Beitrag

Geschwindigkeitsmessung unter Einsatz einer Stoppuhr

Zu den Anforderungen an eine Geschwindigkeitsmessung aus einem nachfahrenden Fahrzeug mittels Stoppuhr. (Leitsatz des Gerichts)

OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.12.20222 Ss(OWi) 183/22

I. Sachverhalt

Messung mit Stoppuhr

Das AG hat den Betroffenen wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 400 EUR verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Die Geschwindigkeitsmessung ist festgestellt worden mittels einer Stoppuhrmessung aus einem nachfahrenden Polizeifahrzeug. Tatzeit war nachts gegen 1:15 Uhr. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.

II. Entscheidung

Feststellungen reichen nicht

Dem OLG reichen die bislang vom AG getroffenen Feststellungen nichts aus. Soweit ersichtlich, gebe es lediglich eine obergerichtliche Entscheidung zu einer Geschwindigkeitsmessung anhand Fahrbahnkilometrierungen mittels geeichter Stoppuhr. Das OLG Stuttgart (VRS 85, 366 ff.) habe hierzu ausgeführt, dass gegen das genannte Verfahren zur Ermittlung einer Geschwindigkeitsüberschreitung jedenfalls dann grundsätzliche Bedenken bestünden, wenn die Weg- und Zeitmessung von nur einem Beamten aus einem nachfahrenden Fahrzeug erfolge und der Sicherheitsabzug von der ermittelten Durchschnittsgeschwindigkeit bei einer Messstrecke von 500 m nicht mindestens 10 % betrage. Für die Zuverlässigkeit der Weg-Zeit-Messung sei zunächst wesentlich, dass am Beginn und am Ende der Messung eindeutiger Sichtkontakt der Polizeibeamten zum überwachten Fahrzeug und den die Messstrecke festlegenden Autobahnkilometrierungen bestehe. Hierzu enthalte das angefochtene Urteil jedoch keine Feststellungen. Weder enthalte es Ausführungen zu den Beleuchtungsverhältnissen auf der nächtlichen Autobahn, noch zum Abstand des Polizeifahrzeugs zum Fahrzeug des Betroffenen. Darüber hinaus fehlten Angaben dazu, wo die Kilometrierungsschilder angebracht gewesen seien und wie sie beschaffen waren. Bei einem Verfolgungsabstand von (nur) 50-80 m, der der Entscheidung des OLG Stuttgart zugrunde gelegen habe, habe das OLG bereits erhebliche Schwierigkeiten der nachfahrenden Beamten gesehen, die Punkte zu bestimmen, an denen das Fahrzeug des Betroffenen den Anfang und das Ende der Messstrecke tatsächlich passierte. Das OLG Stuttgart habe deshalb in dem von ihm zu entscheidenden Fall bereits wegen dieser optischen Fehlermöglichkeit einen Sicherheitsabschlag von mindestens 4 % für erforderlich gehalten. Hinzu kommen die vom OLG Stuttgart vorgenommenen weiteren Toleranzabzüge in Bezug auf die Vermessung der Autobahnkilometrierungen, der Fehlergrenzen der verwendeten Stoppuhr und dem Stoppen der Zeit von Hand. Anhand der Urteilsgründe könne der Senat aber nicht überprüfen, ob das AG bereits die optische Fehlermöglichkeit ausreichend berücksichtigt habe, da die hierzu erforderlichen Feststellungen nicht getroffen seien.

III. Bedeutung für die Praxis

Anforderungen an die Feststellungen bei einer nächtlichen Nachfahrmessung können bedeutsam sein

Wie das OLG Stuttgart (a.a.O.) scheint das OLG Oldenburg gegen die Verwertung einer „Stoppuhrmessung“ keine Bedenken zu haben, wenn die vom OLG vermissten tatsächlichen Feststellungen zu den Umständen dieser besonderen Art der Messung, die in der Praxis sicherlich nicht allzu häufig vorkommen dürfte, getroffen sind. Das OLG verweist in dem Zusammenhang auf seine Anforderungen an die Feststellungen bei einer nächtlichen Nachfahrmessung, die hier zwar nicht vorlag, die im Rahmen der Frage der Erkennbarkeit des verfolgten Fahrzeuges nach Auffassung des OLG aber auch hier relevant sein können (vgl. dazu (vgl. Beschl. v. 21.3.2017 – 2 Ss (OWi) 54/17 m.w.N. aus der Rechtsprechung der OLG). Auch wenn es hier im entschiedenen Fall auf den gleichbleibenden Abstand nicht ankomme, können nach Auffassung des OLG – je nach Abstand – weitere Ausführungen zu den Sichtverhältnissen erforderlich sein (zur Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren Burhoff in. Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., 2021, Rn 2341 m.w.N.).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…