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Einziehung des Führerscheinformulars

Die anwaltliche Vertretung eines Beschuldigten in einem Strafverfahren, in dessen Lauf die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wird, löst keinen Gebührenanspruch nach 4142 VV RVG aus. Das gilt auch für die Einziehung des Führerscheinformulars.

(Leitsatz des Verfassers)

AG Frankfurt a.M., Beschl. v. 3.3.2023993 Cs 443 Js 2095/20 (41/23)

I. Sachverhalt

Einziehung des Führerscheinformulars

Der Rechtsanwalt hat den Angeklagten in einem Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verteidigt. Dem Angeklagten ist mit Beschluss des AG die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden. Der Verteidiger macht nunmehr für diese Maßnahme, die auch mit der vorherigen Beschlagnahme des Führerscheinformulars verbunden war, eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG geltend. Die Bezirksrevisorin hat gerichtliche Festsetzung der Gebühr auf 0 EUR beantragt. Das AG hat dem Antrag entsprochen.

II. Entscheidung

Entziehung ist keine Einziehung

Nach Auffassung des AG löst die anwaltliche Vertretung eines Beschuldigten in einem Strafverfahren, in dessen Lauf die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wird, keinen Gebührenanspruch nach Nr. 4142 VV RVG aus. Einer solchen Auslegung stehe der eindeutige Wortlaut der Vorschrift sowie die Vorbemerkung zu Nr. 4142 VV RVG entgegen. Die Tätigkeit des Verteidigers müsse sich auf die Einziehung oder verwandte Maßnahmen und die in Nr. 4142 Anm. 1 VV RVG aufgeführten weiteren Fälle beziehen. Hinsichtlich der verwandten Maßnahmen werde auf den § 439 StPO verwiesen. Gemäß § 439 StPO stehen die Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes i.S.d. §§ 421 bis 436 der Einziehung gleich. Darin sei ausdrücklich keine Einziehung nach § 69 StGB genannt. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass es sich dabei um eine ungewollte Gesetzeslücke handelt.

Nach § 88 S. 3 BRAO habe der Rechtsanwalt den Betragsrahmen um bis zu 25 % übersteigen können, wenn er eine Tätigkeit ausübte, die sich auf ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis erstreckte und der Betragsrahmen der Gebühr nicht ausreichte, die Tätigkeiten des Rechtsanwalts angemessen zu vergüten. Diese Vorschrift sei bewusst nicht in das RVG übernommen worden, wie sich aus der Vorbemerkung zu Nr. 4142 VV RVG ergibt, die wörtlich erklärt, dass Nr. 4142 VV RVG nur teilweise dem § 88 BRAO entspricht. Der Gesetzgeber habe sich damit bewusst dafür entschieden, die Regelung des § 88 S. 3 BRAO nicht zu übernehmen, sondern es bei einer Bezugnahme auf § 439 StPO zu belassen (OLG Koblenz, Beschl. v. 13.2.2006 – 2 Ws 98/06).

Für die Tätigkeiten im Rahmen der Entziehung der Fahrerlaubnis stehe dem Verteidiger keine Gebühr nach VV 4142 RVG zu. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei keine Einziehung i.S.v. Nr. 4142 VV RVG. Die Vorschrift könne – wie dargelegt – auch nicht entsprechend angewendet werden.

Einziehung/Beschlagnahme des Führerscheinformulars

Die Beschlagnahme des Führerscheinformulars sei, so das AG, nicht anders zu bewerten. Auch bei dieser Maßnahme handele es sich nicht um eine Einziehung von Vermögenswerten und Gleichwertiges i.S.d. Nr. 4142 VV RVG. Auch für die Beschlagnahme des Führerscheinformulars falle mangels gesetzlichen Gebührentatbestands keine Gebühr an. Nr. 4142 VV RVG ist hier genauso wenig einschlägig wie beim Entzug der Fahrerlaubnis. Die Einziehung des Führerscheinformulars sei lediglich zwingende Folge des Entzugs der Fahrerlaubnis.

III. Bedeutung für die Praxis

Falsche Entscheidung

1. Man fragt sich, was so schwer daran ist, die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Führerscheinformulars gebührenrechtlich richtig einzuordnen. Die Entziehung ist keine Einziehung. Das hat das AG richtig vom OLG Koblenz (a.a.O.) abgeschrieben und wird auch an keiner Stelle bestritten. Aber warum die Einziehung des Führerscheinformulars nach § 69 Abs. 3 S. 2 StGB nicht zum Anfall der Gebühr Nr. 4142 VV RVG führen soll, erschließt sich nicht. Wenn man schon so vehement auf den Wortlaut der Nr. 4142 VV RVG und den Begriff „Einziehung“ abstellt, dann bitte aber auch an allen Stellen und nicht nur da, wo es in den Kram passt. Im Übrigen: Auch die Annahme des AG, „Die Einziehung des Führerscheinformulars ist lediglich zwingende Folge des Entzugs der Fahrerlaubnis“, trägt seine Entscheidung nicht. Denn die Überlegung gilt für alle Einziehungen, die immer Folge der Verurteilung des Angeklagten sind. Mit der Begründung könnte man, wenn man wollte, den Anfall der Nr. 4142 VV RVG auch in anderen Fällen verneinen.

Unterschiedliche Rechtsprechung

2. Das AG Frankfurt a.M. befindet sich aber in guter (?) Gesellschaft, denn ebenso falsch hat vor Kurzem das LG Amberg entschieden (Beschl. v. 18.5.2022 – 11 Qs 9/22, AGS 2022, 314). Richtig gemacht hat es hingegen das AG Freiburg (Urt. v. 6.11.2020 – 4 C 1193/20, VRR 1/2021, 25 = StRR 2/2021, 38).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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