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Gegenstandswert bei Abwehr mehrerer Adhäsionsansprüche im Rechtsmittelverfahren

1. Tritt der Verteidiger im Adhäsionsverfahren den Anträgen mehrerer Adhäsionskläger entgegen, ist für die Gebührenberechnung der Gesamtgegenstandswert maßgeblich, der sich aus einer Zusammenrechnung der Gegenstandswerte der einzelnen Adhäsionsanträge ergibt.

2. Der Gegenstandswert von Adhäsionsanträgen bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Antragsteller, insbesondere nach den in den Anträgen genannten Beträgen. Im Rechtsmittelverfahren ist gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG der Antrag des Rechtsmittelführers maßgeblich, wobei der Wert durch denjenigen des Streitgegenstands im ersten Rechtszug beschränkt ist (§ 47 Abs. 2 S. 1 GKG).

(Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 7.11.20226 StR 124/22

I. Sachverhalt

U.a. Verurteilung zu Schmerzengeld …

Das LG hatte den Angeklagten im Adhäsionsverfahren verurteilt, Schmerzensgeld an die beiden Geschädigten zu zahlen, und zwar an die Adhäsionsklägerin S.K. in Höhe von 2.000 EUR und an den Adhäsionskläger MK in Höhe von 12.000 EUR. Außerdem hatte es festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, beiden Adhäsionsklägern künftige materielle Schäden zu ersetzen, die aus den abgeurteilten Taten entstehen, und dass die Ansprüche der Adhäsionskläger aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Angeklagten herrühren. Gegen das Urteil hatte der Angeklagte unbeschränkt Revision eingelegt. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der dem Angeklagten beigeordnete Verteidiger nunmehr beantragt, den Gegenstandswert seiner Tätigkeit im Adhäsionsverfahren in der Revisionsinstanz betreffend die Adhäsionsklägerin SK festzusetzen (§ 33 Abs. 1 RVG). Der BGH hat den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit des Verteidigers im Adhäsionsverfahren in der Revisionsinstanz betreffend die Adhäsionsklägerin SK auf 4.500 EUR und betreffend den Adhäsionskläger MK auf 14.500 EUR, mithin insgesamt auf 19.000 EUR, festgesetzt.

II. Entscheidung

Verteidigung gegen mehrere Adhäsionsanträge

Der BGH hat den Antrag auf Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren dahin ausgelegt, dass er sich auf beide Adhäsionskläger bezieht (§ 300 StPO). Trete der Verteidiger – wie hier – im Adhäsionsverfahren den Anträgen mehrerer Adhäsionskläger entgegen, sei für die Gebührenberechnung der Gesamtgegenstandswert maßgeblich (vgl. OLG Düsseldorf AGS 2017, 460 = RVGreport 2017, 375 = NStZ-RR 2017, 296), der sich aus einer Zusammenrechnung der Gegenstandswerte der einzelnen Adhäsionsanträge ergebe (vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A Rn 1590 m.w.N.).

Wirtschaftliches Interesse

Der Gegenstandswert von Adhäsionsanträgen bestimme sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Antragsteller, insbesondere nach den in den Anträgen genannten Beträgen (vgl. MüKo-StPO/Maier, § 472a Rn 28). Im Rechtsmittelverfahren sei gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG der Antrag des Rechtsmittelführers maßgeblich, wobei der Wert durch denjenigen des Streitgegenstands im ersten Rechtszug beschränkt sei (§ 47 Abs. 2 S. 1 GKG). Danach belaufe sich der Gesamtgegenstandswert hier auf 19.000 EUR. Er ergibt sich aus den zuerkannten Schmerzensgeldbeträgen von 2.000 EUR und 12.000 EUR sowie dem Wert der Aussprüche über die Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten für künftige materielle Schäden der Adhäsionskläger, den der BGH in Anbetracht der sich aus den Urteilsgründen ergebenden Umstände – ebenso wie das LG für das erstinstanzliche Verfahren – mit jeweils 2.500 EUR bemesse. Die Feststellungsaussprüche, wonach die Ansprüche der Adhäsionskläger aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Angeklagten herrühren, erhöhen den Gegenstandswert nicht, weil insoweit wirtschaftliche Identität mit den auf Vorsatztaten beruhenden Schmerzensgeldaussprüchen bestehe (vgl. BGH, Beschl. v. 13.2.2013 – II ZR 46/13, NJW-RR 2013, 1022 m.w.N.).

III. Bedeutung für die Praxis

Zutreffend

Das Adhäsionsverfahren spielt in der Praxis der Strafverfahren zunehmend eine Rolle. In dem Zusammenhang haben auch die mit der Festsetzung der Gegenstandswerte zusammenhängenden Fragen an Bedeutung zugenommen. In diesen Kontext ist die vorliegende Entscheidung einzuordnen. Sie ist zutreffend und entspricht der zur Gegenstandswertfestsetzung für die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4143 VV RVG vorliegenden Rechtsprechung und Literatur (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4143 VV Rn 22 ff. m.w.N.; zu den Gegenstandswerten im Straf- und Bußgeldverfahren siehe auch Burhoff, RVGreport 2011, 281 ff.).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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