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Anmeldung des im vereinfachten Verfahren titulierten Kindesunterhalts – Insolvenztabelle

1. Werden zugunsten des Jobcenter gemäß § 33 SGB II übergegangene Unterhaltsansprüche tituliert und später in dem über das Vermögen des Unterhaltsschuldners eröffneten Insolvenzverfahren mit dem Zusatz nach § 302 Nr. 1 InsO zur Insolvenztabelle angemeldet, dass der Schuldner den gesetzlichen Unterhalt vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt habe, kann der Schuldner im Wege des negativen Feststellungsantrags geltend machen, dass die Nichtgewährung des Unterhalts nicht auf einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit beruht.

2. Passiv legitimiert ist in einem solchen Feststellungsverfahren das Jobcenter, das im Rahmen der ihm zur Durchführung der Leistungsgewährung nach § 44b SGB II übertragenen vollständigen Aufgabenwahrnehmung, die ihn im Insolvenzverfahren angemeldeten Unterhaltsanspruch in eigenem Namen geltend gemacht und für sich hat titulieren lassen.

3. Allein der Umstand, dass Unterhaltsansprüche gemäß § 33 SGB II nicht auf das Jobcenter, sondern auf den jeweiligen Leistungsträger nach §§ 6 ff. SGB II übergehen, steht in diesem Fall der Passivlegitimation des Jobcenters nicht entgegen.

4. Hinsichtlich des Vortrags, dass der gesetzliche Unterhalt im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt wurde, kann sich der Gläubiger nicht allein auf die Rechtskraft des Unterhaltstitels und die unterbliebene Unterhaltszahlung berufen, sondern muss Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich die vorsätzliche Pflichtwidrigkeit ergibt.

5. Soweit der Mindestunterhalt eines minderjährigen Kindes tituliert ist, kann sich der Gläubiger dabei hinsichtlich des Unterhaltsbedarfs und der -bedürftigkeit des Kindes auf § 1612a BGB berufen; den Schuldner trifft in diesem Fall die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich seiner (fehlenden) Leistungsfähigkeit.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.1.202318 WF 181/22

I. Der Fall

Der Antragsteller wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Feststellung, dass Unterhaltsansprüche aus einem im vereinfachten Unterhaltsverfahren gegen ihn errichteten Titel nicht bestehen, hilfsweise, dass die Unterhaltsansprüche nicht auf einer vorsätzlich pflichtwidrigen Verletzung der Unterhaltspflicht beruhen.

Der Antragsteller ist der Vater der Kinder. Für die beiden Kinder wurden vom Antragsgegner, dem Jobcenter, Leistungen nach dem SGB II erbracht. Auf Antrag des Antragsgegners hat das Amtsgericht Freiburg mit Beschluss den vom Antragsteller an das Jobcenter zu zahlenden rückständigen Unterhalt für den Zeitraum vom 1.9.2016 bis 31.5.2017 auf 4.060 EUR je Kind und den ab 1.6.2017 zu zahlenden laufenden Unterhalt je Kind auf 120 % des Mindestunterhalts der 3. Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes festgesetzt. Der Monatsbetrag des laufenden Unterhalts wurde auf 456 EUR je Kind beziffert.

In dem auf Antrag des Antragstellers über dessen Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren wurden auf Grundlage des Unterhaltsbeschlusses vom 27.6.2017 rückständige Unterhaltsforderungen von insgesamt 14.922 EUR mit dem Zusatz zur Insolvenztabelle angemeldet, dass es sich bei der Forderung um eine nach § 302 Satz 1 Nr. 1 InsO von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderung handle, da der Schuldner den gesetzlichen Unterhalt vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt habe.

Der Antragsteller beantragt, ihm Verfahrenskostenhilfe für folgende Anträge zu bewilligen:

1. festzustellen, die Unterhaltsforderungen aus dem Beschluss des Amtsgerichts i.H.v. 14.922 EUR bestehen nicht.

2. hilfsweise festzustellen, die mit dem Beschluss des Amtsgerichts festgestellten, zu dem Insolvenzverfahren gemeldeten Unterhaltsforderungen rühren nicht aus einer vorsätzlich pflichtwidrigen Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 302 Satz 1 Nr. 1 InsO.

