Antragsberechtigt im Adhäsionsverfahren ist auch, wer einen fremden Anspruch im eigenen Namen im Wege sogenannter gewillkürter Prozessstandschaft geltend macht.
(Leitsatz des Verfassers)
I. Sachverhalt
Im Betrugsverfahren Adhäsionsentscheidungen
Das LG hat den Angeklagten wegen Betrugs in 23 Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt sowie eine Einziehungs- und zwei Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg. Die Revision gegen den Schuld- und Strafausspruch und die Einziehungsentscheidung hat der BGH nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
II. Entscheidung
Ausführungen zu den Adhäsionsentscheidungen
Die Adhäsionsentscheidungen hatten nach Auffassung des BGH ebenfalls Bestand. Auch soweit der Angeklagte zur Zahlung von Schadensersatz an die B GmbH verurteilt worden sei, liege ein wirksamer Adhäsionsantrag und damit die für das Annexverfahren von Amts wegen zu prüfende notwendige Verfahrensvoraussetzung vor (vgl. BGH, Beschl. v. 3.6.1988 – 2 StR 244/88, NStZ 1988, 470). Zwar habe die geschädigte Gesellschaft den Anspruch nicht selbst geltend gemacht (§ 403 S. 1 StPO); es liege allerdings ein näher begründeter Antrag der A GmbH vor, den Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz an ihre Tochtergesellschaft, die B GmbH, zu verurteilen.
Antragsbefugnis?
Anlass zu näherer Erörterung gebe – so der BGH – insoweit allein die hier an § 403 S. 2 StPO zu messende Antragsbefugnis. Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut sei hiernach antragsbefugt, wer einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch geltend mache. Diese Ergänzung des § 403 StPO sei eingefügt durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 25.6.2021 (BGBl I, S. 2099, 2105), Sie begründe – korrespondierend mit der bislang zum Entschädigungsrecht des Verletzten ergangenen Rechtsprechung (BT-Drucks 19/27654, S. 106 f.) – eine Antragsbefugnis auch für Personen, die nicht unmittelbare oder mittelbare Verletzte der Tat oder deren Erben seien (vgl. § 403 S. 1 StPO). Der Gesetzgeber habe die Antragsberechtigung insoweit von der – durch dasselbe Reformgesetz eingefügten – Legaldefinition des Verletztenbegriffs in § 373b StPO entkoppelt (vgl. BT-Drucks a.a.O.), um den Kreis der Berechtigten nicht auf die Verletzten nach § 373b StPO zu beschränken (vgl. KMR-StPO/Nepomuck, 118. Lfg., § 403 Rn 1; LR/Wenske, StPO, 27. Aufl., § 403 Rn 2; SSW-StPO/Schöch/Werner, 5. Aufl., § 403 Rn 1). Der Antragssteller nach § 403 S. 2 StPO könne deshalb etwa als Rechtsnachfolger des Verletzten, namentlich im Wege des vertraglichen (vgl. § 398 BGB) oder gesetzlichen Forderungsübergangs (vgl. § 116 Abs. 1 SGB X), einen eigenen Anspruch oder – nach Ermächtigung durch den Verletzten – einen fremden Anspruch im eigenen Namen geltend machen (sog. gewillkürte Prozessstandschaft).
Regelungssystematik
Dieses Normverständnis werde über den Gesetzeswortlaut hinaus durch die Regelungssystematik des Fünften Buches der StPO belegt (vgl. LR/Wenske, a.a.O.; a.A. KMR-StPO/Nepomuck, a.a.O., Rn 3; Meyer-Goßner/Schmitt, 66. Aufl., § 403 Rn 4; SSW-StPO/Schöch/Werner, a.a.O., § 403 Rn 3). Hiernach bestehen für Adhäsionskläger, die nicht Verletzte der Tat und damit prozessual nicht in gleicher Weise wie diese schutzwürdig sind, eigene, allerdings stark begrenzte Verfahrensrechte. So seien insbesondere die §§ 406d ff. StPO schon mangels Verletzteneigenschaft (§ 373b StPO) grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. BT-Drucks a.a.O., S. 108). Allein das Akteneinsichtsrecht sei für die nach § 403 S. 2 StPO Antragsberechtigten zur Anspruchsdurchsetzung spezifisch geregelt (vgl. § 406e Abs. 4 StPO; LR/Wenske, a.a.O., sowie § 406e Rn 47). Dem stehe auch die Gesetzesgenese nicht entgegen (a.A. BeckOK-StPO/Ferber, 49. Ed., § 403 Rn 1). Der Gesetzgeber habe mit § 403 S. 2 StPO eine Antragsberechtigung für Personen sicherstellen wollen, die nur mittelbar durch die Tat geschädigt seien (vgl. BT-Drucks a.a.O., S. 106). Hingegen sei den Gesetzesmaterialien – insbesondere im Lichte der vorgenannten gewichtigen normativen Gesichtspunkte – kein Anhalt dafür zu entnehmen, dass er sich ausdrücklich gegen eine erweiterte Antragsbefugnis ausgesprochen habe.
Antragsrecht folgt aus der Prozessstandschaft
Das Antragsrecht ergebe sich hier aus dem Gesichtspunkt der Prozessstandschaft. Eine gewillkürte Prozessstandschaft sei zulässig, wenn der Prozessführende vom Rechtsinhaber zu dieser Art der Prozessführung ermächtigt worden sei und er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr habe (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 10. 6.2016 – V ZR 125/15, NJW 2017, 486). Das schutzwürdige Eigeninteresse sei gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten habe (vgl. BGH, Urt. v. 2.10.1987 – V ZR 182/86, NJW-RR 1988, 126, 127; v. 5.2.2009 – III ZR 164/08, NJW 2009, 1213, 1215). Es könne auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden (vgl. BGH, Urt. v. 23.9.1992 – I ZR 251/90, BGHZ 119, 237, 242). Eine solche Prozessführungsbefugnis sei im Zivilprozess (vgl. BGH, Urt. v. 25.11.2004 – I ZR 145/02, BGHZ 161, 161, 165; v. 2.10.1987 – V ZR 182/86, NJW-RR 1988, 126, 127), aber auch im Adhäsionsverfahren von Amts wegen zu prüfen.
III. Bedeutung für die Praxis
Erweiterung
1. An der zunehmenden Zahl von Rechtsmittelentscheidungen zur Adhäsion kann man deutlich ablesen, dass deren Bedeutung in der Praxis immer mehr zunimmt, was ja u.a. auch auf die gesetzlichen Regelungen der letzten Jahre und die (Über-)Betonung des Opferschutzes durch den Gesetzgeber zurückzuführen ist. So also auch hier eine Erweiterung auf die Antragsberechtigung des (gewillkürten) Prozessstandschafters, die u.a. ihren Grund auch in den Änderungen durch das „Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a.“ vom 25.6.2021 (BGBl I, S. 2099) hat (dazu u.a. Burhoff, StRR 6/2022, 5; s.a. Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl. 2022, Rn 4702).
Anforderungen an die Antragsschrift
2. In vergleichbaren Fällen müssen zur Prozessstandschaft in der Antragschrift Ausführungen zum Verhältnis der Gesellschaften zueinander, insbesondere zum bestehenden wirtschaftlichen Interesse (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.1994 – I ZR 99/92, NJW-RR 1995, 358, 361) und der erteilten Ermächtigung gemacht werden (so inzidenter BGH im Beschluss).