1. Zu den Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs, den der barunterhaltspflichtige Elternteil unmittelbar gegen den anderen Elternteil und nicht gegen das Kind geltend macht.
2. Waren die Einkommensverhältnisse des betreuenden Elternteils bereits in einem Vorverfahren Gegenstand eines Rechtsstreits, der durch Vergleich abgeschlossen worden ist, kann nur dann erneut Auskunft verlangt werden, wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nach den Grundsätzen einer Störung der Geschäftsgrundlage dargelegt wird.
3. Solange der barunterhaltspflichtige Elternteil nicht seine eigenen Einkommensverhältnisse darlegt, kann er nicht die Voraussetzungen einer Ersatzhaftung des betreuenden Elternteils im Sinne des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB geltend machen, die erst eintritt, wenn dieser mehr als das dreifache Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils erzielt.
I. Der Fall
Der Antragsteller beantragt im Wege des Stufenantrags, die Antragsgegnerin zur Auskunft über ihr Einkommen und Belegvorlage zu verpflichten und nach Auskunftserteilung den durch Vereinbarung vom 11.5.2021 festgesetzten Kindesunterhalt auf 0 herabzusetzen, soweit das Einkommen der Antragsgegnerin wesentlich höher ist als das des Antragstellers, sowie die Tochter der Antragsgegnerin zu verpflichten, bereits bezahlten Kindesunterhalt zurückzuzahlen. Im Verfahren 5 F 1064/20 haben die Beteiligten am 11.5.2021 eine Vereinbarung geschlossen, wonach der Antragsteller sich verpflichtet, einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 105 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes ab dem 1.6.2021 zu bezahlen.
Mit Beschl. v. 7.7.2022 wies das Amtsgericht den Antrag zurück und führt aus, Voraussetzung der Zulässigkeit des Auskunftsantrags sei, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die nach materiellem Recht die Abänderung der Vereinbarung rechtfertigen können. Dies sei nicht der Fall. Soweit der Antragsteller vorträgt, die Einnahmen der Kindesmutter lägen voraussichtlich bei mehr als dem dreifachen des Einkommens des Antragstellers, weshalb eine Barunterhaltspflicht der betreuenden Mutter in Betracht käme, habe der Antragsteller dies bereits im Verfahren 5 F 1064/20 vorgetragen. Insoweit liege keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vor.
Auch sei der Antrag auf Auskunft vor Ablauf der Sperrfrist von zwei Jahren gemäß § 1605 Abs. 2 BGB gestellt worden. Die Frist beginne im Fall einer gerichtlichen Vereinbarung mit dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses, also dem 11.5.2021. Der Antrag des Antragstellers vom 14.9.2021 sei auch deshalb unzulässig.
II. Die Entscheidung
Das Oberlandesgericht München hält die zulässige Beschwerde für unbegründet. Es führt diesbezüglich aus:
Eltern sind untereinander zur Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen verpflichtet
1. Zwar sind im Rahmen eines Unterhaltsrechtsverhältnisses auch Eltern untereinander zur Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen verpflichtet, wenn die Auskunft zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Dieser Anspruch folgt jedoch nicht aus § 1605 BGB, da Eltern zwar mit ihren Kindern, nicht aber miteinander verwandt sind. Der Anspruch ergibt sich vielmehr aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, als Folge der besonderen Rechtsbeziehung zwischen Eltern, die ihren gemeinsamen Kindern gleichrangig unterhaltsverpflichtet sind.
Auskunft relevant für die Höhe des Unterhaltsanspruchs
2. Voraussetzung auch dieses Auskunftsanspruchs ist jedoch, dass die Auskunft relevant für die Höhe des Unterhaltsanspruchs ist. Dies kommt grundsätzlich im Hinblick auf die Ersatzhaftung nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB in Betracht.
(a) Wenn der betreuende Elternteil etwa über das Dreifache der unterhaltsrelevanten Nettoeinkünfte des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils verfügt, kann es der Billigkeit entsprechen, den betreuenden Elternteil auch den Barunterhalt für das Kind in voller Höhe aufbringen zu lassen (BGH FamRZ 2013, 1558).
