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Gebühren des „Vertreters“ des Pflichtverteidigers im Hafttermin

1. Der (nur) für einen Hafttermin bestellte Pflichtverteidiger rechnet nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ab.

2. Grundgebühr und Verfahrensgebühr entstehen nach den Änderungen durch das 2. KostRModG immer nebeneinander.

3. Voraussetzung für das Entstehen der Post- und Telekommunikationsdienstleistungenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG ist, dass überhaupt entsprechende Entgelte angefallen sind, was bei einer mündlichen Beratung bzw. Besprechung nicht der Fall ist.

(Leitsätze des Verfassers)

LG Frankenthal (Pfalz), Beschl. v. 27.4.20231 Qs 76/23

I. Sachverhalt

Pflichtverteidiger nur im Hafttermin

Gestritten wird um die Gebühren des Vertreters des Pflichtverteidigers im Hafttermin. Das AG hatte die Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG bejaht, dann aber nur die Terminsgebühr und die Grundgebühr festgesetzt, die Verfahrensgebühr hingegen nicht. Das hatte es damit begründet, dass die Verfahrensgebühr mit der ersten Tätigkeit entstehe, die der Rechtsanwalt aufgrund des Auftrags, die Verteidigung im Ganzen zu übernehmen, erbringe. Eine solche Übernahme sei jedoch gerade nicht erfolgt. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel der als Pflichtverteidigerin im Hafttermin tätig gewordenen Rechtsanwältin hatte Erfolg.

II. Entscheidung

Grundgebühr und Verfahrensgebühr

Die Verfahrensgebühr entstehe – so die Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG – für das Betreiben eines Geschäfts einschließlich der Information. Nach Nr. 4104 VV RVG könne diese Verfahrensgebühr auch schon im vorbereitenden Verfahren, d.h. im Zeitraum bis zum Eingang der Anklageschrift, entstehen. Die Verfahrensgebühr gelte grundsätzlich die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im vorbereitenden Verfahren mit Ausnahme der (besonderen) Tätigkeiten, die durch die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG oder ggf. durch die Gebühr für die Teilnahme an den in Nr. 4102 VV RVG genannten Terminen abgegolten werden, ab (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 25. Aufl. 2021, VV 4104 Rn 6). Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG sehe vor, dass die Grundgebühr neben der Verfahrensgebühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall nur einmal und unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt sie erfolgt, entstehe. Während vor dem Inkrafttreten des 2. KostRMoG die Abgrenzung zwischen der jeweiligen Verfahrensgebühr von der Grundgebühr streitig gewesen sei, sei durch die zuvor genannte Formulierung der Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG klargestellt, dass für die Tätigkeit des Rechtsanwalts in (jedem) gerichtlichen Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr entstehe. Die Grundgebühr, die den zusätzlichen Aufwand für die erstmalige Einarbeitung in die Angelegenheit honorieren soll, entstehe daneben (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV Vorbem. 4 Rn 11). Tätigkeiten, die in den Abgeltungsbereich der Grundgebühr fallen, schließen das Anfallen der Verfahrensgebühr nicht aus. Grund- und Verfahrensgebühr entstehen insbesondere nicht zeitlich aneinandergereiht, d.h. die Verfahrensgebühr entstehe – zeitlich gesehen – nicht erst, wenn die Grundgebühr durch erste Einarbeitung in den Fall entstanden sei, deren Abgeltungsbereich also abgegolten sei, und sodann weitere Tätigkeiten erbracht werden. Vielmehr haben beide Gebühren überschneidende Abgeltungsbereiche dahingehend, dass das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information auch durch die erste Akteneinsicht bzw. das erste Mandantengespräch erfolge, was durch die Klarstellung in Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG deutlich werde (BeckOK-RVG/Knaudt, RVG VV 4104 Rn 9 f.). Dies zugrunde gelegt sei daher auch von einer Entstehung der Verfahrensgebühr neben der Grundgebühr auszugehen, weshalb diese nebst anteiliger Umsatzsteuer ergänzend festzusetzen gewesen sei.

III. Bedeutung für die Praxis

Zutreffend

1. Die Entscheidung ist sowohl zutreffend hinsichtlich der Anwendung von Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG (vgl. dazu die Nachw. in der Anmerkung zu AG Ludwigshafen) als auch hinsichtlich des Verhältnisses von Grundgebühr und Verfahrensgebühr (auch dazu StRR Sonderausgabe 5/2023, 32). Dem ist jeweils nichts hinzuzufügen.

Auslagenpauschale

2. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt aber. Die Rechtsanwältin hatte auch die Nr. 7002 VV RVG geltend gemacht. Die hat das LG leider nicht auch festgesetzt: Diese Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG sei vorliegend nicht festzusetzen. Während deren Höhe irrelevant sei, sei Voraussetzung für die Festsetzung der Pauschale, dass überhaupt entsprechende Entgelte angefallen seien, was bei einer mündlichen Beratung bzw. Besprechung nicht der Fall sei. Dies sei vom Rechtsanwalt im Rahmen der Vergütungsfestsetzung – zum Beispiel durch Vorlage eines entsprechenden Schreibens – nachzuweisen (BeckOK-RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, RVG VV 7002 Rn 2 f.). Soweit die Entgelte lediglich im Rahmen der Geltendmachung der Vergütung entstehen, könnten sie nicht abgerechnet werden (BeckOK-RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, RVG VV 7001 Rn 3). Da sich weder aus dem Vorbringen der Rechtsanwältin im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens noch aus der Akte im Übrigen ergebe, dass Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen tatsächlich angefallen seien, entspreche deren Nichtfestsetzung der Sach- und Rechtslage.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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