Für die Annahme eines grob fahrlässigen Verhaltens bedarf es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch der Feststellung eines in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbaren Verstoßes gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Ein Sekundenschlaf kann „einfach fahrlässig“ nicht vorhergesehen werden, weil objektiv vorhandene Übermüdungserscheinungen subjektiv nicht wahrgenommen werden. Es wäre nicht völlig unentschuldbar, wenn der Beklagte auf die Gegenfahrbahn geraten ist, weil er bei Dunkelheit und Nebel infolge einer Fahrbahnsenke die Lichter aus dem Gegenverkehr und die Rückleuchten der ihm vorausfahrenden Fahrzeuge aus den Augen verloren hätte und deswegen kurzzeitig orientierungslos gewesen wäre.
OLG Celle, Urt. v. 1.7.2020 – 14 U 8/20
Der Anscheinsbeweis eines Vorfahrtsverstoßes (§ 8 Abs. 2 S. 2 StVO) ist erst dann erschüttert, wenn eine Geschwindigkeit des Vorfahrtberechtigten feststeht, bei der zumindest die Möglichkeit besteht, dass er für den Wartepflichtigen im Zeitpunkt seines Anfahrentschlusses nicht erkennbar war. Der Nachweis einer solchen Geschwindigkeit obliegt dem Wartepflichtigen, weil er Umstände zu beweisen hat, die dem Unfallgeschehen die für einen Vorfahrtsverstoß sprechende Typizität nehmen.
LG Saarbrücken, Urt. v. 5.6.2020 – 13 S 181/19
Der Geschädigte ist nicht auf eine bestimmte Rechtsform der Ersatzbeschaffung, typischerweise den Kauf, beschränkt. Least er ein Ersatzfahrzeug, kann er die Leasingsonderzahlung einschließlich gesetzlicher Umsatzsteuer bis zur Höhe des zur Wiederherstellung erforderlichen niedrigeren Bruttoreparaturaufwands im Wege der konkreten Schadensabrechnung ersetzt verlangen.
LG Saarbrücken, Urt. v. 3.7.2020 – 13 S 45/20
Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung – hier der Einlegung der Berufung – mit einer Sache befasst wird, hat dies zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen. Auf welche Weise (herkömmlich oder elektronisch) die Handakte geführt wird, ist hierfür ohne Belang (Anschluss BGH, Beschl. v. 9.7.2014 – XII ZB 709/13, NJW 2014, 3102).
BGH, Beschl. v. 23.6.2020 – VI ZB 63/19
Der von einem Verteidiger zum Nachweis des rechtzeitigen Eingangs eines Faxschreibens mit einem Entbindungsantrag bei Gericht vorgelegte „OK-Vermerk“ ist für die Annahme eines Eingangs des Fax-Schreibens für sich genommen noch nicht ausreichend, da der Vermerk lediglich das ordnungsgemäße Zustandekommen der Verbindung, nicht aber die Übermittlung der anschließenden Fax-Signale belegt. Es ist jedoch in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein vollständiger Nachweis eines gerügten Verfahrensverstoßes dann nicht zu fordern ist, wenn die entstandenen Beweisschwierigkeiten aus der Sphäre der Justizbehörden stammen und auf deren schuldhaften Verhalten beruhen.
OLG Naumburg, Beschl. v. 9.6.2020 – 1 Ws 23/20
Wird ein schon erteilter Gutachtenauftrag später ergänzt, kommt es für die Frage der erneuten Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 OWiG darauf an, ob die Ergänzung innerhalb des schon erteilten Gutachtenauftrages liegt oder ob zu weiteren Fragen gutachterlich Stellung genommen werden soll, die von dem früheren Auftrag noch nicht umfasst waren.
LG Mönchengladbach, Beschl. v. 10.6.2020 – 39 Qs 11/20
Allein der einmalige Konsum einer harten Droge, wie z.B. Kokain, reicht aus, um die Fahreignung zu verneinen und die Fahrerlaubnis zu entziehen. Auf die Teilnahme am Straßenverkehr oder auf Ausfallerscheinungen im Straßenverkehr kommt es für die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht an.
VG Aachen, Beschl. v. 19.5.2020 – 3 L 309/20
Die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG fällt nur an, wenn zum Zeitpunkt der Verfahrenserledigung konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre. Das ist im Rechtsbeschwerdezulassungsverfahren fernliegend. Die Zustimmung des Verteidigers zu einer von der Generalstaatsanwaltschaft im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgeschlagenen Verfahrenseinstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG ist keine Mitwirkung i.S.d. Nr. 5115 VV.
LG Saarbrücken, Beschl. v. 29.6.2020 – 8 Qs 69/20
Die Gebühr Nr. 4141 VV RVG kann auch noch entstehen, wenn bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Dies setzt aber voraus, dass ein vorheriger Hauptverhandlungstermin ausgesetzt wurde und der neue Hauptverhandlungstermin z.B. aufgrund Einstellung oder Berufungsrücknahme entbehrlich wird.
LG Siegen, Beschl. v. 3.7.2020 – 10 Qs 61/20
Auch ein (nur) telefonisch mit dem Verteidiger abgestimmter Termin, ist ein anberaumter Termin i.S.v. Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG. Eine Ladung ist nicht erforderlich.
AG Hamburg-Harburg, Beschl. v. 3.4.2020 – 620 Ls 192/18
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