1. Nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB beiseite geschaffte oder verheimlichte Gegenstände oder wirtschaftliche Vorteile sind Taterträge i.S.d. § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB.
2. Gegenstände, die der Täter oder ein Einziehungsbeteiligter als Wertersatz hinterlegt hat, um die Freigabe eines beschlagnahmten Rechts zu bewirken, unterliegen ungeachtet dessen, dass insoweit § 111d Abs. 2 S. 2 StPO keine (analoge) Anwendung findet, der Einziehung, sofern das später erkennende Gericht die Voraussetzungen der Einziehung des beschlagnahmten Rechts feststellt.
(Leitsätze des Gerichts)
I. Sachverhalt
Grundschuld verschleiert
Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen vorsätzlichen Bankrotts verurteilt und die Einziehung einer Grundschuld und eines hinterlegten Geldbetrags angeordnet. Der Angeklagte war Vorstandsmitglied und Hauptaktionär der E-AG. Zudem war er einziger Kommanditist und Alleingesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Mö GmbH & Co. KG, die Eigentümerin eines gleichnamigen Landguts war. Die E-Gruppe hatte ab 2007 Liquiditätsprobleme. In der Folgezeit ließ er über Strohleute und Scheinfirmen eine Grundschuld über 2,5 Millionen EUR an Grundstücken der Mö bestellen und ein abstraktes Schuldversprechen in gleicher Höhe abgeben. Später wurde die Grundschuld (einschließlich der Rechte aus dem abstrakten Schuldversprechen) in Höhe des noch bestehenden Betrags von zwei Millionen EUR an die ebenfalls vom Angeklagten beherrschte Einziehungsbeteiligte zu 1. abgetreten, die die Abtretung annahm. Im Insolvenzverfahren verschwieg er die Grundschuld und die genannten Umstände. Nach Einleitung des Strafverfahrens gegen den Angeklagten wurden die Grundschuld und die durch sie gesicherte Forderung beschlagnahmt. Später wurde hinsichtlich eines Teils der betroffenen Grundstücke mit Zustimmung der StA die Grundschuld gelöscht, nachdem im Gegenzug die Einziehungsbeteiligte zu 1. einen Geldbetrag in Höhe von 385.128,48 EUR hinterlegt hatte. Die Revisionen des Angeklagten und der Einziehungsbeteiligten zu 1. wurden verworfen.
II. Entscheidung
Einziehung der Grundschuld
Der 1. Senat führt zunächst eingehend aus, dass der Angeklagte durch die Übertragung der Grundschuld auf die Einziehungsbeteiligte zu 1. als Teilakt umfangreicher anderer Maßnahmen einen Bestandteil seines Vermögens beiseitegeschafft habe, der im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehört hätte. Durch die Abtretung der Grundschuld an die Einziehungsbeteiligte zu 1. sei der Zugriff der Gläubiger auf die bei dem Angeklagten verbliebenen Kommanditanteile und die Rückgewähransprüche bezüglich der abgetretenen Kommanditanteile (weiter) erheblich erschwert worden. Bei der Grundschuld und der durch sie gesicherten Forderung habe es sich um Taterträge gehandelt. Die Einziehungsbeteiligte zu 1. habe die Grundschuld nebst Forderung durch die Tat erlangt (§§ 73 Abs. 1 Alt. 1, 73b Abs. 1 Nr. 1 StGB). Ein Vermögensgegenstand oder sonstiger wirtschaftlicher Vorteil i.S.d. § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB sei „durch“ eine rechtswidrige Tat als Tatertrag erlangt, wenn er dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er der faktischen Verfügungsgewalt des Täters unterliegt (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2022, 109; NJW 2021, 1252 = StRR 4/2021, 12 [Deutscher]). Für die Bestimmung des Erlangten i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB n.F. komme es allein auf eine tatsächliche („gegenständliche“) Betrachtung an; wertende Gesichtspunkte seien nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht zu berücksichtigen (BGH NJW 2019, 1891). Da es sich bei dem Erlangen um einen tatsächlichen Vorgang handelt, seien zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse nicht entscheidend. Anders als bei Eigentums- und Vermögensdelikten, denen regelmäßig ein tatsächlicher Wechsel der Verfügungsmacht über einen Gegenstand oder wirtschaftlichen Vorteil innewohnt, ändere sich bei dem Tatbestand des Bankrotts (§ 283 StGB) zumindest in den Fällen des Beiseiteschaffens und Verheimlichens (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) an der Verfügungsgewalt des Täters regelmäßig nichts; der Täter hatte diese bereits vor der Tat inne. Gleichwohl seien nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB beiseite geschaffte oder verheimlichte Gegenstände oder wirtschaftliche Vorteile Taterträge i.S.d. § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB. Denn der Täter verschaffe sich oder einem Dritten durch die Tathandlung eine „insolvenzfeste“ Verfügungsgewalt über den beiseite geschafften oder verheimlichten Gegenstand, die ihm angesichts der eingetretenen Krise nicht mehr zusteht. Erlangt sei in diesen Fällen nicht die erstmalige Verfügungsgewalt über einen Gegenstand, sondern der den insolvenzrechtlichen Bestimmungen zuwiderlaufende Erhalt derselben. Es handele sich daher bei den beiseite geschafften oder verheimlichten Gegenständen auch nicht um Tatobjekte, was eine Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB ausschließen würde (BGHSt 67, 87 Rn 12 = NJW 2022, 3092). Gemessen an diesen Maßstäben unterlägen die Grundschuld und die durch sie gesicherte Forderung der Einziehung nach §§ 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB, 73b Abs. 1 Nr. 1 StGB. Es handele sich dabei zwar nicht um den beiseite geschafften Gegenstand selbst. Jedoch verkörperten diese Rechte die Belastung des Grundstücks und beinhalteten damit das Beiseiteschaffen. Sie unterlägen daher argumentum a maiore ad minus der Einziehung als Tatertrag.
Einziehung des hinterlegten Geldbetrags
Auch die Einziehung des Anspruchs auf Auszahlung des hinterlegten Geldbetrags (Nr. 2 Buchst. c der Urteilsformel) begegne keinen rechtlichen Bedenken. Zwar sei der Auszahlungsanspruch nicht im Wege dinglicher Surrogation (analog) § 111d Abs. 2 S. 2 StPO als Einziehungsgegenstand an die Stelle der Grundschuld getreten. § 111d Abs. 2 S. 2 StPO, der nach § 14 EGStPO Anwendung findet, gelte unmittelbar nur für die Beibringung eines Geldbetrags zur Erlangung der Freigabe beschlagnahmter beweglicher Sachen. Die vom LG angenommene analoge Anwendung der Norm wäre zwar nicht schon wegen fehlender Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) ausgeschlossen, da die Einziehung nicht den Charakter einer Strafe hat Eine Analogie setze jedoch eine planwidrige Regelungslücke voraus. Gegen eine solche sprächen indes hier die ausdifferenzierten Regelungen der §§ 111 ff. StPO für unterschiedliche Beschlagnahmegegenstände. § 111d Abs. 2 StPO entspreche zudem der Vorgängerregelung in § 111c Abs. 6 S. 2 StPO a.F. Trotz der umfassenden Neuordnung des Einziehungsrechts und der damit einhergehenden intensiven Analyse des bisherigen Regelungsgefüges habe der Gesetzgeber (bewusst) keinen Anlass für eine Normierung der vorliegenden Fallkonstellation gesehen. Gleichwohl sei die Einziehung zulässig. Gegenstände, die der Täter oder ein Einziehungsbeteiligter als Wertersatz hinterlegt hat, um die Freigabe eines beschlagnahmten Rechts zu bewirken, unterlägen, ungeachtet dessen, dass insoweit § 111d Abs. 2 S. 2 StPO keine (analoge) Anwendung findet, der Einziehung, sofern das später erkennende Gericht die