II. Die Entscheidung

Das OLG Karlsruhe hält die sofortige Beschwerde des Antragstellers gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO für zulässig und – soweit für den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag Verfahrenskostenhilfe begehrt wird – auch begründet. Dies begründet das Gericht wie folgt:

Verfahrenskostenhilfeantrag zurückgewiesen

1. Soweit der Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für den Hauptantrag auf Feststellung, dass die Unterhaltsforderung in Höhe von 14.922 EUR nicht bestehe, begehrt, hat das Familiengericht den Verfahrenskostenhilfeantrag zu Recht im Hinblick auf die rechtskräftige Titulierung der Unterhaltsbeträge mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Eine Erfolgsaussicht des Hauptantrags wäre auch dann nicht gegeben, wenn man diesen als Abänderungsantrag auslegt. Zu Recht weist der Antragsgegner darauf hin, dass eine rückwirkende Herabsetzung des im vereinfachten Verfahren titulierten Unterhalts ungeachtet des Vorliegens sonstiger Abänderungsvoraussetzungen gemäß §§ 240 Abs. 2, 238 Abs. 3 Satz 4 FamFG für mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeiträume nicht verlangt werden kann. Der verfahrensgegenständliche Unterhaltszeitraum liegt bereits mehr als fünf Jahre zurück. Tatsachen, die die Voraussetzungen eines begründeten Vollstreckungsgegenantrages nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 767 ZPO begründen könnten, sind bisher nicht dargelegt bzw. etwaige anspruchs- oder vollstreckungshemmende Einreden nicht erhoben, sodass bei entsprechender Auslegung des Hauptantrags eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe derzeit nicht in Betracht käme.

Es bedarf daher keiner weiteren Aufklärung, ob der Antragsteller seinen Hauptsacheantrag weiterverfolgen will und hierfür mit der sofortigen Beschwerde Verfahrenskostenhilfe begehrt. Zweifel ergeben sich insoweit daraus, dass der Antragsteller bereits im Schriftsatz vom 1.7.2022 vorgetragen hatte, dass es lediglich um die Feststellung gehe, ob die titulierte Forderung aus einer unerlaubten vorsätzlichen Handlung herrühre oder nicht sowie daraus, dass sich das Beschwerdevorbringen in erster Linie mit der Frage der vorsätzlich pflichtwidrigen Nichtgewährung des Unterhalts befasst.

Verfahrenskostenhilfe gewährt

2. Verfahrenskostenhilfe ist dem Antragsteller für den von ihm eingereichten Hilfsantrag zu gewähren. Insoweit hat seine Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO. Sie erscheint auch nicht mutwillig.

a) Der Feststellungsantrag des Antragstellers ist zulässig. Insbesondere besteht das insoweit erforderliche Feststellungsinteresse für einen negativen Feststellungsantrag gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 256 Abs. 1 ZPO. Dieses ergibt sich aus § 302 Nr. 1 InsO. Denn die Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Unterhaltsforderung zur Insolvenztabelle mit dem Zusatz, dass es sich um gesetzlichen Unterhalt handle, der vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt worden sei, führt dazu, dass die Forderung von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist. Besteht Streit zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner darüber, ob die Voraussetzungen des § 302 Nr. 1 InsO erfüllt sind, haben regelmäßig beide Beteiligte ein Interesse daran, den umstrittenen Charakter der Forderung möglichst frühzeitig zu klären, weshalb dem Schuldner das Interesse an einer negativen Feststellungsklage nicht abgesprochen werden kann. Die Titulierung des Unterhalts selbst steht dem Feststellungsantrag nicht entgegen. Denn die Rechtskraft des Unterhaltsbeschlusses vom 27.6.2017 erstreckt sich nicht auf die Frage, ob der Antragsteller den gesetzlichen Unterhalt vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat.

b) Der Antragsgegner ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand entgegen seiner Ansicht passivlegitimiert.

aa) Der Antragsgegner trägt zwar zutreffend vor, dass er materiell-rechtlich nicht Inhaber der verfahrensgegenständlichen Forderung ist. Denn nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II gehen im Falle der Leistungsgewährung an eine unterhaltsberechtigte Person deren Unterhaltsansprüche auf den Träger der Sozialleistung in Höhe der erbrachten Leistungen über. Träger der Leistungen sind grundsätzlich die Bundesagentur für Arbeit und die kreisfreien Städte und Kreise, für die ihnen jeweils nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 SGB II zugewiesenen Leistungen. Soweit dem Jobcenter gemäß § 44b SGB II die Aufgaben der Durchführung der Leistungsgewährung übertragen sind, lässt dies gemäß § 44b Abs. 1 Satz 2 2. HS SGB II die Trägerschaft nach §§ 6 ff. SGB II unberührt.

Passivlegitimation

bb) Entscheidend für die Frage der Passivlegitimation ist vorliegend jedoch nicht die Trägerschaft, sondern der Umstand, dass die zugunsten des Antragsgegners im Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts titulierte Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet wurde. Diesen Titel hat der Antragsgegner in Wahrnehmung der ihm durch § 44b Abs. 1 SGB II zugewiesenen Aufgaben errichten lassen. Dabei war er berechtigt, den gemäß § 33 SGB II auf den Leistungsträger übergegangenen Unterhaltsanspruch in eigenem Namen geltend zu machen und Zahlung an sich zu verlangen.

