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Kostenentscheidung bei Klage auf künftige Räumung

§§ 91 Abs. 1 S. 1, 93, 257, 307 S. 1 ZPO

Der auf künftige Räumung verklagte Mieter von Gewerberäumen ist zur Vermeidung der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht gehalten, sich auf eine Aufforderung des Vermieters zu seiner Bereitschaft zu erklären, die Mieträume bei Vertragsende an den Vermieter herauszugeben. Allein durch sein Schweigen auf eine solche Aufforderung des Vermieters gibt er noch keine Veranlassung zur Klageerhebung i.S.v. § 93 ZPO.

BGH, Beschl. v. 28.6.2023XII ZB 537/22
I.

Sachverhalt

Zwischen den Klägern und den Beklagten bestand seit August 2018 ein zunächst befristetes und später unbefristetes Mietverhältnis über von den Beklagten als Arztpraxis genutzte Räumlichkeiten. Unter dem 16.3.2022 erklärten die Kläger fristgerecht die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.9.2022. Hierauf reagierten die Beklagten zunächst nicht. Da die Kläger jedoch eine Anschlussvermietung planten, forderten sie die Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 28.4.2022 auf, bis zum 12.5.2022 die fristgerechte Räumung der Mieträume zu bestätigen. Auch hierauf reagierten die Beklagten nicht. Mit weiteren anwaltlichen Schreiben vom 27.5.2022 forderten die Kläger die Beklagten erneut zur Bestätigung der fristgerechten Räumung bis spätestens 10.6.2022 auf.

Mangels Reaktion der Beklagten hierauf haben die Kläger im Juli 2022 vor dem LG Duisburg Klage auf künftige Räumung der Räumlichkeiten gegen die Beklagten erhoben und die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt. Anfang August 2022 führten die Beklagten Gespräche mit der Nachmieterin und einigten sich mit dieser über die Übernahme von Mobiliar. Dies teilten die Beklagten dem Kläger zu 2 am 11.8.2022 mit und schlugen die letzte Septemberwoche für die Rückgabe der Räumlichkeiten vor. In dem vom LG Duisburg angeordneten schriftlichen Vorverfahren haben die Beklagten nach Zustellung der Klage am 12.8.2022 die geltend gemachten Ansprüche am 24.8.2022 unter Protest gegen die Kostenlast anerkannt. Hierzu haben sie vorgetragen, sie hätten den Klägern keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Außerdem kündigten die Beklagten in dem Rechtsstreit an, die Mieträume pünktlich zum Vertragsende geräumt herauszugeben.

Das LG Duisburg hat die Beklagten ihrem Anerkenntnis gem. verurteilt und ihnen die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Auf die gegen diese Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hat das OLG Düsseldorf das Anerkenntnisurteil des LG Duisburg im Kostenpunkt geändert und den Klägern die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die hiergegen von den Klägern gerichtete, vom OLG Düsseldorf zugelassene, Rechtsbeschwerde hatte beim BGH keinen Erfolg.

II.

Grundsätze der Kostenentscheidung

Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Von diesem Grundsatz macht § 93 ZPO eine Ausnahme für den Fall, in dem der Beklagte den klageweise geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt und er durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Klage gegeben hat. In einem solchen Fall trifft den in der Hauptsache erfolgreichen Kläger die Kostenlast.

Nach Auffassung des BGH haben hier die Voraussetzungen des § 93 ZPO vorgelegen.

1.Sofortiges Anerkenntnis

Die Beklagten hatten hier innerhalb der zweiwöchigen Notfrist zur Abgabe einer Verteidigungsanzeige gem. § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO die Klageforderung anerkannt. Damit haben sie nach Auffassung des BGH ihr Anerkenntnis sofort i.S.d. § 93 ZPO erklärt.

