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Verweigerung des Befehls zur Covid-19-Impfung durch einen Soldaten

Zur Strafbarkeit der Verweigerung eines Soldaten, einen Befehl zu befolgen, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen.

(Leitsatz des Gerichts)

OLG Celle, Beschl. v. 29.9.20221 Ss 14/22

I. Sachverhalt

Befehl zur Impfung verweigert

Das AG hat den Angeklagten wegen Gehorsamsverweigerung verurteilt. Er ist Soldat der Bundeswehr. Er erhielt im Dezember 2021 von seinem Vorgesetzten telefonisch den Befehl, sich im Sanitätszentrum gegen Covid-19 impfen zu lassen. Der Angeklagte weigerte sich, dem von ihm als solchen erkannten Befehl Folge zu leisten, mit der im Telefonat mit seinem Vorgesetzten ausgeführten Begründung, er halte den Befehl für rechtswidrig. Auch dem daraufhin fünf Tage später schriftlich wiederholten Befehl leistete er bis zur Verkündung des amtsgerichtlichen Urteils keine Folge. Seine Sprungrevision war erfolgreich.

II. Entscheidung

Befehl war verbindlich

§ 20 WStG diene der strafrechtlichen Absicherung jeden verbindlichen Befehls, wobei in § 11 SG geregelt ist, welche Befehle verbindlich sind. Unverbindlich seien danach unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit grundsätzlich nur solche Befehle, die die Menschenwürde verletzen, die nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt wurden oder gar zur Begehung einer Straftat verpflichten. Dafür sei nichts ersichtlich. Den Befehlen hafte auch kein solcher Mangel an, dass sie unverbindlich wären, weil sie mit dem Sinn des Befehlsverhältnisses unvereinbar sind, insbesondere weil sie unter offensichtlicher Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zwischen Mittel und Zweck in die Persönlichkeitssphäre des Soldaten eingriffen und ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dienstlichem Erfordernis und dem Eingriff in die Rechte des Soldaten aufwiesen (MK-StGB/Dau, 4. Aufl. 2022, § 2 WStG Rn 36). Nach § 17a Abs. 2 S. 1 SG müsse der Soldat ärztliche Eingriffe, zu denen u.a. Impfungen gehören, auch gegen seinen Willen dulden, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen (BVerwG, Beschl. v. 22.12. 2020 – 2 WNB 8.20, Rn 13). Eine Ausnahme bestehe insoweit gem. § 17a Abs. 4 S. 2 SG nur, wenn im Einzelfall die ärztliche Behandlung mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit des Soldaten verbunden wäre. Das sei hier nicht ersichtlich. Die befohlene Maßnahme sei zudem geeignet, die Gesundheit des Angeklagten zu erhalten und die weitere Ausbreitung des Covid-19-Virus zu verringern (BVerfGE 159, 223 Rn 173, 239 = NJW 2022, 139; Bespr. Deutscher, StRR 12/2021, 12, 6). Allgemeine Gründe für die Rechtswidrigkeit der Erteilung des auf § 17a Abs. 2 Nr. 1 SG in Verbindung mit der Zentralen Dienstvorschrift A840/8 und der hierauf fußenden allgemeinen Regelung A1-840/8-4000 „Impf- und Prophylaxemaßnahmen“ gestützten Befehls seien ebenfalls nicht ersichtlich.

Irrtum über Rechtmäßigkeit des Befehls ist denkbar

Allerdings habe sich das AG nicht mit der Frage eines Irrtums auseinandergesetzt, obwohl es festgestellt hat, dass der Angeklagte von der Rechtswidrigkeit der Befehle ausgegangen ist und geglaubt habe, sie deshalb nicht befolgen zu müssen. Gemäß § 22 Abs. 3 WStG handelt ohne Schuld, wer einem unvermeidbaren Irrtum über die Unverbindlichkeit eines Befehls erliegt, wenn ihm zudem die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen den Befehl nicht zumutbar war. Auch wenn schon ein unvermeidbarer Irrtum eher fernliegt, hätte es dazu weiterer Feststellungen bedurft, weil die Unvermeidbarkeit des Irrtums in tatsächlicher Hinsicht nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.

III. Bedeutung für die Praxis

Nur vorläufig

Mal wieder Corona und Strafrecht, hier in der Einkleidung der Befehlsverweigerung zur Impfung durch einen Soldaten. Das OLG Celle begründet auf der Grundlage der wehrstrafrechtlichen Vorgaben des BVerwG und ergänzend des BVerfG zur Rechtmäßigkeit von Beschränkungen wegen Corona überzeugend, dass hier ein verbindlicher Befehl vorlag. Die weiteren Erwägungen zu einem möglichen Irrtum sind zutreffend, dürften aber eher theoretischer Natur sein und den Angeklagten kaum vor einer Verurteilung schützen Die wehrstrafrechtliche Sonderform des Verbotsirrtums in § 22 Abs. 3 WStG sieht beim unvermeidbaren Irrtum über der die Verbindlichkeit des Befehls einen Schuldausschluss vor. Schon das Vorliegen eines unvermeidbaren Irrtums erscheint bei dem allgemeinen Kenntnisstand zu Corona und den Vorteilen einer Impfung im Dezember 2021 recht fraglich. Hier dürfte auch die weitere Voraussetzung fernliegen, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs (Gegenvorstellung, Meldung, Dienstaufsichtsbeschwerde) nicht zumutbar war. Schon allgemein dürfte das im regulären Dienstbetrieb kaum denkbar sein (MK/Dau, § 22 Rn 13). Hier hätte nach der mündlichen Anordnung Zeit und Gelegenheit bestanden, mit Rechtsbehelfen gegen den Befehl vorzugehen. Das hat der Angeklagte wie auch bei dem fünf Tage später schriftlich erteilten Befehl unterlassen. Ein Absehen von der Bestrafung in solchen Fällen nach § 22 Abs. 3 2. Hs. WStG dürfte schon aus generalpräventiven Gründen kaum in Betracht kommen.

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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