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Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss bei Quotentrennungsunterhalt und Subsidiarität von Verfahrenskostenhilfe

1. Ein der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe entgegenstehender Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegen den Antragsgegner kommt, sofern der angemessene Selbstbehalt der Beteiligten nicht beeinträchtigt wird, auch bei der Geltendmachung von Trennungsunterhalt als Quotenunterhalt in Betracht, wenn dieser noch nicht laufend gezahlt wird.

2. In diesem Falle ist der geleistete Verfahrenskostenvorschuss zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes vorab – auf einen angemessenen Zeitraum verteilt – zur Bestimmung des Trennungsunterhalts vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen.

OLG Bremen, Beschl. v. 30.3.20225 WF 4/22

I. Der Fall

Die Antragstellerin beantragt Verfahrenskostenhilfe für die von ihr beabsichtigte Inanspruchnahme des Antragsgegners, ihres von ihr seit April 2020 getrenntlebenden Ehemannes, dessen bereinigtes Nettoeinkommen sie vor Abzug des Erwerbstätigenbonus für die Zeit bis Februar 2021 auf rund 4.260 EUR und für die Zeit ab März 2021 auf rund 3.898 EUR beziffert, auf Zahlung eines nach Quote bemessenen rückständigen und laufenden Trennungsunterhalts in Höhe von monatlich 1.167 EUR.

Mit Beschl. v. 5.11.2021 hat das Familiengericht den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin mit der Begründung zurückgewiesen, dass sie ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt habe, weil sie das Nichtbestehen eines Anspruchs gegen den Antragsgegner auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses, der auch bei der Geltendmachung eines Trennungsunterhaltsanspruch nach Quote in Betracht komme, nicht dargetan habe.

Gegen diese Entscheidung, die ihr am 24.11.2021 zugestellt worden ist, wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 21.12.2021, mit der sie ihre bereits bei Antragstellung mitgeteilte Auffassung, wonach im Falle eines nach Quote geltend gemachten Trennungsunterhaltsanspruchs kein Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses gegen den Antragsgegner bestehe, weil dies dem Halbteilungsgrundsatz widersprechen würde, bekräftigt. Das Familiengericht hat die Sache mit Nichtabhilfebeschluss vom 11.1.2022 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die Entscheidung

Das OLG Bremen ist der Auffassung, dass die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg hat.

In den Gründen des Beschlusses vom 30.3.2022 führt es aus:

Das Familiengericht hat ihr die Verfahrenskostenhilfe zu Recht versagt, weil sie – mangels Vortrags zum (Nicht-)Bestehen bzw. zur (Nicht-)Durchsetzbarkeit eines Anspruchs auf Verfahrenskostenvorschuss gegen den Antragsgegner – ihre Bedürftigkeit i.S.d. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG nicht hinreichend dargetan hat.

Sonderform der Sozialhilfe

Verfahrenskostenhilfe ist eine als Sonderform der Sozialhilfe geltende staatliche Fürsorgeleistung und als solche gegenüber einem zu dem nach § 115 Abs. 2 ZPO für die Verfahrenskosten einzusetzenden Vermögen gehörenden Anspruch der Antragstellerin nach §§ 1360a Abs. 4 S. 1, 1361 Abs. 4 S. 4 BGB auf Verfahrenskostenvorschuss gegen den Antragsgegner, der hier nach dessen von der Antragstellerin behaupteter Einkommenssituation durchaus in Betracht kommt, subsidiär. Es obliegt daher, wie vom Familiengericht gefordert, der Antragstellerin, darzulegen, dass ein Verfahrenskostenvorschuss von dem Antragsgegner nicht zu erlangen ist, weil er entweder nicht besteht oder nicht zeitnah durchsetzbar ist.

Diese Obliegenheit hat die Antragstellerin nicht erfüllt, sodass ihre für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe notwendige Bedürftigkeit nicht feststellbar ist. Soweit die Antragstellerin meint, sie müsse entsprechende Darlegungen nicht machen, weil bei der Geltendmachung von Trennungsunterhalt als Quotenunterhalt grundsätzlich kein Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses gegen den Unterhaltspflichtigen bestehe, ist das Familiengericht dieser Auffassung zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat ergänzend Bezug nimmt, entgegengetreten.

