Auswirkungen der Zahlung innerhalb der Schonfrist auf fristlose und ordentliche Kündigung
BGH, Urt. v. 13.10.2021– VIII ZR 91/20
I. Der Fall
Die Mietvertragsparteien streiten um die Räumung einer Mietwohnung. Der Beklagte mietete mit Vertrag vom 28.9.2015 eine Wohnung der Klägerin in Berlin. Wegen angeblicher Mängel zahlte er statt der vereinbarten Bruttomiete von 1.000 EUR nur 840 EUR, im Mai 2019 gar nichts. Nachdem ein Rückstand von 2.600 EUR aufgelaufen war. sprachen die Kläger mit Schreiben vom 7.5.2019 die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs aus. Am 21./22.6.2019 überwies der Beklagte die rückständigen Mieten. Die in erster Instanz erfolgreiche Räumungsklage gegen den Mieter blieb in der Berufung ohne Erfolg, da das Berufungsgericht unter ausdrücklicher Ablehnung der höchstrichterlichen Rechtsprechung von einer Unwirksamkeit auch der ordentlichen Kündigung aufgrund der Zahlung innerhalb der Schonfrist ausging. Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Revision des Vermieters.
II. Die Entscheidung
Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Das Berufungsgericht ging zu Unrecht davon aus, dass auch die ordentliche Kündigung aufgrund der Zahlung innerhalb der Schonfrist unwirksam geworden sei. Es ist bereits methodisch von einem falschen Ansatz ausgegangen, wenn es aufgrund der vermeintlichen Systematik des Gesetzes den Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften nur noch daraufhin untersuchte, ob er das aus der Systematik entwickelte Ergebnis zwingend widerlege. Tatsächlich ist der Wortlaut im Auslegungskanon zumindest gleichwertig. Hier ergibt sich schon aus der amtlichen Überschrift des § 569 BGB, dass die Wirkung der Zahlung innerhalb der Schonfrist nur zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führt. Dies entspricht auch der Systematik des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB, da die Einordnung dort nur den Grund hat, dass die Wirkung der Schonfristzahlung auf das Wohnraummietrecht beschränkt ist. Deren Beschränkung auf die außerordentliche Kündigung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der sich in den Gesetzesmaterialien dokumentiert. Denn diese sahen ausdrücklich nur eine „Sonderregelung für die fristlose Kündigung“ vor (BT-Drucks 14/4553, S. 64). Zudem hat der Gesetzgeber Bestrebungen einer Erweiterung der Schonfristzahlung auf hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigungen auch in der Folgezeit abgelehnt.
III. Der Praxistipp
Die ungemein ausführlich begründete, geradezu schulmäßig die Auslegungsmethoden vorexerzierende Entscheidung macht auch dem zweiten Versuch der 66. Zivilkammer des LG Berlin den Garaus, die ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs zu entwerten. Bei einem Zahlungsverzug gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB bleibt es also dabei, dass fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung miteinander verbunden werden können.