Folgerichtig hat die Bundesagentur die titulierte Forderung nicht in eigenem Namen, sondern für den Antragsgegner als Titelgläubiger in dessen Auftrag zur Insolvenztabelle angemeldet. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem in der Akte befindlichen Schreiben der Bundesagentur vom 18.11.2021, wonach die Forderung von 14.922 EUR „im Auftrag des Jobcenter …, vertr. d. d. Geschäftsführung […], diese wiederum vertr. d. d. Agentur für Arbeit … – Fachbereich Inkasso –, […]“ zum Insolvenzverfahren angemeldet wurde. Soweit der Antragsgegner vorträgt, das Wort „Auftrag“ sei nicht im juristischen Sinne zu verstehen, da es sich um „betriebswirtschaftliche Semantik“ eines modernen Dienstleistungsunternehmens handle, wenn die Bundesagentur davon spreche, vom Antragsgegner „beauftragt“ zu sein, ist dies aus dem Schreiben vom 18.11.2021 weder ersichtlich noch in dem rein juristischen Zusammenhang einer Forderungsanmeldung nachvollziehbar.

Soweit der Antragsgegner darüber hinaus vorträgt, er sei von der Bundesagentur mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben betraut worden, wobei die Aufgabe des Inkassos nicht auf ihn übertragen worden, sondern bei der Bundesagentur verblieben sei, steht dies mit dem sich aus § 44b SGB II ergebenden Gedanken der einheitlichen und vollständigen Aufgabenwahrnehmung nicht in Einklang. Nach § 44b Abs. 1 Satz 2 SGB II nimmt das Jobcenter als gemeinsame Einrichtung die Aufgaben der Träger der Leistungen nach dem SGB II wahr. Zu diesen Aufgaben gehört auch die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger. Wodurch und auf welcher Grundlage diese gesetzliche Wahrnehmungszuständigkeit des Antragsgegners durchbrochen wurde, ergibt sich aus dem Vortrag des Antragsgegners nicht. Vor diesem Hintergrund kann die für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erforderliche Erfolgsaussicht hinsichtlich der Frage der Passivlegitimation des Antragsgegners nicht verneint werden.

Hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung

c) Hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung des Antragstellers im Sinne von §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 ZPO besteht auch im Übrigen. Da der Unterhaltsanspruch rechtskräftig tituliert wurde, ist allein die Frage zu klären, ob der Antragsteller vorsätzlich pflichtwidrig den von ihm geschuldeten Unterhalt nicht gewährt hat. Denn anders als bis zum Inkrafttreten der Neufassung des § 302 InsO am 1.7.2014 ist Gegenstand des Insolvenzverfahrens und des vorliegenden Rechtsstreits nicht ein Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB, sondern die titulierte Unterhaltsforderung selbst und deren vorsätzlich pflichtwidrige Nichterfüllung. Ergibt die insoweit notwendige Prüfung, dass der Antragsteller unverschuldet tatsächlich nicht in der Lage war, die verfahrensgegenständliche Forderung zu erfüllen, kann die unterbliebene Unterhaltszahlung nicht als vorsätzlich pflichtwidrig im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO bewertet werden.

Darlegungs- und Beweislast

aa) Darlegungs- und beweisbelastet für eine solche unterhaltsrechtliche Pflichtwidrigkeit ist grundsätzlich der Antragsgegner als Gläubiger. Dabei kann sich der Gläubiger nicht allein auf den bestehenden Unterhaltstitel berufen, denn in diesem ist nicht rechtskräftig darüber entschieden, ob der Schuldner den titulierten Anspruch vorsätzlich pflichtwidrig nicht erfüllt hat. Auch die einzelnen Voraussetzungen des titulierten Anspruchs – wie etwa Bedarf und Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers und Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners – nehmen an der Rechtskraft eines Unterhaltstitels nicht teil. Insoweit handelte es sich um bloße Vorfragen.

Abweichend von diesem Grundsatz bedarf es allerdings keiner besonderen Darlegungen des Gläubigers, wenn lediglich Unterhalt in Höhe des Mindestunterhalts in Streit steht. Denn insoweit kann sich der Gläubiger auch im Anwendungsbereich des § 302 Nr. 1 InsO hinsichtlich des Unterhaltsbedarfs und der Bedürftigkeit des minderjährigen Kindes auf § 1612a BGB berufen. Gleichzeitig trifft den Unterhaltsschuldner eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich seiner (fehlenden) Leistungsfähigkeit.

bb) Insoweit ist vorliegend hinsichtlich des Bedarfs und der Bedürftigkeit der beiden Kinder des Antragstellers allerdings zu berücksichtigen, dass die für den Mindestunterhalt geltenden Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast nicht uneingeschränkt gelten. Denn tituliert sind nicht nur 100 %, sondern 120 % des Mindestunterhalts.