2.Veranlassung zur Klageerhebung

Nach den weiteren Ausführungen des BGH haben die Beklagten hier auch durch ihr Schweigen auf die zweimalige vorprozessuale Aufforderung der Kläger, ihre Bereitschaft zur Herausgabe der Mieträume bei Ende der Mietzeit zu bestätigen, keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Eine Veranlassung zur Klageerhebung i.S.v. § 93 ZPO gebe der Beklagte nur dann, wenn sein Verhalten vor dem Prozess aus Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme biete, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muss nach Auffassung des BGH unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls geprüft werden.

a)Grundsätzlich keine Erklärung der Leistungsbereitschaft erforderlich

Der BGH hat die Auffassung des OLG Düsseldorf geteilt, der Schuldner sei im Allgemeinen vor Fälligkeit des Anspruchs grds. nicht verpflichtet oder zur Vermeidung eigener Kostennachteile gehalten, sich zu seiner Leistungsbereitschaft zu erklären.

b)Keine Ausnahmen im gewerblichen Mietrecht

Nach Auffassung des BGH beurteilt sich dies für das gewerbliche Mietrecht nicht anders. Allerdings ist diese Frage in Rspr. und Lit. umstritten.

  • Nach einer Auffassung in Rspr. und Lit. hat der Mieter jedenfalls bei erkennbar begründeter Kündigung Veranlassung zur Klage gegeben, wenn er seine Bereitschaft, das Mietobjekt bei Ablauf der Mietzeit geräumt an den Vermieter herauszugeben, auf Aufforderung des Vermieters nicht erklärt. Dies wird damit begründet, der Vermieter habe ein berechtigtes Interesse daran, frühzeitig zu erfahren, ob die Mieträume sofort nach Ende der Mietzeit für eine Weitervermietung oder für Bau- oder Sanierungsarbeiten zur Verfügung stehen.

  • Nach anderer Auffassung, der sich hier auch das OLG Düsseldorf angeschlossen hatte, gibt der Mieter nicht allein deshalb Veranlassung zur Klage, weil er sich auf Nachfrage des Vermieters vor Fälligkeit des Räumungs- und Herausgabeanspruchs nicht zu seiner Erfüllungsbereitschaft erklärt. Vielmehr bedürfe es insoweit eines aktiven Verhaltens des Mieters, aus dem der Vermieter den Schluss ziehen könne, dass der Mieter seiner Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe des Mietobjektes bei Ende der Mietzeit nicht nachkommen werde.

3.Klage auf künftige Räumung und sofortiges Anerkenntnis

Dieser Auffassung hat sich der BGH hier angeschlossen.

a)Verhältnis des § 257 ZPO zu § 93 ZPO

Die in § 257 ZPO eröffnete Möglichkeit, eine Klage auf künftige Räumung zu erheben, soll nach Auffassung des BGH dem Gläubiger des Räumungsanspruchs zwar eine frühzeitige Möglichkeit zur gerichtlichen Durchsetzung seines erst künftig fällig werdenden Anspruchs eröffnen. Ihm solle jedoch das Kostenrisiko, das sich gem. § 93 ZPO aus einem vom als Räumungsschuldner in Anspruch genommenen Besitzer ggf. erklärtem sofortigen Anerkenntnis ergibt, nicht abgenommen werden. Die Regelung in § 93 ZPO stelle vielmehr ein wichtiges gesetzliches Korrektiv zur Wahrung der schutzwürdigen Belange des Schuldners dar. Der Räumungsschuldner sei bei einer Klage auf künftige Räumung gem. § 257 ZPO schon vor der Fälligkeit einem Rechtsstreit über eine Räumungsverpflichtung ausgesetzt, ohne dass er hierzu Anlass gegeben haben muss. Der Mieter könne auch einen solchen Rechtsstreit effektiv nicht vermeiden. Bei dieser Verfahrenslage komme – so argumentiert der BGH – der durch § 93 ZPO eröffneten Möglichkeit des Beklagten, durch ein sofortiges Anerkenntnis eine nachteilige Kostenfolge abzuwenden, eine besondere Bedeutung zu. Die Kostenregelung von § 93 ZPO, die dem Räumungsgläubiger das Kostenrisiko eines anlasslosen Rechtsstreits zuweise, trage den Interessen beider Parteien angemessen Rechnung.

