Beitrag

MPU-Gutachten in neuer Probezeit nach Fahrerlaubnisverzicht

§ 2a Abs. 5 Satz 4 StVG gilt nicht nur in den Fällen der vorangegangenen Entziehung einer Fahrerlaubnis, sondern (analog) auch dann, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe zuvor auf diese verzichtet hat.

(Leitsatz des Gerichts)

VG Mainz, Beschl. v. 18.1.2022 – 3 L 5/22.MZ

I. Sachverhalt

Die Fahrerlaubnisbehörde hat dem Betroffenen die Fahrerlaubnis im Verwaltungsverfahren entzogen, weil dieser ein gem. § 2a Abs: 5 Satz 5 StVG gefordertes Gutachten nicht vorgelegt hat. Es ist die sofortige Vollziehung angeordnet worden. Der Betroffene hat dagegen Widerspruch eingelegt und beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Sein Antrag hatte keinen Erfolg.

II. Entscheidung

Nach Auffassung war die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, auch materiell rechtmäßig erfolgt. Rechtsgrundlage sei § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG in entsprechender Anwendung. Nach § 2a Abs. 5 Satz 4 StVG seien auf eine mit der Erteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung gemäß § 2a Abs. 1 Satz 7 StVG beginnende neue Probezeit die Vorschriften des Absatzes 2 nicht anzuwenden. Gemäß § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG könne die zuständige Behörde in diesem Fall die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anordnen, sobald der Inhaber einer Fahrerlaubnis innerhalb der neuen Probezeit erneut eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen habe. Zwar sehe § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung in der neuen Probezeit ausdrücklich nur dann vor, wenn dem Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis zuvor entzogen worden sei und nicht auch dann, wenn er – wie hier – auf diese verzichtet habe. Die Vorschrift des § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG sei bei vorangegangenem Verzicht auf die Fahrerlaubnis jedoch entsprechend anwendbar.

Nach Auffassung des VG liegen sowohl eine planwidrige Regelungslücke als auch eine vergleichbare Interessenlage vor, was das VG im Einzelnen begründet. Eine planwidrige Regelungslücke liege vor. Aufgrund der Entstehungsgeschichte der Norm und der Gesetzesbegründung sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber es unbeabsichtigt unterlassen habe, § 2a Abs. 5 Satz 4 und 5 StVG auch im Fall des vorangegangenen Verzichts auf die Fahrerlaubnis für anwendbar zu erklären. Zum anderen spreche die mit dem Verfahren nach § 2a Abs. 5 StVG verfolgte Intention des Gesetzgebers für das Vorliegen einer unbeabsichtigten Regelungslücke. Dazu verweist das VG auf die Gesetzesbegründung zur Einführung der Fahrerlaubnis auf Probe (BT-Drucks 10/4490, S. 20). Dort seinen Sinn und Zweck der Regelung beschrieben. Nachdem die Teilnahme an einem – an die Stelle des Nachschulungskurses getretenen – Aufbauseminars zur zwingenden Voraussetzung für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis auch im Falle eines vorangegangenen Verzichts gemacht worden ist, träfen diese in der Gesetzesbegründung dargelegten Erwägungen auch im Falle von Zuwiderhandlungen in der neuen Probezeit nach vorangegangenem Verzicht zu.

III. Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung entspricht der wohl h.M. in Rechtsprechung und Literatur (vgl. HessVGH, Beschl. v. 18.12.2008 – 2 B 2277/08; Trésoret, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, § 2a StVG Rn 322 ff.; ferner, eine analoge Anwendung bejahend sofern der Maßnahmenkatalog nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG bereits einmal durchlaufen wurde: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27. 1.2017 – 1 S 69.16, a.A.: VG Koblenz, Beschl. v. 27.3.2020 – 4 L 234/20.KO; VG Düsseldorf, Beschl. v. 2.5.2011 – 6 L 584/11).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…