(b) Allerdings muss ein nachrangig Unterhaltsverpflichteter eine Auskunft erst erteilen, wenn feststeht, dass die vorrangig haftenden Unterhaltspflichtigen ganz oder teilweise leistungsunfähig sind (Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 10. Aufl., § 1 Rn 1154). Der Antragsteller müsste also zunächst umfassend Auskunft über sein Einkommen erteilen, da nur dann über die Ersatzhaftung entschieden werden kann.
(c) Auch dies kann vorliegend aber dahinstehen, da aufgrund der von den Beteiligten geschlossenen Vereinbarung vom 11.5.2021 die Auskunft der Antragsgegnerin keine Relevanz für die Höhe des Unterhaltsanspruchs hat. Voraussetzung wäre, dass die Vereinbarung im Hinblick auf ein dreifach höheres Nettoeinkommen der Antragsgegnerin abgeändert werden könnte. Gemäß § 239 FamFG ist die Abänderung einer Vereinbarung zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung rechtfertigen. Die Zulässigkeit des Antrags setzt den Vortrag von Tatsachen voraus, die nach den Regeln über die Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage § 313 BGB zu beurteilen sind. Es müssen die dem Vertrag zugrunde liegenden und dann die neuen Verhältnisse, aus denen eine Abänderung gerechtfertigt wäre, dargetan werden (st. Rspr. vgl. OLG Hamburg FamRZ 2002, 465; OLG Köln FamRZ 2005, 1755). Im Hinblick auf eine Ersatzhaftung der Antragsgegnerin wäre dies der neue Vortrag eines mindestens dreifach höheren Einkommens der Antragsgegnerin im Vergleich zum Einkommen des Antragstellers. Dies hat der Antragsteller jedoch bereits im Verfahren 5 F 1064/20 mehrfach vorgetragen. So hat der Antragsteller im Ausgangsverfahren 5 F 1064/20 bereits im Schriftsatz vom 7.12.2020, 13.1.2021 und 18.1.2021 vorgetragen, dass die Antragsgegnerin Direktorin … mit Einkommen in Höhe von 4…00 EUR brutto ist und ein sieben- bis achtfach höheres Nettoeinkommen als der Antragsteller habe. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die vom Antragsteller gewünschte Haftung der Antragsgegnerin liegt somit nicht vor.
Nachdem der Antragsteller somit an die geschlossene Vereinbarung insoweit gebunden ist, kann die Auskunft der Antragsgegnerin für die Höhe des Kindesunterhalts nicht mehr entscheidungserheblich sein, weshalb ein Auskunftsanspruch nicht besteht.
Gesamtabweisung des Stufenantrags
3. Das Amtsgericht hat den Antrag auch zu Recht insgesamt abgewiesen und nicht durch Teil-Beschluss nur den Auskunftsantrag.
Eine Gesamtabweisung des Stufenantrags hat zu erfolgen, wenn bereits der Unterhaltsantrag aus Gründen, die nicht in der Höhe des anrechenbaren Einkommens liegen, endgültig abgewiesen werden muss (BGH FamRZ 2013, 1113). Wie dargelegt ist dies hier der Fall. Nachdem der Antragsteller bereits zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses von dem behaupteten Einkommen der Antragsgegnerin ausging, ist keine wesentliche Änderung gegenüber dem Vergleichsabschluss eingetreten und eine Abänderung aus diesen Gründen nicht zulässig.
III. Der Praxistipp
Im Falle der anteiligen Haftung der Kindseltern nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB wird die wechselseitige Auskunftspflicht aus § 242 BGB abgeleitet (BGH, Urt. v. 9.12.1987 – IVb ZR 5/87, FamRZ 1988, 268 für das volljährige Kind).
In der vorliegenden Entscheidung geht der BGH davon aus, dass die §§ 1580, 1605 BGB nur einen Teilbereich regeln, in dem der Gesetzgeber die gegenseitigen Pflichten habe präzisieren wollen. Dies ist entsprechend auf eine aus § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB abgeleitete Ersatzhaftung anzuwenden (vgl. FamRZ 2023, 691).