b)Verhalten des Beklagten vor Fälligkeit

Bei der Frage, ob der Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung i.S.v. § 93 ZPO gegeben hat, kann es nach Auffassung des BGH im Rahmen einer Klage auf künftige Räumung gem. § 357 ZPO von vornherein nur auf das Verhalten des Beklagten vor Fälligkeit des Anspruchs ankommen. Aus der ex-ante-Sicht des Gläubigers und späteren Klägers bedürfe es konkreter, aus dem Verhalten des Schuldners abzuleitender Anhaltspunkte dafür, dass dieser bei Fälligkeit nicht leisten werde, mithin den Räumungsanspruch nicht erfüllen würde. Habe der Gläubiger keine derartigen Anhaltspunkte gerade vor Fälligkeit des Anspruchs, bestehe regelmäßig kein Grund für Misstrauen an einem pflichtgemäßen Verhalten des Schuldners und damit für eine Klage zur vorsorglichen Durchsetzung des Anspruchs.

c)Schweigen des Mieters genügt nicht

Solche konkreten Anhaltspunkte ergeben sich nach den weiteren Ausführungen des BGH allein aus dem Schweigen des Mieters auf eine Aufforderung des Vermieters, sich über seine künftige Vertragstreue und Leistungsbereitschaft zu erklären, grds. nicht. Zwar liege es nahe, dass der Vertragspartner auf Fragen des anderen Vertragsteiles in irgendeiner Weise reagiere, und sei es nur mit der Mitteilung, dass die Frage (derzeit) nicht beantwortet werden könne. Jedoch könne aus dem Ausbleiben einer Reaktion ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht auf eine fehlende Erfüllungsbereitschaft geschlossen werden. Ein solches Verhalten könne nämlich vielfältige Gründe haben. Da der Schuldner keine Verpflichtung habe, sich zu seiner Erfüllungsbereitschaft zum Fälligkeitszeitpunkt zu erklären, kann nach Auffassung des BGH sein bloßes Schweigen auf eine derartige Anfrage im Regelfall nicht als Ausdruck des Fehlens der Erfüllungsbereitschaft gedeutet werden.

d)Keine Abweichung im gewerblichen Mietrecht

Der BGH hat keinen Anlass dafür gesehen, von diesen Grundsätzen im gewerblichen Mietrecht abzuweichen. Der Vermieter habe zwar regelmäßig schon im Hinblick auf eine mögliche Anschlussverwendung des Mietobjektes ein nachvollziehbares Interesse daran zu wissen, ob sich der Mieter vertragstreu verhalten und seinen Pflichten am Ende der Mietzeit erfüllen werde oder ob es zur Durchsetzung seines Herausgabeanspruchs eines gerichtlichen Vorgehens bedürfe. Ein solches Interesse des Vermieters sei auch dann anzuerkennen, wenn der Mieter erklärt habe, er akzeptiere die Kündigung und sei grds. bereit, das Mietobjekt bei Ende der Mietzeit geräumt an den Vermieter herauszugeben.

Indes biete dies für den Vermieter keine vollständige sichere Planungsgrundlage. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass trotz einer solchen Erklärung nicht gewährleistet sei, dass die Haltung des Mieters bis zum Mietende unverändert bleibe. Eine Erklärung des Mieters über seine Herausgabebereitschaft sei für den Vermieter schon deshalb von Wert, weil dieser im Falle einer erkennbaren Verweigerungshaltung des Mieters frühzeitig ohne eigenes Kostenrisiko eine Räumungsklage nach §§ 257, 259 ZPO erheben könne.

Das Interesse des Vermieters an einer Planungsgrundlage unterscheide sich allerdings nicht wesentlich von demjenigen der Gläubiger anderer Schuldverhältnisse, bei denen ebenfalls ein Interesse an einer Planungsmöglichkeit bestehe. Außerdem hat der BGH darauf hingewiesen, es müsse auch ein Interesse des Mieters anerkannt werden, die Berechtigung der Kündigung des Vermieters und die Möglichkeit der Beschaffung von Ersatzräumlichkeiten gründlich zu prüfen und sich nicht frühzeitig zur Berechtigung des Herausgabeverlangens des Vermieters und der eigenen Räumungsbereitschaft äußern zu müssen. Durch die nach § 257 ZPO eröffnete Möglichkeit, die Räumung vor Fälligkeit des Herausgabeanspruchs mit eigenem Kostenrisiko geltend zu machen, trage dem Interesse des Vermieters, pünktlich zum Mietzeitende wieder in den Besitz der Räumlichkeiten zu kommen, hinreichend Rechnung.