Halbteilungsgrundsatz

Zwar trifft es zu, dass nach wohl überwiegender Meinung ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss neben der Zahlung von Trennungsunterhalt nur bejaht wird, wenn dadurch der Halbteilungsgrundsatz nicht verletzt werde, was nur dann der Fall sei, wenn der Unterhaltspflichtige über nicht prägende Einkünfte, über ein hohes Vermögen oder über ein so hohes Einkommen verfügt, dass der Bedarf konkret und nicht – wie im vorliegenden Fall – nach Quote zu bemessen ist; bei der Geltendmachung vom Quotenunterhalt entspricht nach dieser Auffassung der Vorschussanspruch regelmäßig nicht der Billigkeit im Sinne des § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB.

Nach anderer und aus Sicht des Senats vorzugswürdiger, wenngleich in der Praxis zu aufwendigerem Vorgehen nötigender, Ansicht, die sich mit der vom Familiengericht vertretenen Auffassung deckt, kann Vorstehendes zumindest in dieser Allgemeinheit indes nicht gelten. Vielmehr muss jedenfalls dann, wenn – wie hier – noch kein laufender Trennungsunterhalt im Rahmen des Halbteilungsgrundsatzes gezahlt wird, die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen also noch nicht bereits aufgeteilt sind, vorab der Verfahrenskostenvorschuss verlangt werden können, wenn der beiderseitige angemessene Selbstbehalt hierdurch nicht beeinträchtigt wird. In diesem Fall ist der geleistete Verfahrenskostenvorschuss zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes vorab – auf einen angemessenen Zeitraum verteilt – vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen zur Bestimmung des Trennungsunterhalts abzuziehen. Auf diese Weise kann ohne Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes der Vorrang der Inanspruchnahme des Verfahrenskostenvorschussanspruchs gegenüber der Verfahrenskostenhilfe Rechnung getragen werden.

Einwand der Antragstellerin

Der mit der sofortigen Beschwerde vorgebrachte Einwand der Antragstellerin, wonach Unterhaltspflichten zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs der Vorschusspflicht vorgingen und die Nachrangigkeit des Anspruchs auf Verfahrenskostenvorschuss gegenüber dem Trennungsunterhaltsanspruch ausgehebelt würde, wenn der Unterhaltspflichtige Vorschusszahlungen leisten müsste und diese als Abzugsposten bei der Berechnung des Trennungsunterhalts berücksichtigt und somit die Unterhaltshöhe verringern würden, führt zu keiner anderen Bewertung. Es ist schon zweifelhaft, ob die von ihr in diesem Zusammenhang angeführte Zitatstelle überhaupt den Unterhaltsanspruch einschließt, für dessen Geltendmachung ein Verfahrenskostenvorschuss in Betracht kommt oder ob damit lediglich bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des potentiell Vorschusspflichtigen zu berücksichtigende sonstige Unterhaltspflichten gemeint sind. Unabhängig davon aber verkennt dieses Vorbringen der Antragstellerin, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH der Halbteilungsgrundsatz allein auf das für Konsumzwecke verfügbare „unterhaltsrelevante“ Einkommen bezieht und dieses sich durch konkrete Bedarfspositionen vermindert.

III. Der Praxistipp

Die vorliegende Entscheidung beschäftigt sich mit dem Problem der Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes im Rahmen des Quotentrennungsunterhalts bei Gewährung eines Verfahrenskostenvorschusses.

Grundsätzlich verstößt die Bewilligung des Verfahrenskostenvorschusses gegen den Halbteilungsgrundsatz, da über den nach dem Halbteilungsgrundsatz ermittelten Trennungsunterhalt hinaus auch noch der Verfahrenskostenvorschuss durch den Unterhaltsschuldner zu begleichen bzw. beglichen worden ist.

Die vom OLG Bremen angebotene Lösung dahingehend, dass vorab vom Einkommen des Unterhaltsschuldners zur Bestimmung des Trennungsunterhalts der geleistete Verfahrenskostenvorschuss auf einen angemessenen Zeitraum verteilt vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen bei Ermittlung des für den Trennungsunterhalt unterhaltsrechtlichen relevante monatliche Nettoeinkommens in Abzug gebracht wird, überzeugt und findet Anhänger insbesondere in der Literatur.

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