Beitrag

Keine Beschwer der Partei bei Festsetzung eines zu niedrigen Streitwertes

§§ 63, 68 Abs. 1 GKG

Eine Partei wird durch die Festsetzung eines zu niedrigen Streitwerts regelmäßig nicht beschwert.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.9.202326 W 11/23
I.

Sachverhalt

Mit ihrer vor dem LG Wiesbaden erhobenen Klage haben die Kläger begehrt, die Zwangsvollstreckung aus einem näher beschriebenen Vergleich für unzulässig zu erklären und die Beklagte zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung dieses Vergleichs zu verurteilen. Mit Urt. v. 12.7.2023 hat das LG Wiesbaden der Klage teilweise stattgegeben und sie i.Ü. abgewiesen. Durch Beschl. v. 19.7.2023 hat das LG Wiesbaden den Streitwert auf „bis EUR 500,00“ festgesetzt.

Mit der am 6.8.2023 beim LG Wiesbaden eingegangenen Streitwertbeschwerde vom selben Tage hat die Prozessbevollmächtigte der Kläger „namens der Kläger“ Beschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert auf 1.800,00 EUR heraufzusetzen. Das LG Wiesbaden hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Frankfurt zur Entscheidung vorgelegt. Dessen Einzelrichter hat bei der Prozessbevollmächtigten der Kläger nachgefragt, ob es sich bei der Streitwertbeschwerde um ein Rechtsmittel der Kläger oder um ein solches der Prozessbevollmächtigten der Kläger handele. Die Rechtsanwältin hat hieraufhin schriftlich klargestellt, dass es sich bei der Beschwerde um ein Rechtsmittel der Kläger handele.

II.

Streitwertbeschwerde

1.Gesetzliche Grundlagen

Vorliegend hat das LG Wiesbaden nach Beendigung des Rechtsstreits durch Urt. v. 12.7.2023 den Streitwert gem. § 63 Abs. 2 S. 1 GKG durch gesonderten Beschluss festgesetzt.

Gegen die Festsetzung des Streitwertes findet gem. § 68 Abs. 1 S. 1 GKG die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder wenn das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Streitwertbeschwerde sind in § 68 Abs. 1 S. 3 und 4 GKG geregelt.

2.Keine Beschwer der Kläger

Nach Auffassung des OLG Frankfurt war die ausdrücklich namens der Kläger eingelegte Streitwertbeschwerde unzulässig, weil die Kläger durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert seien. Das OLG hat darauf hingewiesen, dass eine Partei durch die Festsetzung eines zu niedrigen Wertes grds. nicht beschwert ist (BGH NJW-RR 1986, 737; BGH WuM 2012, 114; OLG Frankfurt JurBüro 2020, 38; GK/Volpert/Fölsch, 3. Aufl., 2021, § 68 GKG Rn 33). Die von den Klägern selbst erstrebte Heraufsetzung des Streitwertes würde nämlich – was das OLG Frankfurt nicht näher erörtert hat – zur Berechnung einer noch höheren gerichtlichen Verfahrensgebühr nach Nr. 1210 GKG KV führen.

Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer auf die Erhöhung gerichteten Streitwertbeschwerde besteht nach den weiteren Ausführungen des OLG Frankfurt auch dann nicht, wenn durch die Festsetzung des erstrebten höheren Streitwertes das finanzielle Risiko der Gegenpartei an der Prozessführung gesteigert werden soll (BGH RVGreport 2010, 38 [Hansens]; BGH WuM 2012, 114; OLG Brandenburg NJW-RR 2023, 775; OLG Frankfurt JurBüro 2020, 38).

3.Streitwertbeschwerde ausnahmsweise zulässig

In Ausnahmefällen kann eine Partei auch durch eine ihrer Auffassung nach zu niedrige Festsetzung des Streitwertes beschwert sein. Ein solcher Fall kann etwa bei Abschluss einer Honorarvereinbarung vorliegen, aufgrund derer sich die Partei einer Honorarforderung ausgesetzt sieht, die die gesetzlichen Gebühren aus dem festgesetzten Streitwert übersteigen (OLG Düsseldorf AGS 2006, 188; OLG Frankfurt AG kompakt 2010, 26). Derartige Umstände hatten hier die Kläger weder vorgetragen noch waren sie sonst ersichtlich.

III.

Bedeutung für die Praxis

Der Entscheidung des OLG Frankfurt ist zuzustimmen. Es ist schon verwunderlich, warum hier die Prozessbevollmächtigte der Kläger die Streitwertbeschwerde im Namen ihrer Mandanten eingelegt hat. An sich hätte sie wissen müssen, dass nach allgemeiner Auffassung in Rspr. und Lit. die Erhebung einer Streitwertbeschwerde der Partei, mit der eine Erhöhung des Streitwertes begehrt wird, unzulässig ist. Die Rechtsanwältin hatte auch keinerlei Umstände vorgetragen, aus denen ausnahmsweise die Zulässigkeit einer solchen Streitwertbeschwerde hätte hergeleitet werden können. Besonders gewarnt hätte die Prozessbevollmächtigte der Kläger durch die Rückfrage des Berichterstatters des mit dem Streitwertbeschwerdeverfahren befassten Senats des OLG Frankfurt sein müssen, der angefragt hat, in wessen Namen die Streitwertbeschwerde eingelegt worden ist.

Vielleicht hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihre Mandanten „nur vorgeschoben“, um eine höhere Streitwertfestsetzung zu erreichen und damit auch höhere Anwaltsgebühren abrechnen zu können. Wenn die Anwältin dieses Ziel hätte verfolgen wollen, wäre dies schiefgegangen. Vielmehr hätte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die auf Erhöhung des Streitwertes gerichtete Beschwerde im eigenen Namen erheben müssen. Hierzu war sie gem. § 32 Abs. 2 S. 1 RVG ausdrücklich berechtigt. Mit Einlegung der auf Erhöhung des Streitwertes gerichteten Beschwerde hätte sie dann nicht als Vertreterin der Kläger gehandelt, sondern ihr eigenes Recht verfolgt. Dies mag manchem Rechtsanwalt seltsam vorkommen, weil er im Erfolgsfalle ja seinen Mandanten dadurch schadet, dass er ihm eine höhere Anwaltsvergütung in Rechnung stellen kann. Eine falsche Bescheidenheit insoweit ist jedoch völlig unangebracht, weist nämlich § 32 Abs. 2 RVG dem Rechtsanwalt ausdrücklich ein eigenes Recht auf Einlegung der Streitwertbeschwerde zu. Dies sollte der Rechtsanwalt, der eine auf Erhöhung des Streitwertes gerichtete Beschwerde einlegen will, mit seinem Mandanten kurz erörtern, damit dieser nicht der Auffassung ist, sein eigener Rechtsanwalt „falle ihm in den Rücken“.

https://www.juris.de/perma?d=jzs-AGS-2023-12-022-569

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

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