III.

Bedeutung für die Praxis

Mit diesem Beschluss klärt der BGH eine in Rspr. und Lit. höchst umstrittene Frage. Gegenstand des Rechtsstreits war eine Klage auf Räumung eines gewerblichen Mietobjektes. Die Grundsätze der BGH-Entscheidung dürften aber wohl auch auf das Wohnungsmietrecht übertragen werden können. Für die Praxis hat dies folgende Auswirkungen:

1.Verfahrensweise des Vermieters

Der Vermieter hat die Möglichkeit, vor Fälligkeit seines Herausgabeanspruchs eine Klage gem. § 257 ZPO auf künftige Räumung zu erheben. Je nachdem, wie sich der Beklagte einlässt und wie die Arbeitsbelastung des Gerichts ist, kommt der Vermieter im Erfolgsfall dann pünktlich zum Ende der Mietzeit in den Besitz eines Räumungstitels. Hat der Vermieter weiteres Glück und kann er alsbald die Räumungsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher erfolgreich betreiben, hat er dann Zugriff auf die Räumlichkeiten und kann sie dann dem Nachmieter überlassen, wenn der Mieter nicht freiwillig räumt. Allerdings führt der Vermieter eine solche Klage auf künftige Räumung mit dem Risiko, dass der beklagte Mieter den Räumungsanspruch sofort anerkennt. In einem solchen Fall kann dann den Kläger gem. § 93 ZPO die Kostenlast treffen.

2.Verfahrensweise des Mieters

Der BGH hat festgestellt, dass den Mieter keine Verpflichtung trifft, sich auf Fragen des Vermieters zu äußern, ob er am Ende seiner Mietzeit seiner Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe der Mieträume nachkommen werde. Ist die Kündigung des Mietverhältnisses begründet, muss der Mieter damit rechnen, dass er zur Räumung der gemieteten Räumlichkeiten zum Ende der Mietzeit verurteilt wird. Der Mieter hat aber auch – wie im Fall des BGH – die Möglichkeit, den Räumungsanspruch sofort anzuerkennen. Hat er keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, sind dem Kläger die Kosten des in der Hauptsache erfolgreichen Rechtsstreits aufzuerlegen. Nach Auffassung des BGH gibt der Mieter keine Veranlassung zur Klageerhebung i.S.d. § 93 ZPO, wenn er auf Nachfragen des Vermieters, ob er seiner Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe der Räumlichkeiten am Ende der Mietzeit erfüllen werde, keine Erklärungen abgibt. Nur dann, wenn sich aus dem Verhalten des Mieters Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dieser bei Fälligkeit den Räumungs- und Herausgabeanspruch nicht erfüllen werde, hat er Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.

Der BGH hat hier noch einmal betont, dass es insoweit eines aktiven Verhaltens des Mieters bedürfe, aus dem der Vermieter den Schluss ziehen kann, dass der Mieter seine Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe des Mietobjektes zum Ende der Mietzeit nicht nachkommt. Der anwaltliche Berater, der den Mieter nach Kündigung des Mietverhältnisses berät oder vertritt, wird dies zu beachten haben. Zwar kann der Mieter bei begründeter Kündigung des Mietverhältnisses das Räumungsurteil nicht vermeiden. Er kann jedoch mit einer an der jetzigen Rspr. des BGH orientierten Verfahrensweise erreichen, dass ihn jedenfalls die Kosten des Räumungsprozesses nicht treffen. Dies kann insbesondere bei hohen Mietbeträgen, die Einfluss auf den Streitwert und damit auch auf den Gegenstandswert haben, zu einer erheblichen Kostenersparnis führen.

https://www.juris.de/perma?d=jzs-AGS-2023-9-015-410

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

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