichkeiten und Kosten stehen zu dem bezweckten Ziel, den durch die Beschilderung ausschließlich für Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs freizuhaltenden Parkraum nicht längerfristig durch einen Unberechtigten blockieren zu lassen, nicht außer Verhältnis.
Konkrete Verkehrsbehinderung nicht erforderlich
Das Abschleppen eines verkehrswidrig geparkten Fahrzeuges stehe im Übrigen jedenfalls dann mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang, wenn mit dem verkehrswidrigen Parken eine Funktionsbeeinträchtigung der Verkehrsfläche verbunden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.2.2002 – 3 B 149.01; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 20.12.2012 – 5 A 2802/11; VG Düsseldorf, Urt. v. 22.9.2022 – 14 K 8443/19; VG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2013 – 14 K 6792/13). Auf das Vorliegen einer konkreten Verkehrsbehinderung kommt es dabei nicht an (vgl. VG Aachen, Urt. v. 23.2.2007 – 6 K 78/07). Von einer derartigen Funktionsbeeinträchtigung sei beim Abstellen eines Fahrzeuges mit Verbrennermotor im Bereich einer Ladestation für Elektrofahrzeuge regelmäßig auszugehen, sodass es keiner Überprüfung bedürfe, ob der Kläger durch das verbotswidrige Abstellen konkret ein bevorrechtigtes Elektrofahrzeug am Parken und Laden gehindert habe. Die parkbevorrechtigten Benutzerkreise sollen nach der gesetzgeberischen Wertung darauf vertrauen dürfen, dass der gekennzeichnete Parkraum ihnen unbedingt zur Verfügung steht. Den Verkehrsordnungsbehörden könne nicht die Pflicht auferlegt werden, den Bedarf an freizuhaltenden Parkplätzen fortlaufend zu überprüfen und hiervon ein Einschreiten abhängig zu machen. Die Funktionen der Parkplätze an Ladesäulen für Elektrofahrzeuge werde nur dann gewährleistet, wenn sie jederzeit von nicht parkberechtigten Fahrzeugen freigehalten werden (vgl. VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 25.5.2018 – 2 K 7476/17; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 23.1.2020 – 17 K 4015/18). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in Kürze zu seinem Fahrzeug zurückkehren würde und dass ein Abschleppvorgang daher unverhältnismäßig sein könnte, hätten nicht vorgelegen.
III. Bedeutung für die Praxis
Spezial- und generalpräventive Zwecke
Die Entscheidung ist zutreffend. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geht davon aus, dass das Abschleppen in diesen Fällen aus spezial- und generalpräventiven Zwecken gerechtfertigt ist, da von einem an einer Elektrotankstelle abgestellten Fahrzeug mit Verbrennermotor, eine negative Vorbildwirkung für andere Kraftfahrer ausgeht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Regelungen im Elektromobilitätsgesetz deutlich gemacht hat, dass er der Bevorrechtigung von Elektrofahrzeugen im Allgemeinen und unter anderem dem bevorzugten Parken auf öffentlichen Straßen und Wegen im Besonderen eine hohe Bedeutung beimisst. Eine gegenteilige Bewertung steht dem Verkehrsteilnehmer, der sein „Verbrennerfahrzeug“ an einer solchen Stelle parkt, nicht zu (vgl. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 23.1.2020 – 17 K 4015/18).