Leistungsfähigkeit des Antragstellers

cc) Ferner ist bezüglich der Frage der Leistungsfähigkeit des Antragstellers – auch hinsichtlich des Mindestunterhalts – zu berücksichtigen, inwieweit ihm im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast aufgrund des Zeitablaufs Angaben zu den Umständen, aus denen sich seine (fehlende) Leistungsfähigkeit ergibt, noch zumutbar sind. Dabei sind an den Vortrag des Unterhaltsschuldners ebenfalls keine übertriebenen Anforderungen zu. Ob nach diesen Maßstäben das Vorbringen des Antragstellers zu seinen Erwerbsbemühungen hinsichtlich Art (mündlich, schriftlich, über das Jobcenter, Fremd-, Eigeninserate), Anzahl und Zeitraum ausreichend substantiiert ist, kann für die Frage der hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung im Sinne von § 114 Abs. 1 ZPO dahinstehen. Denn diese ergibt sich bereits aus dem unstreitigen Vortrag des Antragstellers, dass er im verfahrensgegenständlichen Unterhaltszeitraum über keine Ausbildung und zudem über keine ausreichenden Sprachkenntnisse verfügt habe. Bereits diese Umstände begründen erhebliche Zweifel, ob der Antragsteller bei unterstellt ausreichenden Erwerbsbemühungen tatsächlich in der Lage war, unter Wahrung seines Selbstbehalts den titulierten Unterhalt zu erbringen.

Selbstbehalt

Bei Zugrundelegung des damaligen Selbstbehalts gegenüber minderjährigen Kindern von 1.080 EUR und Unterhaltspflichten in Höhe von monatlich insgesamt 912 EUR (2 × 456 EUR) hätte der Antragsteller monatliche Nettoeinkünfte von 1.992 EUR erzielen müssen. Der Antragsteller hätte daher eine Arbeitsstelle finden müssen, bei der er deutlich mehr als den im Jahr 2016 geltenden Mindestlohn von 8 EUR je Stunde verdient. Denn mit dem damaligen Mindestlohn hätte der Antragsteller bei Lohnsteuerklasse 1 lediglich ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.048 EUR erzielt. Es erscheint daher zumindest nicht fernliegend, dass er mangels Ausbildung und ausreichenden Sprachkenntnissen voraussichtlich keine Einkünfte hätte erzielen können, die den Selbstbehalt erreichen oder deutlich über ihn hinausgehen. In diesem Falle würde jedoch die unterbliebene Unterhaltszahlung nicht oder allenfalls zu einem geringen Teil auf einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit beruhen. Die Klärung der Frage, ob und in welcher Höhe der Antragsteller tatsächlich über seinen Selbstbehalt hinaus hätte Einkünfte erzielen können, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

dd) Aus dem Vorbringen des Antragsgegners ergibt sich insoweit nichts Abweichendes. Er hat weder zu dem über den Mindestunterhalt hinausgehenden Bedarf der Kinder noch zur entsprechenden Leistungsfähigkeit des Antragsgegners etwas vorgetragen. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 3.3.2016 (IX ZB 65/14), auf die sich der Antragsgegner in diesem Zusammenhang beruft, lag ein abweichender Sachverhalt zugrunde. In dem dort entschiedenen Fall waren die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen in einem streitigen Urteil tituliert worden. In diesem waren Feststellungen zur Leistungsfähigkeit des Schuldners insbesondere zu seinen Verdienstmöglichkeiten getroffen worden, die sich der Gläubiger im Insolvenzverfahren zur Begründung der Unterhaltspflichtverletzung zu eigen gemacht hatte. An vergleichbaren Feststellungen fehlt es hinsichtlich des vorliegend im vereinfachten Unterhaltsverfahren festgesetzten Unterhalts.

III. Der Praxistipp

Diese Entscheidung des OLG Karlsruhe aus dem Spannungsverhältnis „übergegangene und titulierte Unterhaltsansprüche/Insolvenz“ beschäftigt sich mit der möglichen Restschuldbefreiung des Unterhaltsschuldners gemäß §§ 301 und 302 InsO.

Der entsprechende Rechtsbehelf, wie in dieser Entscheidung dargestellt wird, kann dem Unterhaltsschuldner das Erreichen der Restschuldbefreiung gemäß § 301 InsO auch hinsichtlich übergegangener und titulierter Unterhaltsansprüche ermöglichen, sofern festgestellt wird, dass der Schuldner gerade nicht den gesetzlichen Unterhalt vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt habe. Dieses Begehren kann mit einem Feststellungsantrag gegen das Jobcenter, auf welches die Unterhaltsansprüche übergegangen sind, durchgesetzt werden. Das OLG Karlsruhe liefert in dieser Entscheidung wertvolle Hinweise sowohl zur Schlüssigkeit des Antrags und Darlegungs- als auch Beweislast.

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