Voraussetzungen der Einziehung des beschlagnahmten Rechts feststellt. Nach der Rechtsprechung des BGH könne der von der Einziehung Betroffene durch autonome Verfügungen Einfluss auf das Einziehungsverfahren nehmen. So kann er durch sein Einverständnis mit der formlosen Einziehung wirksam etwaige ihm zustehende Rechtspositionen aufgeben und dadurch eine förmliche Einziehungsentscheidung entbehrlich machen (BGHSt 63, 314 = NJW 2019, 1692 = StRR 3/2019, 15 [Deutscher]). Wenn der Betroffene durch Aufgabe einer Rechtsposition eine Einziehung rechtfertigen kann, so müsse es ihm ebenso möglich sein, zur Ablösung beschlagnahmter Rechte Wertersatz zu hinterlegen und dabei sein Einverständnis mit der Einziehung des Wertersatzes unter der Bedingung zu erklären, dass das später erkennende Gericht die Voraussetzungen der Einziehung der beschlagnahmten Rechte feststellt. Ohne Bedeutung dabei sei, ob die Einziehungsbeteiligte, wie sie geltend macht, „unter Protest“ hinterlegte. Sollte der Protest die Einziehung auch hindern, soweit die Voraussetzungen vorliegen, sei er als protestatio facto contraria nach zivilrechtlichen Grundsätzen (BGHZ 185, 291 Rn 37 = NJW 2010, 2731) unbeachtlich. Sollte er nur die Rückforderung vorbehalten, soweit die Voraussetzungen der Einziehung nicht vorliegen, entspreche dies der Bestimmung als Wertersatz. Die dem Angeklagten gewährte Restschuldbefreiung schließe die Einziehung gegenüber der Einziehungsbeteiligten zu 1. nicht aus (§ 73e StGB). Denn eine Restschuldbefreiung führe nicht zum Erlöschen der Verbindlichkeit, sondern nur zur Umwandlung in eine Naturalobligation, die erfüllbar, aber nicht erzwingbar ist (BGH NJW-RR 2021, 303 Rn 9).
III. Bedeutung für die Praxis
Büchse der Pandora
Die Einziehung des Wertes von Taterträgen oder des Wertersatzes verlangt die Begründung einer rein faktisch zu verstehenden Verfügungsmacht über das durch die Tat Erlangte. Für die allermeisten Delikte, die die rechtswidrige Begründung dieser tatsächlichen Verfügungsmacht als solche unter Strafe stellen (etwa Diebstahl, Betrug, Handeltreiben mit Betäubungsmitteln) ist das völlig unproblematisch. Anders hingegen, wenn der Täter durch die unter Strafe gestellte Handlung die zuvor schon vorhandene tatsächliche Verfügungsgewalt nur vertieft oder umwandelt. Die typische Definition wie o.g. funktioniert dann nicht mehr. So ist es auch beim Beiseiteschaffen im Rahmen des Bankrotts nach § 283 StGB. Der 1. Senat behilft sich in der für BGHSt vorgesehenen Entscheidung damit, hier sei nunmehr durch die Tat eine „insolvenzfeste“ Verfügungsgewalt geschaffen worden. Das mag vom Ergebnis her und mit Blick auf die Schutzrichtung des § 283 StGB nachvollziehbar sein. Allerdings ist die Folge, dass die bisherige Definition des Erlangten wohl auch wird erweitert werden müssen. Und damit folgt die nächste Krux: Ziel der Reform 2017 war, den Begriff des Erlangten rein tatsächlich zu fassen, Wertungen wie früher (Stichwort: Bereicherungszusammenhang) sollten irrelevant werden. Was aber bedeutet „insolvenzfest“? Das ist keine reine Tatsachenbeschreibung mehr, sondern umfasst auch eine Bewertung, ob wann und unter welchen Umständen die Umwandlung der rein faktisch zu begreifenden Verfügungsgewalt in eine „insolvenzfeste“ anzunehmen ist. Damit könnte die Büchse der Pandora geöffnet werden, die der Gesetzgeber mit der Reform gerade fest schließen wollte. Denn das würde zukünftig auch die Wertung des Schutzzwecks der Strafnorm erfordern, wie der BGH es hier tut, ohne dies ausdrücklich zu benennen (Rechtübersicht zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung bei Deutscher, StRR 11/2022, 7).